Der Letzte macht das Licht aus. Und das war die ehemalige Hamas-Geisel Evyatar David. Die Station, in der die zurückgekehrten Geiseln im Beilinson-Krankenhaus in Petach Tikwa betreut wurden, schloss am Sonntag ihre Türen. »Und wir sind alle glücklich darüber«, so das medizinische Team, das die 20 Männer behandelt hatte, die nach mehr als zwei Jahren in der Gewalt der palästinensischen Terrororganisation Hamas in Gaza zurückkehrten. »Unsere Herzen sind an diesem Tag voller Freude.«
Es war ein symbolischer Moment, »der das Ende eines schrecklichen Kapitels und den Beginn eines neuen markierte: frei und voller Licht«, freute sich die Stationsleiterin, die Ärztin Noa Eliakim-Raz. Das Personal werde nun wieder seinen regulären Dienst aufnehmen.
Ambulante Dienste für die Rückkehrer und Familienangehörige
Segev Kalfon, Eitan Mor, Evyatar David und Guy Gilboa-Dalal hatten als Letzte das Krankenhaus verlassen. Sie werden durch speziell eingerichtete ambulante Dienste für Rückkehrer und Familienmitglieder weiterbetreut.
Bar Kupershtein war bereits einige Tage zuvor in die Wohnung seiner Familie in Holon, eine Stadt südlich von Tel Aviv, zurückgekehrt. Kurz darauf berichtete er gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Sender »Kan« Erschütterndes aus der Zeit der Hamas-Gefangenschaft. Er und andere entführte Israelis seien geschlagen und gefoltert worden, nachdem der rechtsextreme israelische Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir damit geprahlt hatte, die Haftbedingungen für palästinensische Gefangene in israelischen Gefängnissen verschärft zu haben.
Kupershtein beschrieb detailliert, wie seine Entführer ihn wiederholt bestraften. Er sagte, die Schläge hätten ungefähr am 270. Tag in Gaza begonnen. »Die Terroristen kamen und prügelten auf uns ein. Sie stellten uns an die Wand und schlugen uns so richtig zusammen«, erinnerte sich der 22-Jährige. »Sie sagten: ›Es ist wegen Ben-Gvir. Weil er dasselbe mit unseren Gefangenen macht. Auge um Auge, Zahn um Zahn.‹ Das wiederholten sie einige Male. Sie kamen und verprügelten uns.«
»Es ist wegen Ben-Gvir«
»Einmal brachten sie mich in ein Zimmer, mit verbundenen Augen, und dann bekam ich zwei Schläge wie diese, direkt ins Gesicht«, sagte der junge Mann und ahmte nach, wie ihm beidseitig auf den Kopf geschlagen wurde. »Ich fiel durch die Wucht zu Boden.« Bei einer weiteren Folterung habe er gefürchtet, dass die Terroristen »meine Beine abschneiden«.
Indem er ein Bein über das andere schlug, habe er versucht, sich zu schützen, in der Hoffnung, wenigstens eines zu bewahren. »Sie schlugen immer wieder auf Beine und Füße und brachen mir mehrere Knochen in den Füßen. Wochenlang konnte ich nicht laufen.«
Michal Steinman, Leiterin der Geiselabteilung am Rabin Medical Center, bestätigt, dass die Körper der freigelassenen Männer »die Spuren dieser grauenvollen Gefangenschaft« tragen. »Wir haben ihre Bluttests, die Haut, die Geschichten erzählt. Der Stoffwechsel hat ein Trauma erlebt. Man sieht die Narben und Wunden.« Es sei unvorstellbar, was die Geiseln durchgemacht haben.
