In Israel galt an diesem Unabhängigkeitstag der nationale Notstand. Die Feuerwehr kämpfte auch am Donnerstag noch mit mehr als 100 Teams gegen die massiven Waldbrände, die am Mittwoch zwischen Eschtaol und Latrun westlich von Jerusalem ausgebrochen waren und sich im Land weiter verbreiteten. Gegen 18.30 Uhr (Ortszeit) teilte die Feuerwehr laut dem israelischen TV-Sender n12 mit, die Brände seien unter Kontrolle, die Löscharbeiten gingen jedoch weiter. Eine Untersuchung der Ursachen sei eingeleitet worden.
Wegen der Brände sowie extremer Wetterbedingungen wurden sämtliche Feiern zum 77. Unabhängigkeitstag Israels abgesagt. In Jerusalem, Tel Aviv und anderen Orten waren öffentliche Konzerte und Partys geplant gewesen. Das am Jom Haazmaut übliche öffentliche Grillen wurde landesweit verboten.
Zur Brandursache und der Zahl der festgenommenen Verdächtigen gab es zunächst unterschiedliche Angaben. »Es ist ein Terroranschlag auf Israel«, sagte zunächst Eli Beer, der Präsident der Notfallorganisation United Hatzalah, in einem Interview. Er gab an, dass an 20 verschiedenen Orten Brände gelegt worden seien. Der israelische Geheimdienst Shin Bet ist an den Ermittlungen zur Ursache der Waldbrände beteiligt.
Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu sprach am Donnerstag von 18 festgenommenen Verdächtigen, die Polizei laut Medienberichten hingegen von drei Festnahmen. Die drei Personen hätten an verschiedenen Stellen versucht, Feuer zu legen, allerdings nicht in der Nähe des Hauptfeuers in der Region Jerusalem.
Der israelische Sende n12 wiederum berichtete am Donnerstagabend, die Feuerwehr vermute, dass der große Brand in der Umgebung von Jerusalem eine Folge von »Nachlässigkeit von Touristen« gewesen sei. Nach dieser Theorie habe der Brand im Ort Taos in der Nähe von Beit Schemesch begonnen und sich von dort aus ausgebreitet.
Israels Präsident Isaac Herzog thematisierte am Donnerstag bei einer Auszeichnung von Soldaten anlässlich des Unabhängigkeitstages auch einen Zusammenhang zur Erderwärmung. »Dieses Feuer ist Teil der Klimakrise, die nicht ignoriert werden darf«, sagte er laut der israelischen Online-Zeitung »The Times of Israel«. »Sie verlangt von uns, dass wir uns auf ernste und bedeutende Herausforderungen vorbereiten und Entscheidungen treffen – einschließlich angemessener Gesetzgebung.«
Angefacht durch extrem hohe Temperaturen, niedrige Luftfeuchtigkeit und starken Wind breiteten sich die Feuer extrem schnell aus. Die Polizei evakuierte sieben Gemeinden im Umkreis von 30 Kilometern um Jerusalem mit rund 7000 Bewohnern, während die Feuerwehr gegen die starken Flammen am Boden und aus der Luft kämpfte.
Am Donnerstag konnten die Bewohner der evakuierten Orte in ihre Häuser zurückkehren. Eine Israelin aus dem arabisch-jüdischen Dorf Neve Shalom schrieb auf Mittag auf Facebook: »In der Gegend des Klosters Latrun steigt teilweise noch Rauch auf, aber wir sind endlich wieder zu Hause (kein Schaden, den Katzen geht es gut), und nach einiger Zeit der Suche habe ich sogar mein Auto wiedergefunden, das ich gestern Morgen an der Straße nach Latrun geparkt hatte, und das wegen der Feuer umgeparkt worden war. Ein riesiger Dank an die Polizei- und Feuerwehrleute in der Region, die sehr freundlich, geduldig und hilfsbereit waren.«
Alle Straßen wurden wieder für den Verkehr freigegeben
Die Behörden sperrten am Mittwoch wichtige Verkehrsadern, darunter die Autobahn 1, die Hauptstraße zwischen Tel Aviv und Jerusalem, und die Autobahn 3. Autofahrer verließen ihre Fahrzeuge und flüchteten zu Fuß, um sich in Sicherheit zu bringen, als Rauch die Straßen einhüllte. Der Zugverkehr von und nach Jerusalem wurde nach Angaben der israelischen Eisenbahngesellschaft am Donnerstag wieder aufgenommen. Auch alle Straßen, darunter die zentrale Schnellstraße zwischen Tel Aviv und Jerusalem, wurden Medien zufolge wieder für den Verkehr freigegeben.
