Jerusalem

Rennen der Rabbis

Moderat orthodoxer Kandidat: Rabbiner David Stav Foto: Flash 90

Lauter hätte der Startschuss kaum sein können. Wenige Stunden, bevor der offizielle Auftakt der Wahlen zu den neuen Oberrabbinern erklärt wurde, ging schon die verbale Schlammschlacht los. Das geistige Oberhaupt der Schas-Partei, Rabbiner Ovadia Yosef, beschimpfte den Kandidaten David Stav mit wüsten Worten. Seit Monaten wird im religiösen Establishment des Landes über die Posten gemunkelt und verhandelt. Und die rabbinische Gerüchteküche kocht fast über, wenn es um die Frage geht, wer Ende Juli das Rennen machen wird.

Rabbiner Yosef hatte Stav am Samstag, nach dem Ausgang des Schabbats, in seiner wöchentlichen Predigt als »bösartigen Mann« bezeichnet, der »Gott nicht fürchtet und gefährlich für das Judentum« sei. Seine Wahl käme dem Götzendienst im Tempel gleich. Diese und weitere Ausfälle hatten dazu geführt, dass Stav einen Tag darauf, bei dem Besuch einer Hochzeit, von jugendlichen Anhängern Yosefs bedrängt und verbal attackiert wurde.

Stav erklärte nach den Vorfällen: »Die Zerstrittenheit bei den Rabbinerwahlen zerreißt mich innerlich. Doch als ich diesen Weg gewählt habe, habe ich die Tora vor meine eigenen Bedürfnisse gestellt.« Bildungsminister Schai Piron, der wie Stav dem nationalreligiösen Lager angehört, sprang diesem zur Seite und verkündete auf Facebook: »Warum? Warum muss Rabbiner Yosef Rabbiner Stav beleidigen? Glaubt er, dass das die Menschen der Tora und dem Judentum näherbringt? Glaubt er, dass seine Worte über eine Person, der er nie begegnet ist, moralisch sind? Halachisch? Jüdisch?«

Verzögerungen Insider gehen davon aus, dass dies mitnichten die letzte Beschimpfung oder Verwünschung im Rennen der Rabbiner gewesen sein wird. Nach monatelangen Verzögerungen hatte das Kabinett jüngst entschieden, dass der neue sefardische und der neue aschkenasische Oberrabbiner per Wahlkomitee bestimmt werden sollen. Derzeitige Amtsinhaber sind bei den Aschkenasen Rabbiner Yona Metzger, bei den Sefarden Schlomo Amar.

Die Regeln für deren Nachfolge können dank der Entscheidung der Regierung nun nicht mehr, wie früher oft, geändert werden. Damit ist eine zweite Amtszeit tabu, was Amar direkt aus dem Rennen katapultiert. Das allerdings schmälert auch David Stavs Chancen, denn der hatte sich mit dem sefardischen Oberrabbiner verbündet, um gemeinsam gewählt zu werden.

Diese Entwicklung nützt dem Sohn des ehemaligen obersten Rabbiners der Aschkenasim, David Lau, denn der kann sich neben einer breiten charedischen Unterstützung zusätzlich des Rückhalts von Premierminister Benjamin Netanjahu sicher sein. Ein aussichtsreicher Kandidat ist auch der Rabbiner der nördlichen Kleinstadt Migdal Haemek, David Grossmann.

Bei den Sefarden gestaltet sich die Kandidatenaufstellung offenbar schwieriger. Ovadia Yosef hat drei Söhne: Yitzhak, Avraham und David. Ob einer von ihnen antritt, und wenn ja, welcher, hat ihr Vater bislang noch nicht öffentlich wissen lassen. Als potenzieller Kandidat gilt auch Rabbiner Yehuda Deri, der Bruder des Schas-Vorsitzenden Arie Deri.

Moderat David Stav macht bereits seit einer Weile regelmäßig mit seinen moderaten Ansichten Schlagzeilen. Er, der sich zu der gemäßigten Strömung des nationalreligiösen Judentums zählt, ist Vorsitzender der Organisation Tzohar, einer Vereinigung orthodoxer Rabbiner, die das Judentum für alle Israelis zugänglicher machen will – ohne den Kaschrut-Stempel des charedischen Rabbinats.

