Meinung

Nie wieder Opfer

Michael Wolffsohn Foto: Uwe Steinert

Der Iran hat nicht atomar abgerüstet. Er wurde abgerüstet. Dauerhaft? Zumindest auf lange Dauer, denn keine Aufrüstung ist von heute auf morgen möglich.

Für eine historische Einordnung des – zumindest militärisch genialen – Schlages des israelischen Militärs ist es zu früh, doch manche Aus- und sogar Vorhersagen sind auch ohne Pseudoprophetie und Kaffeesatzleserei möglich.

Dass Israel zuschlagen würde, bevor der Iran die Bombe(n) hat, war zu erwarten. Wer weiß, was war, weiß, was wird. Die Staaten, die sich 2015 selbst auf die Schulter klopfend, das Atomabkommen mit dem Iran unterzeichnet hatten, wussten es offenbar nicht.

Lesen Sie auch

Bevor es »so weit war«, hatte Israel am 7. Juni 1981 den irakischen Atommeiler bei Bagdad zerstört. Und bevor es »so weit war« hat Israel die syrische Atomanlage am 6. September 2007 zerstört.

Daraus folgt erstens: Wer zwischen zwei Akteuren Frieden stiften will, muss beide irgendwie zufriedenstellen. Dass US-Präsident Trump in seiner ersten Amtszeit, am 8. Mai 2018, das Abkommen seitens der USA aufkündigte, ändert nichts an dieser erwiesenen These.

Daraus folgt zweitens: krasses Politikversagen der mit sich selbst so zufriedenen Unterzeichnerstaaten. Auch von – vergessen wir es nicht – Kanzlerin Merkel und ihrem damaligen Außenminister Frank-Walter Steinmeier.

Daraus folgt drittens: In vielen Staaten meinen viele, dass politische Aussagen, wie bei ihnen auch in Israel, nur Phrasendreschereie wären. Israel hatte seit Jahren angekündigt, es werde der atomaren Aufrüstung des Iran notfalls militärisch ein Ende bereiten.

Daraus folgt viertens: Weite Teile der nichtjüdischen Welt kennen nicht die Konsequenzen aus der jüdischen Geschichte in Israel und der Jüdischen Welt: »Nie wieder Opfer! Und wenn es hart auf hart kommt, besser zuerst schlagen als zuerst und dann für immer geschlagen zu werden.«

Manche kennen diese »Jüdischen Lehren« nicht, manche wollen sie nicht kennen. Das ist ihr gutes, demokratisches Recht, aber keine Grundlage für gute, friedensstiftende Politik.

Wer, wie Israel vom Iran, 46 Jahre lang mit der Auslöschung bedroht wird, nimmt irgendwann die Warnung ernst. Denn so vergesslich sind wir nicht: Hitlers »Mein Kampf« nahmen auch die Juden lange nicht ernst. Bis es zu spät war.

Israels Koalition und ihr Chef Netanjahu mögen einem (auch mir) nicht gefallen, aber diese Regierung ist, anders als immer wieder behauptet, sehr wohl handlungsfähig. Trotz ihrer internen Probleme und trotz der jahrelangen Gerichtsverfahren gegen Netanjahu. »Totgesagte leben länger«: Vielleicht gilt das auch bezogen auf Israels jetzige Koalition. Erst recht nach dieser brillanten Militäraktion.

In Israel ist vieles und sind viele chaotisch – und vollumfänglich zerstritten. Anders als vor rund 2000 Jahren im »Jüdischen Krieg« gegen die Weltmacht Rom obsiegt die Vernunft – vor dem eigenen Untergang.

Strategisch ist in Nahost für diejenigen, die nüchtern und nicht mit Schaum vor dem Mund analysieren, einmal mehr eine neue, ermutigende Situation und Konstellation erkennbar: Die gemäßigten arabischen Staaten kooperieren mit Israel – obwohl sie das nach außen bestreiten. Das gilt, allen voran, Saudi-Arabien und den Golfstaaten, Ägypten, Syrien und Jordanien.

