Gaza/Israel

»Warum erst jetzt?«: Pressestimmen zur geplanten Waffenruhe

Foto: picture-alliance/ dpa

Nach mehr als 15 Monaten Krieg im Gazastreifen haben sich Israel und die palästinensische Terrororganisation Hamas nach Angaben des Vermittlers Katar auf eine Waffenruhe und den Austausch von Geiseln gegen palästinensische Häftlinge geeinigt. Dazu schreiben internationale Medien:

»The Jerusalem Post« (Israel)

»Dies ist nicht der Zeitpunkt, sich mit der kleinlichen Politik der Situation zu befassen. Dies ist nicht der Zeitpunkt, um über die Freilassung von Hamas-Terroristen zu jammern – das kann zu gegebener Zeit geschehen. Heute müssen wir feiern, sowohl als Nation als auch für unsere Nation. Als Nation, weil wir ein Volk sind, dem das Leben wichtiger ist als der Tod und weil wir unsere Geiseln bald lebend zu Hause wiedersehen werden. Für unsere Nation, weil diese Menschen, die 468 Tage lang im Gazastreifen festgehalten wurden, unsere Nation sind. (…) Lasst uns das Kämpfen für morgen aufheben. Darin sind wir ohnehin so gut.«

»The Wall Street Journal« (USA)

»Wenn ein Präsident beschließt, sie zu nutzen, ist die Macht der USA etwas, das sich sehen lassen kann. Das ist eine Lehre aus dem Geiselabkommen zwischen Israel und der Hamas, das am Mittwoch, nur wenige Tage vor Donald Trumps Amtseinführung, erzielt wurde. Es erinnert an die Befreiung der US-Geiseln aus dem Iran in den ersten Minuten der Reagan-Präsidentschaft. (…) Indem er drohte, es werde «die Hölle losbrechen», wenn die Geiseln nicht bis zum 20. Januar freigelassen würden, änderten Trump – und die amerikanische Macht – die Anreize für die Parteien.«

»Nesawissimaja Gaseta« (Russland)

»Die Vereinbarung erlaubt der israelischen Armee, weiter im Gazastreifen zu operieren. Dies wird nur zeitlich und räumlich begrenzt. Die größte Aufmerksamkeit wird Israel jetzt seiner Grenze zu der Enklave widmen und der Grenze zwischen Gaza und Ägypten, dem Hauptschmuggelkorridor. Beobachter weisen darauf hin, dass Israels Kontrolle über eine Pufferzone in dem Gebiet ein gewichtiger Streitpunkt mit den palästinensischen Kämpfern war. Doch nach allem zu urteilen, hat die Hamas eingesehen, dass Israel nicht von seiner Sprache der Stärke ablassen wird, die im vergangenen Jahr typisch geworden ist.«

»The Guardian« (Großbritannien)

»Selten hat sich Hoffnung so zerbrechlich und unzureichend angefühlt. Ein Moment, für den lange gehofft und gebetet wurde, wird dennoch von den Palästinensern im Ödland des Gazastreifens und den traumatisierten Familien der israelischen Geiseln mit Furcht und Besorgnis, aber auch mit Freude aufgenommen. (…) Jedes zaghafte Gefühl der Erleichterung wird durch das vergangene Leid und die Ängste vor der Zukunft überschattet. Und doch ist eine Einigung in dieser verzweifelten Lage ein Schritt nach vorn, den es zu begrüßen gilt und auf dem man aufbauen kann.«

»El País« (Spanien)

»Eine vollständige und gewissenhafte Umsetzung der Waffenruhe in all ihren Phasen, bis sie zu einem unbefristeten Waffenstillstand wird, ist unabdingbar. Wenn daraus später ein gerechtes und endgültiges Friedensabkommen werden soll, wird es schwierig sein, auf die Zwei-Staaten-Formel zu verzichten, die am besten geeignet ist, sowohl die Sicherheit Israels als auch die Rechte der Palästinenser zu gewährleisten. Die momentane Erleichterung über die Waffenruhe vom Mittwoch wird für immer von 15 Monaten grausamen Krieges überschattet sein, der bislang 400 tote israelische Soldaten und 46.700 Tote im Gazastreifen hinterlassen hat.«

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»Der Standard« (Österreich)

»Gerade weil die Erleichterung über den lange erwarteten Deal so groß ist, muss man fragen: warum erst jetzt? Nahezu derselbe Entwurf für ein Übereinkommen wurde schon im vergangenen Mai vorgelegt. Eine Einigung scheiterte damals, wie dann auch im Juli, an ein paar Details. Wie viele Kinder haben seither ihre Eltern, wie viele Eltern ihre Kinder verloren – auf beiden Seiten? Wie viele Geiseln hätten gerettet werden können, wie viele Familien in Gaza wären nicht ausgelöscht worden, wie viele junge Soldaten hätten nicht begraben werden müssen? (…)

Jetzt heißt es: Durchhalten. Einen Deal zu unterzeichnen – und selbst das steht noch bevor – ist das eine. Ihn am Leben zu erhalten, auch über die ersten zwei Wochen hinaus, ist die wahre Herausforderung.

«The Sydney Morning Herald» (Australien)

«Ein Punkt ist von Anfang an entscheidend: Die Waffenruhe ist ein Lichtblick in einer dunklen Zeit. Wenn sie von beiden Seiten eingehalten wird, sollte sie Leben retten und den Zivilisten in einem Kriegsgebiet mehr Hilfe bringen. Sie sollte verhindern, dass Bomben auf palästinensische Häuser fallen und Raketen in israelischen Wohngebiete einschlagen.»

«The Age» (Australien)

«Nach mehr als 15 Monaten Krieg und nur noch fünf Tagen bis zum Ende von (Joe) Bidens Präsidentschaft ist endlich eine Waffenruhe in Gaza erreicht worden. (…) Es ist kein Wunder, dass (der künftige Präsident Donald) Trump keine Zeit verlor, sich die Waffenruhe selbst zuzuschreiben und das Abkommen am Mittag auf seiner Plattform Truth Social verkündete, lange bevor Biden im Weißen Haus stand und bestätigte, dass überhaupt eine Einigung erzielt worden sei. (…) Aber das ist ganz typisch für Bidens Präsidentschaft, die im Schatten Trumps begann und nun auf ganz ähnliche Weise endet.»

«Rhein-Neckar-Zeitung» (Heidelberg)

War es Donald Trump und seine Drohung, es werde im «Nahen Osten die Hölle losbrechen», sollten bis zu seiner Amtseinführung am kommenden Montag nicht alle israelischen Geiseln frei sein? Oder war es die Einsicht, dass ein Krieg mit zigtausend Toten eine immer größere Hypothek für einen Frieden sein werde? Dass Terror und Krieg einander ablösen würden – bis zum jüngsten Tag? Jetzt sollen die Waffen zwischen der Hamas und Israel schweigen. Das ist die beste Nachricht seit Langem. Auch für die Welt, weil dieser Krieg – anders als der Ukrainekrieg – gerade im globalen Süden auf Widerstand stößt. Dort gilt Israel nicht als David, sondern als übermächtiger Goliath in einem ungleichen Kampf. Längst hat der Blutzoll ein Ausmaß erreicht, das nicht mehr als bloße Vergeltung für die furchtbaren Massaker vom 7. Oktober 2023 gesehen werden kann. Daran knüpft diese Waffenruhe an, aus der möglicherweise ein Waffenstillstand wird. dpa

Akaba/Jerusalem

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