Libanon

Ist die Wahl Joseph Aouns ein Zeichen der Hoffnung?

Vom Armeechef zum Präsidenten: Joseph Aoun Foto: picture alliance / abaca

Eine verheerende Wirtschaftskrise, politisches Machtvakuum, massive Korruption und zuletzt der Krieg der Hisbollah mit Israel: Lange Zeit sah es nicht gut aus für den Libanon. Nun stehen die Zeichen zum ersten Mal seit langem wieder auf Hoffnung. Das kleine Land am Mittelmeer hat nach zwei Jahren ohne Präsidenten endlich wieder ein Staatsoberhaupt. 

Generalstabschef Joseph Aoun ist der neue Präsident im Libanon. Während er direkt nach seiner Wahl im Parlament seinen Amtseid ablegte, wurde am Präsidentschaftspalast nördlich der Hauptstadt Beirut für seine Ankunft der rote Teppich ausgerollt. Auf den Straßen Beiruts wurden Süßigkeiten verteilt. Die ersten Bilder mit dem Gesicht des neu ernannten Staatsoberhaupts zierten schon wenig später die Straßen der Hauptstadt. Im Land gibt es insgesamt 18 offiziell anerkannte religiöse Konfessionen. Der Großteil der Menschen sind schiitische und sunnitische Muslime, danach kommen Christen. 

Die Wahl Aouns weckt Hoffnung auf einen politischen Neustart in dem konfessionell stark gespaltenen Land. »Ich musste mich selbst kneifen, als sie das Ergebnis verkündeten«, sagte eine Bewohnerin Beiruts der Deutschen Presse-Agentur. Ein anderer sagte: »Ich habe seine Rede im Parlament verfolgt und habe das Gefühl, der Libanon wird zu neuem Leben erweckt.« Aoun sei die Zukunft des Libanons, sagte ein anderer.

Geschwächte Hisbollah macht Weg frei

Seit Ende Oktober 2022 war die Position des Präsidenten im Libanon vakant. Michel Aoun – nicht verwandt mit dem neu ernannten Präsidenten Aoun – schied planmäßig aus dem Amt aus. Seitdem konnten sich die politischen Blöcke im Land nicht mehr auf einen Kandidaten einigen. Zwölf Versuche dazu scheiterten. 

Eine der Gründe war dabei auch die weitreichende Macht der vom Iran unterstützten Hisbollah im Libanon. Sie agierte bis zuletzt wie ein Staat im Staate. Als politische Partei genoss sie großen politischen Einfluss und blockierte immer wieder Kandidaten für das Amt des Präsidenten wie auch des Regierungschefs. Wichtige Ämter im Land konnten dadurch oft nur mit der Zustimmung der Hisbollah vergeben werden.

Dass Aoun nun ins Amt gewählt werden konnte, ist nicht zuletzt auch ein Resultat des Kriegs zwischen der Hisbollah und Israel. In dem rund zweimonatigen Krieg Ende 2024 wurde die Schiitenorganisation stark geschwächt, ihr Anführer Hassan Nasrallah sowie zahlreiche hochrangige Entscheidungsträger und Kommandeure vom israelischen Militär getötet. 

Auch der Sturz des syrischen Machthabers Baschar al-Assad Anfang Dezember trug zur Schwächung der Hisbollah bei. Über Syrien wurde ein Großteil der Waffen aus dem Iran zur Hisbollah geschmuggelt. Hisbollah-Mitglieder kämpften an der Seite Assads. Sein Sturz durch Rebellen drängte den Iran, den größten Unterstützer der Hisbollah, weiter in die Enge. Die neuen Machthaber in Damaskus distanzieren sich vom iranischen Einfluss und akzeptieren auch die proiranischen Kämpfer nicht länger im eigenen Land.

Der Handlungsspielraum der Hisbollah schwindet seitdem zunehmend. Beobachter gehen davon aus, dass der Organisation wenig Alternativen blieben, als der Wahl Aouns schließlich zuzustimmen.

Aoun genießt internationale Unterstützung

Das Land werde in eine neue Phase seiner Geschichte eintreten, kündigte Aoun in seiner Antrittsrede an. Er werde sich dafür einsetzen, dass nur der Staat über Waffen verfügen könnte. Er nahm damit augenscheinlich Bezug auf die Hisbollah, die sich bisher weigerte, ihre Waffen abzugeben. Fast das gesamte Parlament – bis auf die Parlamentarier der Hisbollah – applaudierten.

