Mia Schem

»Verzweiflung, für die es keine Worte gibt«

Mia Schem spricht auf dem Platz der Geiseln. Foto: Flash90

Sie habe mit Tränen die Freilassung von Edan Alexander aus Gaza verfolgt, sagte Mia Schem. Die 23-Jährige ist selbst eine ehemalige Geisel der Hamas. Am Samstagabend stand sie auf einer Bühne der Kundgebung auf dem Platz der Geiseln in Tel Aviv, trug ein T-Shirt mit der Aufschrift »Bring them home« und sprach von dem, wovon nur wenige erzählen. Was danach kommt …

In ihrer erschütternden Rede berichtete Mia davon, wie sie das Blutbad der Hamas am 7. Oktober auf dem Nova-Festival überlebte, anschließend 55 Tage lang als Geisel in der Gewalt der brutalen Terrororganisation in Gaza war, und wie sehr sie diese traumatischen Erlebnisse bis heute jeden einzelnen Tag begleiten.

Von Terroristen an den Haaren in ein Auto gezerrt

Die heute 23-Jährige erinnerte sich daran, wie sie bei ihrer Entführung vom Nova-Musikfestival »von sieben Hamas-Monstern nach Gaza verschleppt und an den Haaren in ein Auto gezerrt« wurde. »Ich hatte Angst, dass mir die Kopfhaut abgerissen würde«, sagt sie. »Mein Haar verwandelte sich in eine Masse aus getrocknetem Blut und Schlamm.«

Als ihre Entführer ein Propagandavideo – es war das erste von einer Geisel überhaupt – von ihr drehten sollten, sei ihnen aufgetragen worden sein, »mich gut aussehen zu lassen, damit die Welt nicht erfährt, wie teuflisch sie tatsächlich sind«.

»Aber mein Haar war ein einziger riesiger Knoten«, erinnerte sie sich. Dann kam einer der Terroristen mit einer Schere auf mich zu, um mir die Haare abzuschneiden.« Mit aller Kraft, die ihr noch geblieben war, habe sie sich gegen einen erzwungenen Haarschnitt gewehrt, bis ihre Entführer schließlich nachgaben.

»Einer der Terroristen kam mit einer Schere auf mich zu, um mir die Haare abzuschneiden.«

»Ich konnte den Gedanken, meine Haare zu verlieren, nicht ertragen«, sagte sie und verglich sich mit dem biblischen Samson. »Immer wenn ich seitdem ich eine Schere sehe, oder auch, wenn ich mich um meine Haare kümmere oder mich frisiere, kommt dieser Moment zurück. Mein Körper zittert unkontrolliert, und ich kann kaum noch atmen.«

Vor kurzem war in israelischen Medien bekannt geworden, dass Mia Schem einen bekannten Tel Aviver Fitnesstrainer der Vergewaltigung beschuldigt. Diesbezüglich sagte sie: »Ich habe kürzlich etwas Schreckliches erlebt.« Für die polizeilichen Ermittlungen sei sie gebeten worden, eine Locke ihrer langen Haare abzuschneiden. »Das war eigentlich dafür gedacht, um mir zu helfen. Aber mein Körper reagierte erneut voller Angst, selbst auf eine kleine kahle Stelle.« Sie habe einfach nicht zulassen können, dass ein Teil ihrer Haare abgeschnitten werde.

»Und in einem Moment wurde ich sofort wieder zurück in die Zeit der Geiselhaft katapultiert, zu den menschlichen Monstern, die mir die Haare abschneiden wollten. In diesem Augenblick verschwand jegliche Logik, und mein Körper reagierte mit einer Verzweiflung, die sich nicht in Worte fassen lässt. Ich kann diesen Albtraum einfach nicht noch einmal durchleben.«

Diese mutige und bewegende Erzählung über ihr persönliches Schicksal verdeutlicht die bleibenden Narben der unvorstellbaren Folter, die die völlig unschuldigen Menschen durch die Terrororganisation am 7. Oktober und danach über sich ergehen lassen mussten.

Edan wisse noch nicht, was sie mittlerweile verstanden habe

Dann sprach Mia von ihren Emotionen bei der Freilassung des Soldaten Edan Alexander am vergangenen Montag. Sie sagte: »Ich habe diese Woche weinend die völlig überraschende und freudige Freilassung von Edan miterlebt. Edan ist zu seiner Mutter zurückgekehrt. Aber er weiß noch nicht, was ich mittlerweile verstanden habe: Jetzt beginnt Kapitel zwei.«

»Und das wird von Erschütterungen an Körper und Seele geprägt sein, von Grüßen aus der Hölle, die wir durchlebt haben, und die ohne Vorwarnung immer wieder kommen.« Diese Panikattacken forderten einen sehr hohen Tribut, gab sie zu. Die Heilung werde erst dann abgeschlossen sein, betonte Mia, »wenn alle Geiseln zurück in Freiheit sind«.

Ihre Worte unterstreichen Dringlichkeit und Notwendigkeit, die verbleibenden Geiseln zu befreien – auch für die Heilung der zurückgekehrten Menschen. Dafür setzen sich die befreiten Menschen unermüdlich ein. Auf dem Platz der Geiseln in Tel Aviv, in der Knesset in Jerusalem und auf der ganzen Welt.

»Jeder weitere Tag, an dem unsere Brüder und Schwestern emotionale und körperliche Folter durch die Monster der Hamas erleiden, macht es schwieriger, sich zu erholen und die Scherben aufzusammeln«, resümierte Mia. »Sie müssen nach Hause zurückkommen. Jetzt!«

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