Eurovision

Zu politisch?

Von der Talentshow zum Eurovision Song Contest: Die 20-jährige Eden Golan soll für Israel in Malmö den Sieg holen. Foto: channel 12

Es war ein besonderer Wettbewerb in einem besonderen Jahr. Die Rede ist von der Talentshow HaKochav HaBa, zu Deutsch: »Der nächste Star«, in der Israels diesjähriger Repräsentant beim Eurovision Song Contest (ESC) gekürt wurde. Denn die beliebte Show stand ganz im Schatten des 7. Oktober 2023. Die Gewinnerin, die 20-jährige Eden Golan, wird nun im Mai im schwedischen Malmö das Land vertreten.

Golan war sechs Jahre alt, als ihre Familie von Israel nach Russland zog, und kehrte vor zwei Jahren wieder zurück. Im Showfinale setzte sie sich mit ihrer Version des Aerosmith-Hits »Don’t Want to Miss a Thing« durch – und das mit einer noch nie da gewesenen Zustimmungsquote von 100 Prozent bei Publikum und Jury. Nun soll sie für Israel mit dem Titel »October Rain« in Malmö gewinnen.

Doch bevor der Song überhaupt veröffentlicht wurde, ist er schon umstritten. Kaum hatten israelische Medien berichtet, das hauptsächlich auf Englisch mit einigen Hebräisch-Einsprengseln gesungene Lied beziehe sich auf die Opfer des 7. Oktober, schaltete sich die Europäische Rundfunkunion EBU ein. Es gelte sicherzustellen, dass der Beitrag »in keinem Fall politisiert oder instrumentalisiert« werde, hieß es von dort. Hintergrund ist die ESC-Vorgabe, dass Politik nichts in den Songs des Wettbewerbs verloren habe.

Seit Monaten fordern skandinavische Künstler den Ausschluss Israels.

Diese Regel wurde aber nicht immer streng ausgelegt. So war weder Nicoles legendärer Siegertitel »Ein bisschen Frieden« von 1982 unpolitisch noch der ukrainische Beitrag »1944« im Jahr 2016 von der Sängerin Jamala, der die Deportation der Krimtataren durch Josef Stalin zum Inhalt hatte. Auch dieses Lied gewann damals den Wettbewerb.

Keine heiteren Clownerien in Malmö

Dass Israel im Jahr eins nach dem größten kollektiven Trauma seiner Geschichte nicht mit heiteren Clownerien in Malmö glänzen möchte, sollte eigentlich jedem klar sein. Dennoch will die EBU nun prüfen, ob der Text von »October Rain« auch allen ESC-Vorgaben entspricht.

In Israel reagierte man empört. Kulturminister Miki Zohar postete auf X (vormals Twitter), »October Rain« sei nicht politisch, sondern vielmehr ein »bewegendes Lied, das die Gefühle der Menschen und des Landes in diesen Tagen ausdrückt«. Er hoffe, so Zohar weiter, dass man bei der EBU weiterhin »professionell und neutral« handle und »die Kunst nicht von Politik beeinflussen« lasse.

Israels öffentlich-rechtlicher Sender Kan ließ lapidar verlauten, man habe »nicht die Absicht«, den Titel »October Rain« auszutauschen, sollte ihn die EBU für nicht zulässig erklären. Vielmehr hätte eine solche Entscheidung zur Folge, »dass Israel nicht am Wettbewerb teilnehmen« könne.

Daraufhin schaltete sich sogar Israels Staatspräsident Isaac Herzog in die Debatte ein: »Es ist wichtig, dass Israel an der Eurovision teilnimmt, es ist aber auch wichtig, klug zu handeln und nicht einfach nur recht zu haben«, so Herzog laut »Jerusalem Post«. »Die Debatte ist schon interessant, und ich versuche, so gut wie möglich Unterstützung zu leisten«, sagte der Präsident zudem auf einer Konferenz in Jerusalem und bezog sich dabei auf Israels ESC-Teilnahme.

»Wir haben über öffentliche Diplomatie gesprochen, und ich denke, dass es für Israel wichtig ist, an dem Wettbewerb teilzunehmen – das ist auch ein Statement, denn es gibt ›Hater‹, die versuchen, uns von jeder Bühne zu vertreiben«, fügte Herzog hinzu.

In Malmö gibt es eine große Zahl zumeist aus dem Nahen Osten stammender Muslime

Diese »Hater« sitzen vor allem im Austragungsland Schweden selbst sowie in anderen nordischen Ländern. In Malmö gibt es zudem eine große Zahl zumeist aus dem Nahen Osten stammender Muslime. Immer wieder gerät die südschwedische Metropole wegen Auseinandersetzungen zwischen muslimischen Jugendbanden in die Schlagzeilen – auch wegen zahlreicher antisemitischer Übergriffe. Deshalb gibt es Befürchtungen, dass sogar der Song-Wettbewerb gestört werden könnte.

Aber auch außerhalb des gewalttätigen Gangmilieus ist in Skandinavien die Stimmung alles andere als israelfreundlich. Seit Monaten fordern Künstler aus Schweden und Finnland den Ausschluss Israels wegen angeblicher Kriegsverbrechen in Gaza. Ganz vorn mit dabei: Malena Ernman, die 2009 selbst für Schweden beim ESC in Moskau am Start gewesen und Mutter der notorischen Israelhasserin Greta Thunberg ist.

Und Island droht gar mit dem Abzug vom Eurovision Song Contest, sollte Israel mit von der Partie sein. Immerhin, einen Ausschluss Israels hat die EBU nicht vorgesehen. Der ESC sei »ein Wettbewerb der teilnehmenden Rundfunkanstalten, nicht der Regierungen«, hieß es dazu in einem Statement im Januar.

Es gibt Befürchtungen, dass der Song-Wettbewerb gestört werden könnte.

Schwierige Vorzeichen also für Eden Golan. Schon die diesjährige Staffel von HaKochav HaBa stand ganz unter dem Eindruck des 7. Oktober. Einer der Teilnehmer, Shauli Greenglick, Offizier der Nahal-Brigade, der stets in Uniform auftrat, wurde im Dezember bei Kämpfen im Norden des Gazastreifens getötet. Als Eden Golan ihren Siegertitel »Don’t Want to Miss a Thing« nach dem Votum von Publikum und Jury erneut vortrug, widmete sie ihn den von der Terrororganisation Hamas entführten Menschen und deren Familien.

Die junge Frau, die ihre Gesangskarriere 2015 bei der russischen Ausscheidung zum Junior Eurovision Song Contest begann und anschließend beim Fernsehwettbewerb The Voice Kids teilnahm, hat eine schwere Last zu tragen. Es ist eben ein ganz besonderer Wettbewerb für Israel in diesem Jahr.

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