Die Wahlversammlung wird aus 150 Mitgliedern bestehen, Rabbinern, Bürgermeister und Politiker, die zum Großteil der sefardischen Schas-Partei und dem »Vereinigten Tora-Judentum« der Charedim zugerechnet werden. Im Aufsichtsgremium der Rabbinerwahlen sitzen zudem zwei Frauen, die ehemalige Richterin Sarah Frisch sowie die Anwältin Tzipi Finkelstein.

Ob die Sieger letztendlich ultraorthodox, orthodox oder nationalreligiös sein werden: Diese Wahlen sind entscheidend für die religiöse Welt Israels. Allerdings fühlen sich immer weniger Israelis vom staatlichen Rabbinat repräsentiert und wenden sich unabhängigen Gruppen wie Tzohar zu.

Prekär Besonders prekär sind seit Jahren die Fragen um die Eheschließung und die Anerkennung von Konvertiten. Beide Angelegenheiten befinden sich nach wie vor fest in der Hand des orthodoxen Oberrabbinats. Die Stimmen in der Bevölkerung, die eine Anpassung an die moderne Zeit fordern, werden zunehmend lauter, wurden jedoch bislang geflissentlich ignoriert.

Stavs Organisation, die für eine Modernisierung des Oberrabbinats eintritt, veröffentlichte nach den Angriffen auf ihren Rabbiner eine Erklärung: »Das zeigt, dass wir dringend einen Wandel im Rabbinat benötigen. Israel braucht Rabbiner, die das Volk mit dem Judentum verbinden – und keine, die es verärgern.«

Libanon

Israel greift Hisbollah-Trainingslager an

Auf dem Gelände wurden laut israelischer Armee Anschläge geplant

 09.12.2025

Ehrenrettung

Stille, Salz und Sonnenlicht

Das Tote Meer landete auf der weltweiten Rangliste der Sehenswürdigkeiten auf dem zweitschlechtesten Platz – völlig zu Unrecht, findet unsere Korrespondentin

von Sabine Brandes  08.12.2025

Medienbericht

Donald Trump will Benjamin Netanjahu Ende Dezember treffen

Israelischen Medien zufolge soll es bei dem Treffen am 29. Dezember um die zweite Phase des Friedensplans gehen

 08.12.2025

Eurovision Song Contest

»Ihr wollt nicht mehr, dass wir mit Euch singen?«

Dana International, die Siegerin von 1998, über den angekündigten Boykott mehrerer Länder wegen der Teilnahme Israels

 08.12.2025

Nahost

Netanjahu: Israel bleibt in Pufferzone im Süden Syriens

Syriens Übergangspräsident al-Scharaa wirft Israel vor, »Geister zu bekämpfen«. Eine Lösung im Streit um ein Gebiet an der Grenze scheitert noch an unterschiedlichen Vorstellungen

 08.12.2025

Nahost

Katar und Türkei wollen keine vollständige Entwaffnung der Hamas

Israel vor neuen diplomatischen Manövern: Katar und die Türkei versuchen, die im ursprünglichen Gaza-Plan vorgesehene vollständige Entwaffnung der palästinensischen Terrororganisation Hamas zu verwässern

 08.12.2025

Nahost-Krieg

Israels Armeechef: Gelbe Linie bildet operative Grenze zum Gazastreifen

Laut Eyal Zamir gibt es nun einen Schutzriegel für die israelischen Gemeinden am Rand Gazas

 08.12.2025

Jerusalem

Netanjahu sieht »historischen Wandel« in Rüstungskooperation

»Nicht nur Deutschland arbeitet für die Verteidigung Israels, sondern Israel, der jüdische Staat, arbeitet 80 Jahre nach dem Holocaust für die Verteidigung Deutschlands«, sagt der Ministerpräsident

 08.12.2025

Gaza

Wie die Hamas Hilfsorganisationen gefügig machte

Einer Auswertung von »NGO Monitor« zufolge konnten ausländische Organisationen in Gaza nur Hilsprojekte durchführen, wenn sie sich der Kontrolle durch die Hamas unterwarfen

von Michael Thaidigsmann  08.12.2025