Wetter

Winterchaos in Israel

Schneesturm in der Hauptstadt: Spaziergänger in der Ramban Street im Jerusalemer Stadtteil Rehavia Foto: Flash 90

In Jerusalem geht in diesen Stunden fast nichts mehr. Zehntausende Bewohner sind ohne Strom und frieren in ihren Häusern bei Temperaturen um den Gefrierpunkt, alle Einfahrt- und Ausfahrtstraßen in die Stadt sind gesperrt, der öffentliche Nahverkehr ist zum Erliegen gekommen. Bis zu 50 Zentimeter hoch liegt der Schnee in der Goldenen Stadt. Das heftige Winterwetter mit Stürmen, dauerhaften Wolkenbrüchen sowie Eis und Schnee in Höhenlagen sorgt für chaotische Zustände im Heiligen Land.

Er habe noch nie so einen Sturm gesehen, erklärte Bürgermeister Nir Barkat am Morgen im Armeeradio. In der Nacht mussten Dutzende Fahrzeuge von der Armee freigeschaufelt werden, die auf den Schnellstraßen 1 und 443 in Richtung Jerusalem steckengeblieben waren. Die Menschen mussten zum Teil Stunden auf Hilfe warten, weil auch die Rettungsfahrzeuge kaum vorankamen.

Schneefrauen Doch es gibt auch Freude über die weiße Pracht. Der Felsendom sieht aus, als habe er ein Sahnehäubchen auf seiner goldenen Kuppel, überall in den Vierteln entstehen Schneemänner und – ganz emanzipiert – auch einige Schneefrauen. Dick angezogene Kinder jauchzen vor Vergnügen und bewerfen sich mit Schneebällen, Väter und Mütter ziehen ihren Nachwuchs auf Schlitten hinter sich her, statt, wie gewöhnlich, Kinderwägen zu schieben.

Die Elektrizitätsbehörde freut der Schnee indes überhaupt nicht. Am Freitagmorgen rief sie den nationalen Notstand aus. »Wegen der Schneemassen und der vielen umgeknickten Bäume, die durch den extremen Wind auf Stromleitungen gefallen sind und diese einfach abgerissen haben«, so der Leiter Oren Helman. »Ein Unwetter von diesem Ausmaß haben wir überhaupt nicht erwartet.« Immer wieder ruft die Polizei auf den Straßen mit Megafonen dazu auf, in den Häusern zu bleiben, wenn man die Wohnung nicht unbedingt verlassen muss.

Auch im Zentrum des Landes ist das öffentliche Leben fast überall zum Stillstand gekommen. Busse fahren nur noch unregelmäßig, immer wieder fällt der Strom aus. Um neun Uhr morgens wurde auf den Ben-Gurion-Flughafen für eine Stunde sämtlicher Verkehr eingestellt. Einige Maschinen mussten auf Zypern zwischenlanden. Mittlerweile ist der Luftraum wieder geöffnet.

zusammengebrochen Auch jene, die sich sonst über Stürme freuen, bleiben heute zuhause. Dieser Sturm ist selbst der Surfergemeinde Israels zu viel. Der Club »Reef« in Herzliya präsentierte auf seiner Website Bilder von bis zu fünf Meter hohen Wellen und einem aufgewühlten Mittelmeer mit der Nachricht, dass heute alle Kurse ausfallen.

Auch der Technologie macht das Wetter einen Strich durch die Rechnung. In den meisten Läden können die Kunden nur noch bar bezahlen, weil die Verbindungen zu den Bankinstituten zusammengebrochen sind. Um den Kunden das Einkaufen dennoch angenehm zu machen, bieten viele Verkäufer warmen Tee und Kekse an. Wie Schoschi Levi, Eigentümerin des Blumenladens auf der Ussischkin-Straße in Ramat Hascharon. »Ich kann mich an so ein Wetter in Israel gar nicht erinnern«, sagt sie, während sie ihre Sträuße im Licht ihres Mobiltelefons bindet. »Es hat etwas von Weltuntergangsstimmung.«

Doch die Erde wird sich trotz Winterwetter weiterdrehen, versichert der israelische meteorologische Dienst (IMS). Passend zum Ende des Schabbats am Samstagabend soll es dann auch mit dem Sturm vorbei sein.

Andrea Kiewel

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