Gemeindetag

»Weddinger Schnauze«

Arye Sharuz Shalicar Foto: Stephan Pramme

Gemeindetag

»Weddinger Schnauze«

Arye Sharuz Shalicar über seine Zeit als IDF-Sprecher, Journalisten in Israel und Pläne für die Zukunft

von Philipp Peyman Engel  05.12.2016 19:01 Uhr

Herr Shalicar, Sie waren sieben Jahre lang Sprecher der israelischen Streitkräfte. Vergangene Woche haben Sie nun diese Tätigkeit beendet. Wissen Sie schon, was jetzt kommt?
Zunächst einmal werde ich an diesem Wochenende in Berlin ein bisschen den Gemeindetag des Zentralrats aufmischen und über Sicherheitspolitik sprechen. Ohne Uniform und all das, aber so, wie man mich kennt: mit Weddinger Schnauze (lacht). Wieder in Israel, werde ich demnächst das Prime Minister’s Office des Staates Israel vertreten. Man darf gespannt sein.

Weshalb haben Sie sich nach der langen Zeit bei der IDF für neue Aufgaben entschieden?
Ich habe bei der israelische Armee eine verdammt gute und wichtige Zeit verbracht. Aber nach all den Jahren hatte ich das Gefühl, für neue Aufgaben bereit zu sein. Es ist ja auch keine endgültige Trennung: Als Major der Reserve stehe ich in Krisensituationen weiterhin als Sprecher für den deutschsprachigen Raum zur Verfügung.

Als Armeesprecher haben Sie täglich mit Journalisten zusammengearbeitet. Welche Erfahrungen haben Sie mit Israel-Korrespondenten aus Europa gemacht?
Viele. Sowohl positive als auch negative.

Was bedeutet das konkret?
Das Hauptinteresse der allermeisten ausländischen Journalisten ist die Sicherheitspolitik. Und viele Berichterstatter üben ihren Job wirklich gewissenhaft aus. Negativ ist mir aufgefallen, dass einige Vertreter internationaler und auch deutscher Medien überhaupt keinen Kontakt mit den Menschen in Israel haben. Sie sprechen nicht mit dem »Leuten auf der Straße«; ebenso wenig mit Mitarbeitern von Regierungsbüros und Vertretern der israelischen Politik. Sie meiden diese Kontakte.

Erscheint deshalb die Berichterstattung vielfach einseitig und wenig reflektiert?
Absolut. Manche Korrespondenten wollen auch gar nicht differenziert über das Thema Israel berichten.

Können Sie das an einem Beispiel festmachen?
Die Korrespondentin eines großen deutschen Nachrichtenmagazins brachte kürzlich ein Interview mit einem Vertreter von »Breaking the Silence«. Diese Organisation hat es sich zur Aufgabe gemacht, vermeintliche Untaten der israelischen Armee aufzudecken. Dieser Journalistin habe ich auch ein Interview mit einem ranghohen Vertreter der IDF angeboten. Keine Propaganda, wirkliche Information. Das Interview wurde auch tatsächlich geführt, erschienen ist es leider nie.

Sind europäische Medien antiisraelisch?
Das lässt sich nicht verallgemeinern. Alle Richtungen sind vertreten: von anti- bis proisraelisch.

Gibt es Unterschiede zwischen deutschen Korrespondenten und ihren Kollegen aus anderen europäischen Ländern?
Zahlenmäßig sicherlich: Es gibt viel mehr deutsche als britische, französische und andere europäische Journalisten in Israel. In ihrer Arbeit gibt es keine wesentlichen Unterschiede. Von den deutschen Korrespondenten würde ich jedoch aufgrund der besonderen Geschichte mit dem jüdischen Volk immer einen Tick mehr erwarten. Aber ich will auch nicht zu streng sein und die Presse zu sehr kritisieren.

Kann die israelische Armee überhaupt auf eine faire und ausgewogene Berichterstattung hoffen?
Was unsere Seite betrifft, uneingeschränkt. Die IDF gehört zu den moralischsten Armeen der Welt. Schwierig wird es, wenn Journalisten der Propaganda der Hamas auf dem Leim gehen. Das ist insbesondere in Konfliktsituationen der Fall.

Inwiefern?
Die sogenannten Kriegsreporter sitzen während des Krieges im Gazastreifen meist in einem Hotel und haben Angst, vor die Tür zu gehen. Wenn es dann mal ruhig ist, kommen vermeintliche Mitarbeiter des palästinensischen Gesundheitsministeriums und präsentieren Zerstörung, Verletzte und Leichen. Dann haben die Journalisten ihre Storys und senden sie in die Welt. Dass die Hamas Raketen von einem Krankenhaus abschießt oder unterirdische Tunnel baut, erzählen sie natürlich nicht.

Was war in dem Zusammenhang der verblüffendste Fall in Gaza?
Gegen Ende der letzten Gaza-Offensive hat ein Journalist des französischen TV-Senders France 24, Gallagher Fenwick, berichtet, dass die Hamas aus dicht bevölkertem Gebiet Raketen abfeuert. Und er hat die Frage gestellt, warum andere Journalisten, die das auch gesehen hatten, nicht darüber berichten. Das war demaskierend. Er kam auf die schwarze Liste der Hamas und musste den Gazastreifen daraufhin sofort verlassen.

Das klingt pessimistisch.
Reporter sind auch nur Menschen. Auch sie haben ihre Meinungen und Vorurteile. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass man hier im Nahen Osten überhaupt objektiv sein kann. Aber es gibt Journalisten, die ihre persönliche Meinung hintanstellen, die beide Seiten zu Wort kommen lassen. Vor solchen Reportern habe ich den größten Respekt.

Wie fällt Ihre Bilanz nach sieben Jahren IDF aus? Haben Sie mit Ihrer Arbeit etwas erreicht?
Man hat gelegentlich mit Journalisten zu tun, von denen man weiß, dass sie sich den Fakten verschließen. Dann komme ich und zeige, dass die Realität ein bisschen komplexer ist als ihr Weltbild, und versehe das eine oder andere vielleicht auch mit einem Fragezeichen. Das bewirkt etwas bei den Journalisten. Insofern fällt meine Bilanz positiv aus.

Die sogenannte Messer-Intifada scheint in den letzten Monaten ein Ende gefunden zu haben. Wie schätzen Sie die derzeitige Sicherheitslage in und um Israel ein?
Die Lage ist sehr kompliziert. Einerseits scheint es ruhig zu sein. Andererseits wissen wir ganz genau, was um uns herum passiert. Wir beobachten die zunehmende Instabilität, zum Beispiel in Syrien oder im Irak. Auch einige Terrororganisationen in der Region, IS, Hamas oder Hisbollah, versuchen, noch stärker zu werden. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann sie sich stark genug fühlen werden, um uns wieder anzugreifen.

Erwarten Sie erneute militärische Auseinandersetzungen?
In den vergangenen zehn Jahren haben vier asymmetrische Kriege stattgefunden: 2006, 2008/2009, 2012 und 2014. Dazwischen gab es Terrorwellen und andere Angriffe. Ich versuche, optimistisch zu sein. Ich hoffe, dass es ruhig bleiben wird. Doch es hängt sehr davon ab, was um uns herum geschieht. Um uns herum tobt der wahre Nahostkonflikt.

Mit dem ehemaligen Sprecher der IDF sprach Philipp Peyman Engel.

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