Zum ersten Mal seitdem die Hamas den Krieg im Gazastreifen begonnen hat, hat das internationale Ernährungssystem Integrated Food Security Phase Classification (IPC) offiziell eine Hungersnot in Teilen des Küstenstreifens festgestellt. Besonders betroffen sei der nördliche Bereich um Gaza-Stadt, in dem Hunderttausende Menschen von akuter Unterversorgung betroffen seien.
Laut dem Bericht leiden derzeit rund 514.000 Menschen – etwa ein Viertel der Gesamtbevölkerung von rund 2,14 Millionen Menschen – unter Hungerbedingungen, die nach Einschätzung der Organisation lebensbedrohlich sind. Bis Ende September könne die Zahl auf mehr als 640.000 steigen. Allein in der Region Gaza-Stadt sollen nach IPC-Angaben etwa 280.000 Menschen von Hungersnot betroffen sein. Weitere Regionen im Zentrum und Süden, darunter Deir al-Balah und Khan Yunis, könnten nach Prognosen im kommenden Monat ebenfalls diesen Status erreichen.
Die Experten verweisen auf den anhaltenden Krieg, eine damit verbundene Zerstörung von landwirtschaftlichen Strukturen, eine Umsiedlung von Zivilisten sowie massive Einschränkungen bei der Einfuhr von Hilfsgütern als Hauptursachen.
Israel weist Einschätzung zurück
Die israelische Regierung wies die Einschätzung scharf zurück. Die für humanitäre Angelegenheiten im Gazastreifen zuständige Behörde COGAT sprach von »schwerwiegenden methodischen Fehlern« und warf den Autoren des Berichts eine Nähe zur Hamas vor. Einige der Datenerhebungen stützten sich auf Mitarbeiter des UN-Hilfswerks UNRWA, »unter denen sich Hamas-Leute befinden«, erklärte COGAT-Chef Generalmajor Ghassan Alian.
Israel legte zeitgleich einen eigenen Bericht vor, in dem es heißt, seit Mai seien mehr als 10.000 LKW-Ladungen mit Hilfsgütern in den Gazastreifen gelangt. Zudem habe die gemeinsam mit den USA gegründete Gaza Humanitarian Foundation über 2,2 Millionen Hilfspakete verteilt. Israel betont, dass es keine Einschränkungen bei der Einfuhr von Hilfsgütern gebe und verweist auch auf jüngst eingeführte humanitäre Kampfpausen sowie auf die Erlaubnis für internationale Versorgungsflüge.
Die Verantwortung für Engpässe sieht COGAT bei den Vereinten Nationen und anderen Hilfsorganisationen, die Hilfslieferungen nicht schnell genug weiterleiteten. Unlängst räumte zudem die UNO ein, 86 Prozent der Hilfsgüter kämen unterwegs durch Diebstahl abhanden.