Humor zum Überleben
Guy Gilboa-Dalal hat zwei Jahre lang auf diesen Tag der Rückkehr gewartet: »Und nun kann ich kaum glauben, dass er endlich da ist«, rief er am Sonntag den jubelnden Menschen zu, die ihn vor dem Haus seiner Familie mit Flaggen und Willkommensschildern in Alfei Menashe empfingen. »Ich freue mich wahnsinnig, alle wiederzusehen, es ist unglaublich«, sagte er, während er über das ganze Gesicht strahlte. Die kommende Zeit zu Hause wolle er einfach mit seiner Familie verbringen. »Ich kann das alles noch immer nicht begreifen, es ist völlig verrückt.«
Kurz zuvor hatte ihn der Präsident seines Lieblingsvereins Maccabi Haifa angerufen und ihm eine Dauerkarte für Fußballspiele auf Lebenszeit geschenkt. »Wow, dafür hat es sich ja wirklich gelohnt«, scherzte der 24-Jährige mit schwarzem Humor, woraufhin seine Familie in schallendes Gelächter ausbrach. »Hätte ich das vorher gewusst, hätte ich den Terroristen gesagt: ›Nehmt mich mit.‹« Psychologen argumentieren immer wieder, wie sehr der Humor den Überlebenden hilft.
Am selben Tag kehrte auch sein bester Freund, Evyatar David, in sein Elternhaus in Kfar Saba nördlich von Tel Aviv zurück. Sein Vater Avishai, ein Freiwilliger der Rettungsorganisation »United Hatzalah«, hatte einen Motorradkonvoi organisiert, der seinen Sohn bis vor die Haustür begleitete. Dann dankte er der Menge, die Evyatar jubelnd empfing. Er sei sehr dankbar und voller Liebe ob der Unterstützung. »Es ist sehr schwer, aber er erholt sich. Er ist ein starker Junge«, so der Vater. »Vielen Dank – wir lieben euch alle, die ihr immer bei uns wart. Es ist einfach so schön zu sehen, dass er und Guy nach der Dunkelheit im Tunnel endlich wieder ins Licht gekommen sind.«
»Sie brachen mir mehrere Knochen in den Füßen. Wochenlang konnte ich nicht laufen.«
Bar Kupershtein
»Ich kann nicht in Worte fassen, wie glücklich es mich macht, ihn wieder zu seinem alten Selbst heranwachsen zu sehen.« Mit jedem Tag nehme er zu, sehe man, »wie seine Farbe zurückkehrt und seine Wangen voller werden. Gott sei Dank hat er es überstanden«.
In einer Erklärung der Familien im Beilinson-Krankenhaus betonte auch Tzvika Mor, Vater des freigelassenen Eitan Mor, dass die eigens eingerichtete Station nun geschlossen ist. »Wir beten, dass es im Staat Israel nie wieder eine Station für zurückkehrende Geiseln geben wird, und dass wir die letzten Eltern sind, deren Kinder entführt und gezwungen wurden, so lange in der Hölle zu leben. Nie wieder Geiseln!«
Ilan Dalal, Guys Vater, fügte hinzu: »Nach zwei schweren Jahren in Gefangenschaft der Hamas-Monster kommen sie endlich nach Hause.« Er dankte dem »israelischen Volk, das uns bis zu ihrer Freilassung in jedem Moment beigestanden« habe. »Für uns ist es wie eine zweite Geburt.«
»Das ist inakzeptabel«
Doch der Kampf ist noch nicht vorbei. Die Leichen von 13 entführten Menschen werden nach wie vor in Gaza vermisst. Zudem gehören von der Hamas am Dienstag an Israel übergebene sterbliche Überreste Berichten zufolge nicht zu einer weiterhin verschleppten, sondern zu einer bereits 2023 von der Armee geborgenen Geisel. Obendrein zeigt ein von der IDF am Mittwoch veröffentlichtes, ungeschnittenes Drohnenvideo, wie Hamas-Terroristen die Bergung der am Vortag übergebenen Überreste fingiert haben. Das sei inakzeptabel, wo »so viel von der Umsetzung dieses Abkommens abhängt«, empörte sich das Rote Kreuz.
Sowohl die ehemaligen Geiseln, die jetzt in Freiheit ihr Leben wieder leben können, als auch die Angehörigen betonen die Bedeutung der »Rückkehr aller«. Ihr Sohn Matan sei lebend nach Hause gekommen, sagte Einav Zangauker, eine der prominentesten Stimmen der Angehörigen, am vergangenen Samstag bei einer Kundgebung auf dem Platz der Geiseln in Tel Aviv. »Aber – und das ist ein großes Aber«, machte sie klar, »unser Kampf endet erst, wenn auch die letzte Geisel zu uns zurückgekehrt ist.«