Siedlung

Jenseits der grünen Linie

Weiß getünchte Häuser statt Baracken: Maale Adumim könnte auch eine Vorstadt von Tel Aviv sein. Foto: Reuters

Man könnte meinen, er stehe da zum Trotz. Hoch oben auf einem Felsplateau östlich von Jerusalem thront er wie eine Burg. Der Siedlungsblock Maale Adumim. Wer bei dem Wort »Siedlung« das Bild von Baracken in staubiger Einöde vor Augen hat, muss Opfer stereotyper Bilder sein. In den modernen Apartmenthäusern mit blühenden Gärten und weiß getünchten Wänden wohnen mehr als 36.000 Menschen.

Sie könnten ebenso in schicken Vororten von Tel Aviv oder New Jersey gebaut sein. Doch hier ist weder New Jersey noch Tel Aviv. Die jüdische Siedlerstadt liegt im Herzen einer der konfliktreichsten Regionen dieser Welt: dem Nahen Osten. Etwa sieben Kilometer jenseits der sogenannten grünen Grenze liegt Maale Adumim im palästinensischen Westjordanland. Und diese Tatsache macht den Ort zur Siedlung.

Die jüngste Ankündigung der rechtsgerichteten israelischen Regierung unter Benjamin Netanjahu, dort weiter bauen zu wollen, stieß im Ausland auf harsche Kritik. Vor allem viele europäische Staatsoberhäupter und die USA reagierten mit Unverständnis und verurteilten das Vorhaben scharf. Stein des Anstoßes ist vor allem ein Stück Land, das den Verwaltungsnamen E1 trägt. Es liegt genau zwischen der jüdischen Siedlung und Jerusalem. An dieser Stelle will Netanjahu die Bulldozer anrücken lassen, um 3000 Wohneinheiten für junge Familien aus dem Boden zu stampfen.

zwei-staaten-lösung Wenn dieser Korridor jüdisch bebaut würde, wäre die palästinensische Westbank in zwei Teile zerschnitten, beklagt unter anderem die Friedensbewegung »Peace Now«, die sich gegen die jüdische Besiedlung der palästinensischen Gebiete einsetzt. »Und damit wäre eine Zwei-Staaten-Lösung zwischen Israel und den Palästinensern endgültig begraben.«

Maale Adumims Bürgermeister Benny Kaschriel sieht das nicht kommen. Natürlich befürwortet er die Pläne der Regierung. Kaschriel beharrt darauf, dass E1 zu Maale Adumim gehört, man Platz für den Zuzug brauche und bauen müsse. Außerdem verletze E1 keinerlei palästinensisches Gebiet.

Das betreffende Land befinde sich innerhalb der Stadtgrenzen und verhindere auch keinen Palästinenserstaat, so der Bürgermeister. »Maale Adumim liegt mitten im Herzen des Konsensus. Der Streit um Abmessungen, Größen und Nummern gehört zum Alltag in dieser Gegend. Das von Israelis bebaute Gebiet im Westjordanvorland umfasst kaum mehr als ein Prozent der Gesamtfläche.

Peace Now «Wie kann ein läppisches Prozent den Frieden verhindern?», fragen Befürworter der jüdischen Siedlungen. Gern bemühen sie diese Zahl, wenn es darum geht, ihre Politik zu verteidigen. In der Realität aber zeige sich ein anderes Bild, betonen «Peace Now» und andere Nichtregierungsorganisationen wie «Betselem»: Tatsächlich kontrollierten die Siedlerorganisationen etwa 40 Mal so viel Fläche dank Sicherheitszonen, Straßen und anderer Infrastruktur, die für Palästinenser tabu sind.

Dennoch sieht wohl ein Großteil der Israelis die großen Siedlungsblöcke nahe der grünen Grenze mit anderen Augen, als kleine Enklaven, die tief in der Westbank liegen. Zu den Blöcken gehören unter anderem Modiin Illit, Ariel und Maale Adumim. Auch in Regierungskreisen argumentiert man bei Kritik oft, Konsens in der Öffentlichkeit sei, dass die Siedlungsblöcke Teil des Kernlandes sind, egal, wie ein Abkommen mit den Palästinensern letztendlich aussähe. Noch kurz vor seiner Ermordung hatte sogar Yitzhak Rabin erklärt, dass Maale Adumim und Givat Zeev auch im Falle einer Zwei-Staaten-Lösung zu Israel gehören müssten.

Doch die Bilder, die um die Welt gehen, zeigen meist die Siedler mit den wehenden Schläfenlocken und vor Wut verzerrten Gesichtern, wenn sie sich wieder einmal weigern, ihre illegalen Wellblechhütten zu räumen. Jüdische Siedler auf palästinensischem Gebiet sind in der Welt nicht gern gesehen. Auch in Israel hat man für Extremisten nicht viel übrig. Wie etwa für die etwa 90 jüdischen Familien, die sich in der Altstadt der palästinensischen Stadt Hebron angesiedelt haben. Bis an die Zähne bewaffnet und rund um die Uhr auf Kosten der Steuerzahler von 1500 Soldaten bewacht. Dies und die Tatsache, dass die Hebron-Siedler als rechtsgerichtete Hardliner gelten, bringt ihnen in Israel wenige Fürsprecher.

Wohnrecht David Wilder, der einst aus New Jersey nach Israel eingewandert ist, schert das wenig. Er meint, er habe das Recht, hier zu leben, weil sich schon die jüdischen Patriarchen hier niedergelassen hatten. Wilder ist Sprecher der Gruppe und betont, es gibt in Hebron ein Wohnrecht für Juden – in Stein gehauen.

Die Radikalen machen unter den Siedlern kaum mehr als fünf Prozent aus. Die Mehrzahl der 360.000 jüdischen Israelis jenseits der Grenze packt morgens ihre Aktentaschen, schmiert Butterbrote für den Nachwuchs und freut sich darüber, nach Feierabend die Füße im erschwinglichen Heim hochzulegen.

Sie würden sich als vieles bezeichnen lassen, aber sicherlich nicht als Siedler. «Wir wohnen hier, weil uns unsere Regierung gesagt hat, dass es völlig in Ordnung ist, hier zu leben», erläutert Eran Levy den Status quo. Er ist erst vor zwei Jahren mit seiner Familie nach Maale Adumim gezogen. Vorher wohnte die Familie im Zentrum von Jerusalem, «völlig beengt und schmutzig», wie er sagt. Als das dritte Kind unterwegs war, brauchten die Levys mehr Platz und planten den Umzug. «Es war uns schnell klar, dass wir nur jenseits der grünen Grenze etwas Bezahlbares finden würden.»

Lebensqualität Doch nicht nur der Mietpreis habe gelockt. Die Levys wollen Lebensqualität für sich und ihre Kinder. Und ihrer Meinung nach finden sie all das in Maale Adumim. Ideologische Gründe weist der Hightech-Angestellte von sich, mit Leuten, «die illegal palästinensisches Gebiet beanspruchen», habe er überhaupt keine Gemeinsamkeiten. Seine eigene Siedlung hingegen hält er für «hundertprozentig legal».

Dennoch ist ihm die Kritik aus dem Ausland nicht gleichgültig. «Es ist nicht angenehm, wenn man ständig gescholten wird.» Levy sorgt sich um die Isolierung Israels im Ausland und hofft, das die Menschen verstehen, dass es «solche und solche Siedler» gäbe. Er befürwortet sogar eine Zwei-Staaten-Lösung mit den Nachbarn. «Nur weil wir hier leben, sind wir nicht alle Steinewerfer und auch nicht alle gegen Palästinenser.»

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