Die Abgeordneten der ungarischen Fidesz-Partei werden die Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) im Europäischen Parlament verlassen.
Das gab Fidesz-Parteichef Viktor Orbán am heutigen Mittwoch in einem Brief an den Fraktionsvorsitzenden Manfred Weber bekannt. Darin warf der Ungar dem CSU-Politiker vor, die EVP-Fraktion wolle die elf Fidesz-Parlamentarier »zum Schweigen bringen«.
GESCHÄFTSORDNUNG Die EVP wird vor den Sozialdemokraten auch nach dem Austritt des Fidesz der größte Block im Europaparlament bleiben. Seit Jahren rang die EVP darum, ob sie ihre ungarischen Mitglieder ausschließen soll.
Am Mittwoch stimmten die Fraktionsmitglieder mit großer Mehrheit für eine Änderung der Geschäftsordnung, wonach künftig die Suspendierung nicht nur einzelner Abgeordneter, sondern einer ganzen Delegation möglich wäre. Die Änderung war speziell auf Fidesz zugeschnitten.
Bereits am Sonntag hatte Orbán in einem Brief an Weber deutlich gemacht, Fidesz werde nicht in der EVP-Fraktion bleiben, wenn man dort nicht willkommen sei.
Christoph Heubner, Geschäftsführer des Internationalen Auschwitz Komitees, begrüßte den Rückzug der Fidesz-Partei und nannte ihn einen »Akt der Klarheit und Wahrheit«. Nicht nur für Demokraten in Ungarn sei das »ein ermutigendes Signal, dass Europa nationalistischen Autokraten, ihrer Gefolgschaft und ihren antisemitischen und rechtsstaatsfeindlichen Parolen die rote Karte zeigt«.
VERGLEICH Im Dezember hatte der (jüdische) Fidesz-Delegationsleiter in Brüssel und Straßburg, Tamás Deutsch, Aussagen Webers zum EU-Rechtsstaatsmechanismus in die Nähe der NS-Geheimpolizei sowie des früheren ungarischen Staatssicherheitsdienstes AVH gerückt. Im Anschluss forderten Dutzende Abgeordnete seinen Ausschluss aus der Fraktion, wofür eine Zwei-Drittel-Mehrheit notwendig gewesen wäre. Am Ende einigte man sich auf eine Aussetzung von Deutschs Mitgliedsrechten.
Immer wieder war es in jüngster Zeit zwischen Orbáns Partei, die in Ungarn seit 2010 mit absoluter Mehrheit regiert, und den übrigen Mitgliedern der christdemokratischen Parteienfamilie zu Spannungen gekommen. Vor einem Jahr warf der amtierende EVP-Parteivorsitzende Donald Tusk Orbán den Umbau Ungarns in einen autoritären Staat vor. Als Vorwand werde dafür die Corona-Pandemie benutzt, so Tusk.
PLAKATE Streit gab es auch regelmäßig über den Umgang mit dem aus Ungarn stammenden jüdischen Mäzen George Soros. 2019 hatte Orbán landesweit Plakate aufhängen lassen, auf denen Soros gemeinsam mit dem damaligen EU-Kommissionspräsidenten, dem luxemburgischen Christdemokraten Jean-Claude Juncker, abgebildet war. Die Poster waren mit der Schlagzeile versehen: »Sie haben ein Recht darauf zu erfahren, was Brüssel genau plant.«
Zeitgleich suggerierte Orbáns Regierung, Soros habe es im Verbund mit der EU darauf abgesehen, Migranten nach Europa zu holen, um so Europas christliche Ordnung zu zerstören. mth