Der neuerliche Beleg: Auf dem Weg zu den iranischen Atomzielen flog Israels Luftwaffe über Jordanien und Syrien. Beide unternahmen nichts dagegen. Die proiranischen Milizen im Irak wollen, können aber nicht.

Als Machtfaktor sind sowohl Hamas als auch Hisbollah ausgeschaltet. Sie haben am 7. bzw. 8. Oktober 2023 mit Irans Billigung den Krieg gegen Israel begonnen. Die jemenitischen Huthis stießen später dazu und bedrohten den Welthandel. Alle vier haben diesen Krieg nun strategisch verloren. Das heißt nicht, dass die Waffen sehr bald schweigen werden. Doch Israels existentielle Bedrohung und die Blockade am Rotem Meer sind einstweilen beendet.

Und wieder besonders niederschmetternd: Die atomare Gefahr des Iran wurde seit den späten 1990er Jahren nahezu weltweit ignoriert oder verniedlicht und Israel als Ruhestörer, das mögliche Opfer als Täter angeprangert.

Daraus folgt: Selbst im Westen, leider auch in weiten Teilen der  deutschen Politik und Gesellschaft, stimmen weder Ethik noch Können.

Der Autor ist Historiker und Publizist. Zuletzt erschien von ihm unter anderen »Eine andere Jüdische Geschichte«, »Wem gehört das Heilige Land?« und »Feindliche Nähe: Von Juden, Christen und Muslimen«.

Tschechien

Prag plant Botschaftsverlegung nach Jerusalem

Der neue Prager Außenminister Petr Macinka sagt, der Schritt sei überfällig

 18.12.2025

Jerusalem

Israel schließt 30-Milliarden-Deal mit Ägypten

Das Geschäft mit Ägypten soll die Position des jüdischen Staates als Energielieferant stärken. Was steckt hinter dem Abkommen?

 18.12.2025

Washington D.C.

Trump erklärt Nahost für befriedet – Waffenruhe in Gaza bleibt fragil

Unerwähnt bleibt das Schicksal der letzten noch im Gazastreifen festgehaltenen Geisel, Ran Gvili

 18.12.2025

Nachrichten

Väter, Gaza, Abriss

Kurzmeldungen aus Israel

von Imanuel Marcus, Sophie Albers Ben Chamo  17.12.2025

Tel Aviv

Sorge vor weiteren Anschlägen auf jüdische Ziele weltweit

Laut »Chadschot 13« warnt der Mossad vor »vor einem beispiellosen Anstieg von Zusammenschlüssen zur Durchführung von Terroranschlägen gegen Juden und Israelis im Ausland durch Iraner und Palästinenser«

 16.12.2025

Tel Aviv

Nach Anschlag von Bondi Beach: IDF verschärfen Sicherheitsregeln für Soldaten im Ausland

Unter anderem rät die Einsatzführung der Streitkräfte Soldaten davon ab, ihre Zugehörigkeit zur Armee offenzulegen

 16.12.2025

Diplomatie

US-Gesandter Barrack führt Gespräche in Jerusalem

Vor dem Fristende zur Entwaffnung der Hisbollah besucht der US-Gesandte Barrack die israelische Hauptstadt

 15.12.2025

Sydney

Australiens Premierminister widerspricht Netanjahu

Nach dem Anschlag in Sydney betont Premierminister Albanese: Die Anerkennung Palästinas durch Australien steht nicht im Zusammenhang mit der Tat

 15.12.2025

Jerusalem

Israels Regierungschef wirft Australien Tatenlosigkeit vor

Nach einem Anschlag in Sydney fordert Netanjahu von Australien entschlosseneres Handeln gegen Judenhass. Er macht der Regierung einen schweren Vorwurf

 14.12.2025