Jerusalem

Verzögerungstaktik in der Knesset

Soll ersetzt werden: Knessetsprecher Mickey Levy. Foto: Flash90

Der designierte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat begonnen, alles für seine neue Regierung in Jerusalem vorzubereiten.

Am Montag nominierte er den Abgeordneten seiner Likud-Partei, Yariv Levin, als temporären Knessetsprecher. Dadurch soll der derzeitige Sprecher Miky Levy von Jesch Atid ersetzt werden.

GESETZE Die Parteien der erwarteten neuen Koalition reichten dafür den formellen Antrag ein. Levin soll als vorübergehender Sprecher dabei helfen, die Verabschiedung mehrerer umstrittener Gesetze zu ermöglichen, bevor die Regierung vereidigt wird. Anschließend wird er voraussichtlich die Leitung des Justizministeriums übernehmen.

Auf Druck von Jesch Atid wurde die Abstimmung zur Ablösung des Knessetsprechers von Montag auf Dienstag verschoben. Die Zentrumspartei des scheidenden Premiers Yair Lapid will offenbar Zeit gewinnen, um einige der Gesetzesänderungen zu verhindern oder zumindest zu verzögern. Sie kritisiert, dass Gesetzesentwürfe durchgedrückt werden sollen, noch bevor eine Regierung vereidigt ist.

Doch genau darum geht es dem von Netanjahu geführten Knesset-Block, denn die legislativen Änderungen sind Bestandteil der Koalitionsverträge zwischen den Parteien. Der Block besteht aus dem Likud, den ultraorthodoxen Parteien Schas und Vereinigtes Torah-Judentum sowie den ultrarechten Parteien Religiöser Zionismus, Otzma Yehudit und Noam. Gemeinsam vereinen sie 64 der 120 Sitze der Knesset auf sich.

»Die Vorschläge der neuen Regierung zur Überarbeitung des Justizsystems riechen nach Rachsucht und Abrechnung.«

eX-präsident reuven rivlin

Die eingehende Regierung hat unter anderem vor, das Amt des Generalstaatsanwalts aufzuteilen, seine Befugnisse erheblich zu reduzieren und den Prozess der Ernennung von Richtern zu ändern. Auch soll Berichten zufolge eine sogenannte »Aufhebungsklausel« eingeführt werden, die es der Knesset ermöglichen würde, ein Urteil des Obersten Gerichtshofs mit einer einfachen Mehrheit – 61 von 120 Sitzen der Knesset – auszuhebeln.

EXEKUTIVE Die geplante Koalition hat damit vor, der Exekutive beispiellose Macht zu ermöglichen. Kritiker sprechen von einer »Gefahr für die Demokratie«. Der frühere israelische Präsident Reuven Rivlin sagte am Montag, dass die Vorschläge der neuen Regierung zur Überarbeitung des Justizsystems »nach Rachsucht und Abrechnung riechen«.

Auf einer Konferenz des Israel Democracy Institute sandte er die Botschaft, dass es bei der geplanten Gesetzgebung eher um »Aufhebung als um Ausgleich« gehe, und warnte davor, dass »eine Überschreitung eine Oppositionsbewegung hervorrufen« würde.

Darüber hinaus hat die Koalition Berichten zufolge vor, die Befugnisse des eingehenden Ministers für Innere Sicherheit zu erweitern. Der ultranationalistischen Partei Religiöser Zionismus soll ermöglicht werden, einen Minister mit der Verantwortung für die israelische Baupolitik im palästinensischen Westjordanland zu beauftragen.

BEWÄHRUNGSSTRAFE Auch für den eingehenden Doppelminister im Innen- und Gesundheitsministerium, Arie Deri von der Schas-Partei, muss extra ein Gesetz geändert werden. Denn gegen Deri ist derzeit noch eine Bewährungsstrafe wegen Steuerhinterziehung anhängig.

Ein Mitglied, der Noch-Regierung, der Abgeordnete Zeev Elkin, machte in einem Interview im Armeeradio klar: »Wir werden alle uns zur Verfügung stehenden parlamentarischen Mittel einsetzen, um gegen den Prozess zu protestieren und ihn so weit wie möglich zu verzögern«.

Netanjahus Frist für die Regierungsbildung, die ursprünglich am Sonntagabend abgelaufen wäre, wurde an diesem Wochenende von Präsident Isaac Herzog verlängert. Er hat jetzt bis zum 21. Dezember Zeit, eine neue Regierung vorzustellen.

Medien

»Die Kritik trifft mich, entbehrt aber jeder Grundlage«

Sophie von der Tann wird heute mit dem Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis geehrt. Bislang schwieg sie zur scharfen Kritik an ihrer Arbeit. Doch jetzt antwortete die ARD-Journalistin ihren Kritikern

 04.12.2025

Die letzte Geisel in Gaza

»Er ging als Erster – er kommt als Letzter zurück«

Ran Gvili war ein Polizist einer Eliteeinheit, der trotz gebrochener Schulter in den Kampf zog

von Sabine Brandes  04.12.2025

Prozess

Bitte um Gnade

Premierminister Netanjahu wendet sich überraschend an Staatspräsident Herzog

von Sabine Brandes  04.12.2025

Israel

Drei Brüder werden an einem Tag Väter - von vier Kindern

Zwillinge inklusive: Drei Brüder und ihre Partnerinnen schenken den Großeltern an einem Tag vier Enkel. Wie es zu diesem seltenen Familienglück kam

von Sara Lemel  04.12.2025

Preisvergabe

Charlotte Knobloch kritisiert Berichterstattung von Sophie von der Tann

Dass problematische Berichterstattung auch noch mit einem Preis ausgezeichnet werde, verschlage ihr die Sprache, sagt die Präsidentin der IKG München

 04.12.2025

Tel Aviv

Fast jeder vierte Israeli denkt über Auswanderung nach

Unter säkularen Juden ist die Zahl derer, die ein Auswandern erwägen, größer als in religiösen Gruppen und bei israelischen Arabern

 04.12.2025

Gaza

Sudthisaks letzte Reise hat begonnen

Der Leichnam des thailändischen Landarbeiters Sudthisak Rinthalak wurde am Mittwoch überführt. Nun befindet sich noch eine tote Geisel in Gaza, nämlich die von Ran Gvili

von Sabine Brandes  04.12.2025

Barcelona

Guinness World Records blockiert Bewerbungen aus Israel

Die israelische NGO Matnat Chaim will im kommenden Monat 2000 Nierenspender zusammenbringen. Dieser Rekord wird nicht registriert, da er im jüdischen Staat umgesetzt werden soll

 04.12.2025

Meinung

Gratulation!

Warum die Ehrung der ARD-Israelkorrespondentin Sophie von der Tann mit dem renommierten Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis nicht nur grundfalsch, sondern auch aberwitzig ist

von Lorenz Beckhardt  03.12.2025 Aktualisiert