Gewalt

Wenn Eltern morden

Mordopfer: Ra’anana am Mittwoch vergangener Woche Foto: Flash 90

Schlagzeilen dieser Art dürfte es eigentlich gar nicht geben. Sie scheinen zu grässlich, um wahr zu sein: Wenn Vater und Mutter zu Mördern werden. Alle paar Monate entsetzen neue Berichte über Eltern, die ihre Kinder töten, die israelische Gesellschaft.

Die letzten Schreckensnachrichten lieferte vor wenigen Tagen eine Mutter aus Ra’anana, die vermutlich ihre zwei Töchter, vier und sechs Jahre jung, in ihrer Wohnung erwürgte. Im August nahm die Polizei einen Vater unter dringendem Tatverdacht fest, seine drei Kinder auf brutalste Weise erstochen zu haben, als sie ihn für das Wochenende besuchten. Der Fall der kleinen Rose, deren kurzes Leben in einem Koffer auf dem Grund des Jarkonflusses endete, ging im Jahr 2008 um die Welt. Auch zwischendurch machte der Horror keine Pause. Ein ultraorthodoxer Mann aus Jerusalem schlug so lange auf sein Baby ein, bis es starb. Ein Vater – Polizist und aus den USA eingewandert –, tötete seine zwei Kinder, seine Frau und schließlich sich selbst, ein geschiedener Kibbuznik erstickte seine kleine Tochter. In sämtlichen Fällen handelte es sich um jüdische Elternteile, die die grauenvollen Taten begingen.

Zahlen Obwohl es für die meisten den Anschein hat, ist die Zahl der Morde an Kindern durch ihre eigenen Eltern nicht gestiegen. Der israelische »Rat für das Wohlbefinden des Kindes« untersucht die Zahlen seit 2003 und gibt an, es habe in den vergangenen sieben Jahren insgesamt 42 dieser Tötungen gegeben. Ratsvorsitzender Yitzchak Kadmann ist der Meinung, dass eine gesteigerte Berichterstattung zu dem Gefühl beiträgt, es würden immer mehr. Simha Landau bestätigt das. Der Professor am Institut für Kriminologie der Hebräischen Universität in Jerusalem ist überzeugt: »Jeder dieser Fälle ist ganz klar einer zu viel. Doch es sind seltene Tragödien und kein Trend.« Stattdessen trage das Bewusstsein der Menschen sowie die Aufmerksamkeit von Zeitungen und insbesondere des Fernsehens dazu bei, dass diese Fälle an die Öffentlichkeit gelangen.

Zudem verwandle sich das Konzept »Familie« in Israel, wie im Rest der Welt auch. Werte verschwinden, andere Arten von familienähnlichen Lebensgemeinschaften entstehen. »Das trägt zum Teil zur Gewalt gegen Kinder bei, macht sie aber gleichzeitig transparenter, denn die Menschen holen sich professionelle Hilfe.« Der Kriminologe meint jedoch, dass der Schock bei derartigen Fällen in Israel vielleicht größer sei als anderswo, »weil das Bild der sorgenden jüdischen Familie damit einen gehörigen Riss bekommt«.

Kritik Wie auch im letzten Fall werden immer wieder die Sozialbehörden des Landes kritisiert, wird ihnen, etwa vom Rat für das Wohlbefinden des Kindes, mangelnde Kooperation vorgeworfen. Landau widerspricht nicht, dass es Fehler und Missstände gibt, betont jedoch, dass derartige Geschehnisse meist völlig unvorhersehbar seien. »Vielleicht gab es Zeichen, die man zuvor hätte erkennen sollen«, sagt der Professor, »aber nachher ist man immer schlauer. Die Menschen neigen dazu, in einer ausbalancierten Welt leben zu wollen, auf alle Fragen eine Antwort zu finden. Dinge offenlassen zu müssen, ängstigt uns. Doch ist es die Realität.«

Sozialminister Isaac Herzog verkündete nach den aktuellen Geschehnissen, dass ein Gesetzesentwurf für den Austausch von Informationen über gefährdete Kinder zwischen verschiedenen Behörden nun auf dem Weg sei. »Die Querelen zwischen den Ministerien sind beigelegt«, so der Minister, »denn das Leben eines Kindes zu schützen ist wichtiger als der Schutz der Privatsphäre«.

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