Trotz der Freilassung der Geiseln aus der Gewalt der Hamas und der Annahme eines Waffenstillstands für den Gazastreifen werden die von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Strafmaßnahmen gegen Israel nicht zurückgezogen. Das bestätigte die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas am Montag bei einer Pressekonferenz am Rande des Treffens der EU-Außenminister in Luxemburg.
»Solange wir jedoch keine echten und nachhaltigen Veränderungen vor Ort sehen, darunter mehr Hilfslieferungen nach Gaza, bleibt die Androhung von Sanktionen bestehen«, so Kallas. »Wir setzen die Maßnahmen derzeit nicht um. Aber wir nehmen sie auch nicht vom Tisch, da die Lage instabil ist«, so Kallas.
Doch schon vor dem 20-Punkte-Friedensplan der Amerikaner und einiger arabischer Staaten, bei dem die Europäer nur Zaungäste waren, war es mit der Umsetzung nicht weit her; die Estin hatte für ihren Vorschlag nämlich keine qualifizierte Mehrheit im Rat der 27 Mitgliedstaaten zustande gebracht. Auch Deutschland stellt sich quer und will zumindest die von der Kommission vorgeschlagene teilweise Aussetzung des EU-Assoziierungsabkommens mit Israel und die Streichung von Handelsvergünstigungen, die dem jüdischen Staat bislang gewährt werden, nicht mitmachen. Allerdings befürwortet Berlin weitere EU-Strafmaßnahmen gegen gewalttätige Siedler im Westjordanland.
Während Länder wie Belgien, Frankreich, Irland, Polen, Spanien und die Niederlande die Sanktionsdrohung auf dem Tisch lassen möchten, um Einfluss auf Israels Verhalten zu nehmen, sorgt sich die Bundesregierung vor allem über den aktuell sehr geringen Einfluss Europas.
Bei der Sitzung der Nahost-Arbeitsgruppe von EU-Diplomaten vorvergangene Woche verwies die deutsche Vertreterin zudem darauf, dass die israelische Regierung die EU nicht an den Verhandlungstisch lasse, solange die Strafmaßnahmen nicht zurückgezogen seien. Die tschechischen und ungarischen Vertreter in dem Gremium schlossen sich der deutschen Haltung ausdrücklich an.
»Der Waffenstillstand in Gaza hat gerade seinen ersten großen Stresstest durchlaufen«, sagte Kaja Kallas. »Die Angriffe der Hamas auf palästinensische Zivilisten und ihre Weigerung, ihre Waffen abzugeben, machten die Feuerpause zunehmend fragil, so die EU-Außenbeauftragte.
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Armin Laschet (CDU), kritisierte Kallas scharf und nannte sie «unbedarft». Auf der Plattform X schrieb Laschet: «Wie konnte nur eine solch unbedarfte Person wie Kaja Kallas Hohe Beauftragte der EU für Außenpolitik werden? Während Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate dringend warnen, dass der Friedensprozess gefährdet ist, wenn nicht die Hamas schnell entwaffnet wird, droht sie stattdessen Israel mit Sanktionen. Die europäische Außenpolitik ist in einer ernsthaften Krise.»
Brüssel will den Wiederaufbau des Gazastreifens vor allem finanziell unterstützen. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) hatte bereits im September bei den Vereinten Nationen in New York angekündigt, dafür rund 1,6 Milliarden Euro aus dem EU-Budget zur Verfügung zu stellen. Schon jetzt ist die EU die größte Geberin weltweit für die Palästinenser.