Soreq-Höhle

Steine ohne Alter

Stalaktiten: Einige dieser Tropfsteine in der Soreq-Höhle sind mehrere Meter lang. Foto: Sabine Brandes

Steht man ganz still und lauscht, hört man es tropfen. Manchmal muss man eine Weile suchen, um herauszufinden, woher das Tröpfeln kommt. Doch aufgeweckte Höhlenbesucher finden es sicher. Dann können sie den Stalagmiten und Stalaktiten mit eigenen Augen beim Wachsen zusehen. Die Soreq-Höhle bei Beit Schemesch ist eine Tropfsteinhöhle, die auch heute noch aktiv ist. Besonders feucht ist es im Winter, wenn der Regen nach unten in den Berg sickert. Die Gesteinformationen sind mindestens 300.000 Jahre alt, schätzen Wissenschaftler. Doch das wollen nicht alle Besucher der geologischen Wunderwelt wissen.

Die Höhle wird von der israelischen Natur- und Parkbehörde verwaltet, die für die meisten Naturparks im Land verantwortlich ist. Jetzt will die Knesset untersuchen, ob die Behörde in bestimmten Fällen das wahre Alter von Naturphänomenen oder Ausgrabungen verheimlicht, um die religiösen Gefühle von orthodoxen und ultraorthodoxen jüdischen Gästen nicht zu verletzen. Nach deren Weltsicht ist die Erde nur etwa 5.000 Jahre alt, sehr viel ältere Stalagmiten würden da nicht ins Bild passen.

Anweisung Aufmerksam auf derartige Verzerrungen wurde eine Lehrerin in der vergangenen Woche, als sie mit ihrer Klasse einer wissenschaftlichen Schule durch die Höhle spazierte. Nach Angaben der Frau habe der Führer der Kinder zwar gesagt, die Steine seien alt, weigerte sich jedoch zu sagen, wie viele Jahre sie genau auf dem Buckel haben. Erst auf Drängen der Lehrerin gab er zu, dass er die Anweisung habe, eine konkrete Jahresangabe zu verheimlichen, um strengreligiöse Naturfreunde nicht zu verärgern. Die Erzieherin zeigte sich geschockt über den Vorfall, schließlich seien sie »eine säkulare, wissenschaftliche und keine ultraorthodoxe Schule«.

Ein Sprecher der Natur- und Parkbehörde erklärte, dass es sich bei dem Zwischenfall der letzten Woche um ein Versehen gehandelt habe und das Verheimlichen des Alters wohl ein einmaliger Fehler gewesen sei. Es gebe überhaupt keine derartige Anweisung, »weder für die Soreq-Höhle noch für eine andere Stätte«. Der Sprecher wies auf die Homepage der Parkbehörde hin, wo ausdrücklich steht, dass »einige Formationen mindestens 300.000 Jahre alt sind und den Wissenschaftlern helfen, Klimaveränderungen über die Jahrtausende in unserer Region festzustellen«. Doch nutzen ultraorthodoxe Juden das Internet so gut wie nie. In der offiziellen Broschüre aus Papier ist von diesem Alter hingegen nichts zu lesen. Es steht lediglich geschrieben, dass es »Tausende von Jahren dauert, bis eine Stalaktitenhöhle entsteht«. An anderer Stelle ist zu lesen, wie sich »das Wasser langsam aber sicher seinen Weg durch die Brüche im Gestein bahnt und eine Höhle formt«.

Tropfsteine Die Soreq-Höhle liegt an den westlichen Ausläufern der Judäa-Berge und ist für europäische Verhältnisse mit 82 Meter Länge und 60 Meter Breite relativ klein, ihre kalkigen Formationen sind jedoch äußerst eindrucksvoll. Manche sind gerade einmal wenige Millimeter, andere einige Meter lang. Es gibt die sogenannten Makkaroni, lange Stalaktiten mit einem Loch in der Mitte, »Elefantenohren« die in verschiedenen Braun- und Beigetönen schimmern und ganze Vorhänge aus Gestein. Stalaktiten hängen wie Eiszapfen von der Decke, Stalagmiten wachsen vom Boden nach oben. Manchmal treffen sie sich und bilden eine Säule. Etwa alle 100 Jahre entsteht eine sichtbare Schicht in den Tropfsteinen, die als Ring bezeichnet wird, dadurch erinnert der Querschnitt auch an den eines Baumstammes.

Politik Nachdem der Vorfall in der Soreq-Höhle bekannt geworden war, will Knessetmitglied Nitzan Horowitz von der Me-retz-Partei es nicht bei der Erklärung der Behörde belassen und herausfinden, ob Besucher auch in anderen Stätten mit inkorrekten oder fehlenden Informationen auf falsche historische Fährten geschickt werden. Er wandte sich an den Umweltminis-
ter Gilad Erdan und sagte, dass eine offizielle Stelle wie die Natur- und Parkbehörde, die aus Umweltschützern und Experten verschiedener Disziplinen besteht, sich selbst beschäme, wenn sie ultraorthodoxen Fantasien nachgibt, die uns umgeben. »Ignorante Konzepte, die sich in unser Leben einmischen, haben bizarre Formen angenommen.«

Akaba/Jerusalem

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