Wahlen

Gantz und Netanjahu gleichauf

Das Mitte-Bündnis Blau-Weiß von Benny Gantz (M.), Yair Lapid und Moshe Yaalon nach den Wahlen in der Nacht zu Mittwoch Foto: Flash 90

Es herrscht Gleichstand. Wie bereits bei den letzten Wahlen im April holten auch bei diesen zweiten Parlamentswahlen Ministerpräsident Benjamin Netanjahu vom Likud und sein Herausforderer Benny Gantz von der Zentrumsunion Blau-Weiß voraussichtlich dieselbe Anzahl der Mandate. Nach Auszählung der meisten Stimmen liegen sie mit je 32 Mandaten gleichauf. Im April waren es noch 35 für jeden.

Keiner der beiden Politiker wird es mit dieser Anzahl der Sitze mutmaßlich schaffen, gemeinsam mit kleinen Gruppierungen eine Mehrheit von 61 Mandaten in der Knesset zu sichern. Damit könnte sich Israel auf dem Weg zu einer Großen Koalition befinden. Angeblich haben die Verhandlungen dazu bereits begonnen.

Kommt jetzt eine Große Koalition mit dem oppositionellen Mitte-Bündnis Blau-Weiß?

FORDERUNG Einer der Ersten, der das nach dem Schließen der Wahllokale forderte, ist Avigdor Lieberman von Israel Beiteinu. Er trat noch am selben Abend auf der Veranstaltung seiner Partei auf die Bühne – und machte klar, dass es nur diese eine Möglichkeit gibt.

»Unser Staat braucht eine nationale, liberale und breite Regierung und keine, die jede Woche um ihr Überleben kämpft«, sagte Lieberman. Ebenso deutlich unterstrich er, dass er mit keiner einzelnen Partei über eine Regierungskoalition verhandeln werde – weder mit Netanjahu noch mit Gantz.

Damit steht er zu seinen Worten, die er bereits seit Wochen wiederholt. Im Wahlkampf beteuerte er, dass er Israel zu einer breiten Regierung ohne die Beteiligung der religiösen Parteien verhelfen wolle. Präsident Reuven Rivlin solle Netanjahu und Gantz sofort einladen, um informell miteinander zu reden.

LAPID Es könnte aber auch dazu kommen, dass Lieberman derjenige ist, der damit Netanjahu seine fünfte Amtszeit versagt. Denn sowohl Gantz als auch sein Partner Yair Lapid hatten während des Wahlkampfs beteuert, nicht mit Netanjahu in einer Regierung sitzen zu wollen.

»Israel braucht eine starke Regierung, die stabil und zionistisch ist«, sagt Netanjahu nach der Wahl.

Am Abend sagte der Vorsitzende der Union Blau-Weiß, Benny Gantz, vor seinen Anhängern, dass er bereits mit dem Demokratischen Lager, dem Arbeitspartei-Gescher-Bündnis, sowie Israel Beiteinu gesprochen habe – und auch mit der Vereinten arabischen Liste reden wolle. »Ich werde mit allen sprechen«, unterstrich Gantz. Er betonte zudem sein Vorhaben noch einmal, eine Einheitsregierung zu bilden.

Netanjahu blieb wenig konkret: »Israel braucht eine starke Regierung, die stabil und zionistisch ist«, ohne weitere Details zu geben, während die Masse der Likud-Anhänger rief: »Wir wollen keine Einheitsregierung.«

GLEICHSTAND Die Umfragen der verschiedenen TV-Sender hatten einen Gleichstand der beiden großen bereits seit Wochen vorausgesagt und lagen auch bei den kleineren Parteien richtig: Als drittstärkste Union zieht die Vereinte (arabische) Liste mit zwölf Mandaten in die Knesset ein.

Weder das rechte noch das Mitte-Links-Lager hat eine Mehrheit für die Regierungsbildung.

Liebermans Israel Beiteinu folgt mit neun Sitzen, das Rechtsbündnis Yamina mit sieben, Arbeitspartei-Gescher mit sechs und das Demokratische Lager mit fünf. Alle anderen Parteien, darunter die rechtsextreme Otzma Jehudit, haben die Eintrittshürde von 3,25 Prozent nicht erreicht.

Die Wahlbeteiligung in Israel lag entsprechend des zentralen Wahlkomitees bei 69,4 Prozent und damit 1,5 Prozentpunkte höher als bei den letzten Wahlen im April.

VERHANDLUNGEN Für die Formation einer regierungsfähigen Koalition haben die Parteien nun 28 Tage Zeit, mit der Möglichkeit einer zweiwöchigen Verlängerung. Präsident Rivlin wird in den nächsten Tagen einen Beauftragten bestimmen, der die Koalitionsverhandlungen als Erster anführen wird.

Im April war es Netanjahu, den die meisten Parteien dafür empfohlen hatten. Dass es auch dieses Mal dazu kommen wird, stellen die meisten an diesem Morgen allerdings infrage.

Jerusalem

Saar bekräftigt Israels Unterstützung für Waffenruhe – und droht Hamas

Der israelische Außenminister wirft der internationalen Gemeinschaft »Heuchelei« vor. Sie kritisiere Israel, aber schweige zu Massenhinrichtungen der palästinensischen Terroristen

 23.10.2025

Ultraorthodoxe

Charedis vergleichen Wehrdienstverweigerer mit Hamas-Geiseln

Nach den Festnahmen von drei charedischen Männern werden die Plakate der verschleppten Menschen als Propaganda missbraucht

von Sabine Brandes  23.10.2025

Israel

»Es ist alles ein großes Wunder«

Die nach mehr als zwei Jahren in der Gewalt der Hamas freigelassenen Israelis berichten von bohrendem Hunger, Folter und religiösem Zwang – aber auch von unerschütterlicher Hoffnung

von Sabine Brandes  23.10.2025

Israel

Bis zur letzten Geisel

15 der 28 Toten sind bisher aus dem Gazastreifen zurück

von Sabine Brandes  23.10.2025

Rabbiner Noam Hertig aus Zürich

Diaspora

Es geht nur zusammen

Wie wir den inneren Frieden der jüdischen Gemeinschaft bewahren können – über alle Unterschiede und Meinungsverschiedenheiten hinweg

von Rabbiner Noam Hertig  23.10.2025

Meinung

Liebe Juden, bleibt bitte zu Hause!

Immer mehr jüdische Veranstaltungen werden abgesagt – angeblich zum Schutz von Jüdinnen und Juden. So wird aus einer Einladung zur Kultur ein stiller Abgesang auf Teilhabe

von Louis Lewitan  23.10.2025

Nahost

Knesset stimmt für Annexion von Siedlungsgebieten im Westjordanland

Die USA kritisieren den Vorgang. »Der Präsident hat klar gesagt, dass wir das derzeit nicht unterstützen«, sagt Rubio vor seinem Abflug nach Israel

 23.10.2025

Sport

Olympisches Komitee bestraft Indonesien für Ausschluss Israels

Die Indonesier hatten wegen des Krieges gegen die Hamas ein Einreiseverbot für israelische Sportler verhängt

 22.10.2025

Gutachten

IGH: Israel muss UN-Hilfe in den Gazastreifen lassen

Der Internationale Gerichtshof kommt zu dem Schluss, dass die israelischen Behörden auch mit der UNRWA zusammenarbeiten müssen. Die israelische Regierung wirft dem Gericht vor, das Völkerrecht zu politisieren

 22.10.2025