»Die Hisbollah und andere iranische Stellvertreter haben ihren Einfluss verloren«, sagte auch Riad Kahwaji, Direktor des Institute for Near East and Gulf Military Analysis (INEGMA), der dpa. Aoun hingegen habe starke internationale Unterstützung. 

»Das sind gute Nachrichten für den Libanon«, so Kahwaji. Das Land könne nun mit viel Hilfe rechnen, um die Wirtschaft wiederaufzubauen und den Wiederaufbau voranzutreiben. Saudi-Arabien, die USA, Frankreich und die internationale Gemeinschaft hatten die Wahl eines Präsidenten immer wieder zu Bedingung für finanzielle Hilfe für den Libanon gemacht. »Endlich gibt es für den Libanon ein Licht in einem langen, dunklen Tunnel.«

Aussicht auf Stabilität

Mit Aouns Amtsantritt könnten die Reformen in Gang gesetzt werden, die seit langem von internationalen Geberländern gefordert werden. Der Libanon steckt seit Jahren in der schlimmsten Wirtschaftskrise seiner Geschichte. Sie wird vor allem auf jahrzehntelange Korruption in Politik und Wirtschaft zurückgeführt. 

Die Armee selbst wird im Libanon oft als neutrale Institution angesehen. Dass ihr Anführer nun der neue Präsident im Land ist, weckt Hoffnung, dass er als Vermittler zwischen den vielen verschiedenen politischen und konfessionellen Gruppen fungieren könnte. Seine Erfahrung in der Führung der libanesischen Streitkräfte könnte außerdem dazu beitragen, lang verlorenes Vertrauen in die staatlichen Institutionen wiederherzustellen.

Gaza

»Gebt mir mein Mädchen zurück!«

Ifat Hayman fleht, dass ihre Tochter Inbar, die letzte weibliche Geisel der Hamas, zur Bestattung zurückgebracht wird

von Ifat Hayman  17.09.2025

Europäische Union

Wie die EU-Kommission Israel sanktionieren will

Ursula von der Leyens Kommission will Israel alle Handelsvergünstigungen streichen. Doch eine Mehrheit der Mitgliedsstaaten ist (noch) nicht in Sicht. Die Hintergründe

von Michael Thaidigsmann  17.09.2025

Israel

»The Sea« erhält wichtigsten israelischen Filmpreis

In Reaktion auf die Prämierung des Spielfilms über einen palästinensischen Jungen strich das Kulturministerium das Budget für künftige »Ophir«-Verleihungen

von Ayala Goldmann  17.09.2025

Politik

»Geradeaus« mit Gadi Eizenkot

Zu den Gründungsmitgliedern der neuen Partei des früheren Stabschefs gehört auch die Tochter einstiger Hamas-Geiseln

von Sabine Brandes  17.09.2025

Meinung

Die Tränen des Kanzlers

Bei seiner Rede in München gab Friedrich Merz ein hochemotionales Bekenntnis zur Sicherheit jüdischen Lebens ab. Doch zum »Nie wieder dürfen Juden Opfer werden!« gehört auch, den jüdischen Staat nicht im Stich zu lassen

von Philipp Peyman Engel  17.09.2025

Jerusalem

Netanjahu kündigt Treffen mit Trump an, warnt Hamas und kritisiert Katar

Vor seinem Besuch im Weißen Haus will der Ministerpräsident vor den Vereinten Nationen sprechen

 17.09.2025

Nahost

Israelische Armee weitet Offensive aus

Laut Armeesprecher Effie Defrin hat eine Befreiung der in der Gewalt der Hamas befindlichen Geiseln höchste Priorität: »Ihre sichere Rückkehr ist der Kern unserer Mission. Sie sind der Grund, warum wir weiterkämpfen.«

 17.09.2025

Luftfahrt

Schlägerei während Flugs von Tel Aviv nach Bukarest

Israelische Passagiere prügeln sich. Anschließend gibt es Bußgelder. Medien berichten über mutmaßlich religiöse Motive

 16.09.2025 Aktualisiert

Nahost

Israel greift Huthi-Anlagen im Jemen an

Die Huthi-Miliz im Jemen feuert immer wieder Raketen in Richtung Israel. Der jüdische Staat reagiert mit eigenen Schlägen - auch jetzt wieder

 16.09.2025