Interview

»Solange die Hamas nicht entwaffnet ist, sollte kein Cent deutsches Steuergeld nach Gaza fließen«

Roderich Kiesewetter (CDU) Foto: picture alliance / Geisler-Fotopress

Herr Kiesewetter, wie stabil ist das Friedensabkommen im Gaza-Krieg?
Noch ist es zu früh, um das klar zu sagen. Die Hamas hat weiterhin nicht alle ermordeten Geiseln freigegeben und solange das nicht der Fall ist, können die weiteren Schritte in Trumps Friedensplan nicht vollzogen werden. Insbesondere die Entwaffnung der Hamas wird sich hier als absolut notwendig, aber schwierig, erweisen, um den Plan in die Realität umzusetzen.

Die Hamas hat direkt nach der Friedenserklärung angekündigt, Israel weiter bekämpfen und auslöschen zu wollen. Hat Sie das überrascht?
Nein, denn die Hamas wurde mit dem Zweck gegründet, Israel zu vernichten. Das Ziel der Terroristen ist die Vernichtung Israels durch den Dschihad, wie man auch in ihrer genozidalen Charta von 1988 nachlesen kann. Einen wirklichen Frieden kann es also nur geben, wenn die Hamas nicht mehr als militärischer oder politischer Akteur existiert. Nachhaltig wird er nur, wenn auch die Ideologie der Hamas keine Unterstützung mehr bei der Bevölkerung in Gaza findet. Insofern ist auch Präsident Trump mit seinem Friedensplan ein wahres Husarenstück gelungen.

Inwiefern genau?
Die bisher stärksten Unterstützer der Hamas, die Türkei und Katar, haben sich in den Prozess einbinden lassen und so zumindest die Hamas teilweise fallen gelassen. Aber nochmal: Trumps Plan kann nur Erfolg haben, wenn die Hamas entwaffnet wird und als Akteur nicht mehr existiert. Daran muss auch die Bevölkerung in Gaza und die arabischen Staaten Interesse haben.

Bundeskanzler Merz und Außenminister Wadephul fordern die Entwaffnung der Hamas. Eine Zukunft in Gaza könne es nur ohne die Hamas geben. Wie passt das mit dem Rüstungsstopp der Bundesregierung zusammen?
Den Rüstungsstopp habe ich immer für einen schweren Fehler gehalten und das auch öffentlich genauso gesagt, denn: Wir können nicht von der Staatsräson sprechen und dann Israel das Selbstverteidigungsrecht verwehren. Insofern bin ich auch ganz bei der CSU, die die sofortige Wiederaufnahme aller Waffenlieferungen an Israel fordert, damit weiter Druck auf die Hamas ausgeübt werden kann, damit am Ende deren Entwaffnung steht.

Berlin und Brüssel haben Israel laut manchem Experten geradezu obsessiv kritisiert. Wurde auch genug Druck auf die Hamas und ihre Verbündeten ausgeübt?
Ja, aber nicht von Europa, sondern von den USA und Israel. Während Israel den militärischen Druck stets hochgehalten hat, hat die Trump-Administration im Hintergrund mit massiven diplomatischen Anstrengungen alle arabischen Staaten davon überzeugt, dass eine nachhaltige Friedensordnung im Nahen und Mittleren Osten nur ohne Hamas möglich ist. Meiner Einschätzung nach war der militärische Druck und die militärische Schwächung der Hamas und anderer Terrorgruppen des Mullahregimes im Iran die Vorbedingung und zwingende Voraussetzung dafür, dass Trumps Plan eine Chance hatte. Das ist im Wesentlichen der IDF zu verdanken, die dies unter schwierigsten Bedingungen und leider auch unter eigenen Opfern geleistet hat. Wir in Europa haben uns hingegen nur auf Israel fokussiert, viel zu sehr auf den antisemitischen Mob auf unseren Straßen geschaut und manche haben sich diesem auch gebeugt. Macron, Starmer oder Sanchez haben gar den Terror der Hamas mit der Anerkennung eines Staates »belohnt«. Ich frage mich: Was haben die Staatschefs da eigentlich anerkannt? Das wissen sie wahrscheinlich selbst nicht.

Deutschland stellt Hunderte Millionen für den Wiederaufbau Gazas bereit. Wie kann sichergestellt werden, dass diese Gelder nicht wieder von der UNRWA für Terror und die Verbreitung von Judenhass missbraucht werden?
Solange die Hamas nicht entwaffnet ist, sollte kein Cent deutsches Steuergeld nach Gaza fließen. Das wäre doch irre: Wir haben gerade erst beobachten können, wie die Hamas die Hilfsgelder nach Gaza abgezwackt und damit Terrorinfrastrukturen geschaffen hat, die alleine am 7. Oktober 2023 über 1200 Menschen das Leben gekostet hat. Überhaupt sehe ich es jetzt primär als Aufgabe der Regionalmächte (VAE, Ägypten, Saudi-Arabien), sich stärker einzubringen, den Wiederaufbau in Gaza zu finanzieren und auch den dortigen Frieden robust zu sichern.

Wären die Geiseln ohne den massiven militärischen Druck von Israel freigekommen?
Nein!

Das Interview mit dem CDU-Bundestagsabgeordneten und Sicherheitsexperten führte Philipp Peyman Engel.

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