Mehrere Menschen mussten mit Rauchvergiftungen ins Krankenhaus gebracht werden. Nach Angaben der Feuerwehr wurden bis Donnerstagnachmittag 21 Feuerwehrleute leicht verletzt. Zwei von ihnen kamen ins Krankenhaus. Ein Feuerwehrauto ging laut Angaben des israelischen Rundfunks in Flammen auf. Berichten zufolge gab es in einem Vorort von Tel Aviv ein Feuer in einem Pflegeheim, mehrere Bewohner der Einrichtung seien gerettet worden.
Der Jüdische Nationalfonds (KKL-JNF) meldete, insgesamt seien bislang 2000 Hektar Land, darunter vor allem Waldgebiete, abgebrannt. Dies entspricht in etwa der Fläche des Frankfurter Flughafens. Israelischen Medien verbreiteten Aufnahmen, die unter anderem verkohlte Felder und Waldstücke zeigen.
Temperaturen lagen bei 36 bis 38 Grad
Der israelische Wetterdienst hatte aufgrund des heißen und trockenen Wetters bereits am Mittwochmorgen eine hohe Brandgefahr gemeldet, vor allem in Zentralisrael. Die Durchschnittstemperaturen betrugen dort zwischen 36 und 38 Grad Celsius.
Insgesamt waren mehr als 120 Feuerwehrmannschaften, zehn Löschflugzeuge, zwei Hubschrauber und Spezialfahrzeuge im Einsatz. Zur Koordinierung der Einsätze wurde in Latrun ein zentraler Kommandoposten eingerichtet. Laut Beer halfen rund 400 Freiwillige der United Hatzalah, zusätzlich zu den 7600 Freiwilligen, die für andere Notfälle auf Abruf bereitstehen.
Der Koordinator für Katastrophenschutz beim Rettungsdienst Magen David Adom, Haim Rafalowski, bezeichnete die Lage am Mittwoch als »sehr ernst«. Man hoffe, dass die Feuerwehr die Lage unter Kontrolle bekommt, »damit es nicht zu einer Katastrophe kommt«.
»Wenn ich aus dem Fenster schaue, sehe ich fette Rauchschwaden. Alles ist grau.«
Während sich das Hauptfeuer am Mittwoch von Jerusalem in Richtung Zentralisrael ausbreitete, brachen an verschiedenen Orten in Israel weitere Brände aus. Von den Außenbezirken der Küstenstadt Aschdod bis hin zu Wäldern und Hainen weiter südlich in Richtung der Negev-Wüste wurden Gemeinden in ganz Israel evakuiert.
Italien und Kroatien haben mittlerweile Flugzeuge zur Unterstützung der Löscharbeiten entsandt, wie das Büro von Benjamin Netanjahu bestätigte. Auch ein Löschhubschrauber aus Zypern kam zur Hilfe. Später sollte möglicherweise auch noch Hilfe aus Frankreich und England eintreffen. Auch die Palästinensische Autonomiebehörde bot an, Feuerwehren nach Israel zu senden, wie sie es bereits bei vergangenen Bränden getan hatte.
Viele Menschen steckten am Mittwochabend in ihren Büros fest, obwohl der Arbeitstag am Mittag wegen des Vorabends von Yom Haazmaut geendet hatte. Wie Dan Paz, der in einem Start-up in Modi’in arbeitet und vorhatte, am Nachmittag in seinen Wohnort Hod Hascharon zurückzufahren. Doch am Abend war der Ingenieur noch immer im Büro. »Wenn ich aus dem Fenster schaue, sehe ich fette Rauchschwaden. Die Autobahn Nummer 1, die ich sonst immer nehme, ist gesperrt und die Ausweichstraßen sind auch nicht sicher. Wer weiß, wie lange ich hier noch sitze … Ich fahre aber erst los, wenn es keine unmittelbare Gefahr mehr gibt.«
Der Bezirksleiter der Jerusalemer Feuerwehr sprach im israelischen Fernsehen von dem »vielleicht größten« Waldbrand, den es je in Israel gegeben habe. 2010 waren bei der schlimmsten Feuersbrunst in der israelischen Geschichte im Karmel-Gebirge mehr als 40 Menschen getötet worden. (mit dpa)