Der Iran hat nicht atomar abgerüstet. Er wurde abgerüstet. Dauerhaft? Zumindest auf lange Dauer, denn keine Aufrüstung ist von heute auf morgen möglich.
Für eine historische Einordnung des – zumindest militärisch genialen – Schlages des israelischen Militärs ist es zu früh, doch manche Aus- und sogar Vorhersagen sind auch ohne Pseudoprophetie und Kaffeesatzleserei möglich.
Dass Israel zuschlagen würde, bevor der Iran die Bombe(n) hat, war zu erwarten. Wer weiß, was war, weiß, was wird. Die Staaten, die sich 2015 selbst auf die Schulter klopfend, das Atomabkommen mit dem Iran unterzeichnet hatten, wussten es offenbar nicht.
Bevor es »so weit war«, hatte Israel am 7. Juni 1981 den irakischen Atommeiler bei Bagdad zerstört. Und bevor es »so weit war« hat Israel die syrische Atomanlage am 6. September 2007 zerstört.
Daraus folgt erstens: Wer zwischen zwei Akteuren Frieden stiften will, muss beide irgendwie zufriedenstellen. Dass US-Präsident Trump in seiner ersten Amtszeit, am 8. Mai 2018, das Abkommen seitens der USA aufkündigte, ändert nichts an dieser erwiesenen These.
Daraus folgt zweitens: krasses Politikversagen der mit sich selbst so zufriedenen Unterzeichnerstaaten. Auch von – vergessen wir es nicht – Kanzlerin Merkel und ihrem damaligen Außenminister Frank-Walter Steinmeier.
Daraus folgt drittens: In vielen Staaten meinen viele, dass politische Aussagen, wie bei ihnen auch in Israel, nur Phrasendreschereie wären. Israel hatte seit Jahren angekündigt, es werde der atomaren Aufrüstung des Iran notfalls militärisch ein Ende bereiten.
Daraus folgt viertens: Weite Teile der nichtjüdischen Welt kennen nicht die Konsequenzen aus der jüdischen Geschichte in Israel und der Jüdischen Welt: »Nie wieder Opfer! Und wenn es hart auf hart kommt, besser zuerst schlagen als zuerst und dann für immer geschlagen zu werden.«
Manche kennen diese »Jüdischen Lehren« nicht, manche wollen sie nicht kennen. Das ist ihr gutes, demokratisches Recht, aber keine Grundlage für gute, friedensstiftende Politik.
Wer, wie Israel vom Iran, 46 Jahre lang mit der Auslöschung bedroht wird, nimmt irgendwann die Warnung ernst. Denn so vergesslich sind wir nicht: Hitlers »Mein Kampf« nahmen auch die Juden lange nicht ernst. Bis es zu spät war.
Israels Koalition und ihr Chef Netanjahu mögen einem (auch mir) nicht gefallen, aber diese Regierung ist, anders als immer wieder behauptet, sehr wohl handlungsfähig. Trotz ihrer internen Probleme und trotz der jahrelangen Gerichtsverfahren gegen Netanjahu. »Totgesagte leben länger«: Vielleicht gilt das auch bezogen auf Israels jetzige Koalition. Erst recht nach dieser brillanten Militäraktion.
In Israel ist vieles und sind viele chaotisch – und vollumfänglich zerstritten. Anders als vor rund 2000 Jahren im »Jüdischen Krieg« gegen die Weltmacht Rom obsiegt die Vernunft – vor dem eigenen Untergang.
Strategisch ist in Nahost für diejenigen, die nüchtern und nicht mit Schaum vor dem Mund analysieren, einmal mehr eine neue, ermutigende Situation und Konstellation erkennbar: Die gemäßigten arabischen Staaten kooperieren mit Israel – obwohl sie das nach außen bestreiten. Das gilt, allen voran, Saudi-Arabien und den Golfstaaten, Ägypten, Syrien und Jordanien.
Der neuerliche Beleg: Auf dem Weg zu den iranischen Atomzielen flog Israels Luftwaffe über Jordanien und Syrien. Beide unternahmen nichts dagegen. Die proiranischen Milizen im Irak wollen, können aber nicht.
Als Machtfaktor sind sowohl Hamas als auch Hisbollah ausgeschaltet. Sie haben am 7. bzw. 8. Oktober 2023 mit Irans Billigung den Krieg gegen Israel begonnen. Die jemenitischen Huthis stießen später dazu und bedrohten den Welthandel. Alle vier haben diesen Krieg nun strategisch verloren. Das heißt nicht, dass die Waffen sehr bald schweigen werden. Doch Israels existentielle Bedrohung und die Blockade am Rotem Meer sind einstweilen beendet.
Und wieder besonders niederschmetternd: Die atomare Gefahr des Iran wurde seit den späten 1990er Jahren nahezu weltweit ignoriert oder verniedlicht und Israel als Ruhestörer, das mögliche Opfer als Täter angeprangert.
Daraus folgt: Selbst im Westen, leider auch in weiten Teilen der deutschen Politik und Gesellschaft, stimmen weder Ethik noch Können.
Der Autor ist Historiker und Publizist. Zuletzt erschien von ihm unter anderen »Eine andere Jüdische Geschichte«, »Wem gehört das Heilige Land?« und »Feindliche Nähe: Von Juden, Christen und Muslimen«.