Brüssel

Eine Milliarde für Gaza

Flüchtlingslager im südlichen Gazastreifen Foto: Flash 90

Lange geht es so nicht mehr weiter. Darin stimmen alle überein. Am vergangenen Mittwoch trafen sich Vertreter Israels, der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA), der Europäischen Union und der USA zu einer Sonderkonferenz in Brüssel, um über einen Notfallplan für Gaza zu beraten.

Den Plan für humanitäre Hilfe in Höhe von einer Milliarde Dollar hatte die israelische Regierung vorgeschlagen. Außerdem erwägt Jerusalem zum ersten Mal, direkte Spenden über die Grenze nach Gaza zu schicken.

Die Situation im Streifen, der von der Hamas regiert wird, droht sich nach der Ankündigung Washingtons, die Gelder für die UNRWA (Flüchtlingshilfe-Agentur der Vereinten Nationen für die Palästinenser) zu kürzen oder sogar ganz zu streichen, rapide zu verschlechtern. Schon jetzt herrschen katastrophale humanitäre Bedingungen, wie verschiedene internationale und israelische Institutionen wiederholt bestätigten.

UNRWA 95 Prozent des Wassers sei nicht trinkbar, Strom gebe es lediglich für einige Stunden am Tag, Kläranlagen funktionierten überhaupt nicht, die Arbeitslosigkeit sei die höchste der Welt. Dennoch hatte die Regierung unter US-Präsident Donald Trump im Januar Gelder für die UNRWA in Höhe von 100 Millionen Dollar eingefroren.

Der Grund war die Weigerung der Palästinenser, an den von den USA vermittelten Friedensgesprächen mit Israel teilzunehmen. Nach der amerikanischen Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels hatte sich die Beziehung zwischen Washington und Ramallah extrem verschlechtert. »Die Lage ist schon jenseits einer humanitären Katastrophe«, sagte der Nahost-Friedensbeauftragte der UN, Nikolaj Mladenow, in der vergangenen Woche.

Strom Ende Februar droht den Krankenhäusern in Gaza ein nahezu totaler Stromausfall, sollte bis dahin keine weitere Hilfe ankommen, warnt die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Schon heute muss oft auf die grundlegenden Dienste verzichtet werden. Die Versorgung läuft bis zu 20 Stunden am Tag über Generatoren. Die benötigen Dieselkraftstoff, und der neigt sich dem Ende zu. Der Vertreter der WHO in Gaza, Mahmud Daher, sagt, die Gesundheitsversorgung sei »am Rande des Totalzusammenbruchs. Ohne sofortige Spenden stehen wir vor einer desaströsen Lage. Es gibt mindestens 200 Babys und Menschen auf Intensivstationen. Für sie bedeutet das den Tod«.

Während Verteidigungsminister Avigdor Lieberman am Montag sagte: »Die Lage im Gazastreifen ist hart, doch es gibt keinerlei humanitäre Katastrophe«, sieht die Armeeführung das anders. Der Chef der Streitkräfte, Gadi Eizenkot, sagte am Wochenanfang bei einer Kabinettssitzung, dass Israel in einen neuen Gaza-Krieg gegen die Hamas hineingezogen werden könnte, sollten sich die Zustände in dem Küstenstreifen nicht verbessern.

Kollaps Zwar sei die Hamas seiner Meinung nach an keiner Auseinandersetzung mit Israel interessiert, doch ein wirtschaftlicher Kollaps würde eine Gewalteskalation unvermeindlich machen.

Vor allem der Mangel an Wasser, Strom und Lebensmitteln müsste ausgeglichen werden. Eizenkot schlug vor, die Hilfe auszuweiten. Allerdings müsse von der Hamas die Vorbedingung erfüllt werden, die im Gazakrieg getöteten israelischen Soldaten Oron Schaul und Hadar Goldin nach Israel zurückzubringen, berichtete der Fernsehkanal 10.

Dem Bericht zufolge erwägen die Sicherheitskräfte in Israel aus diesen Gründen momentan, zum ersten Mal direkte Hilfe in das benachbarte Gebiet zu schicken. Derzeit lässt es lediglich Sendungen von internationalen Organisationen wie den Vereinten Nationen oder der Europäischen Union über die Grenze.

Industrie Der humanitäre Plan, den Jerusalem bei der Sonderkonferenz vorgeschlagen hat, konzentriert sich auf Projekte in den Bereichen Entsalzung, Elektrizität und Erdgas sowie den Ausbau des Industriegebietes in der Nähe des Erez-Grenzübergangs zu Israel.

Neben der Wasserentsalzungsanlage für Trinkwasser soll eine neue Stromleitung in das Gebiet verlegt werden, die die Menge an Strom verdoppeln könnte. Erdgas soll dann durch eine Pipeline fließen. Ebenso hat Israel angeregt, eine Kläranlage und eine Mülldeponie zu errichten. Die Kosten werden auf rund eine Milliarde Dollar geschätzt. Jerusalem schlägt vor, dass die internationale Gemeinschaft dies übernimmt. Gleichzeitig würde sich Israel verpflichten, Know-how und Technologie zu liefern sowie flexibler bei der Genehmigung für die Einfuhr von Materialien zu sein, die sowohl für zivile als auch militärische Zwecke verwendet werden können.

Israel will Know-how liefern und Material über die Grenze lassen.
In Brüssel waren neben den genannten Vertretern auch die Außenminister von Jordanien, Ägypten und Marokko sowie Offizielle aus Tunesien, Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Kuwait anwesend. Eingeladen hatten Norwegens Außenministerin Ine Eriksen Soreide, und die Außenpolitikchefin der EU, Federica Mogherini.

Streit Der israelische Vertreter in Brüssel, der Minister für regionale Kooperation Zachi Hanegbi, erläuterte den Plan, machte jedoch deutlich, dass die zivile Kontrolle über den Streifen zunächst an die führende Partei der Palästinensischen Autonomiebehörde, die Fatah, übergehen müsse.

Zwar hatte diese sich mit der Hamas auf eine Aussöhnung geeinigt, bislang ist dies jedoch lediglich auf dem Papier geschehen. Durch den Streit der beiden Parteien kommt es zur Verzögerung bei der Auszahlung von benötigten Geldern – die Leidtragenden sind die Zivilisten in Gaza, so Hanegbi.
Mogherini stimmte dem zu und bestätigte zudem »Israels legitime Sicherheitsbedenken«. Gleichzeitig verkündete sie, dass die EU zusätzlich zu den bereits bestätigten 107 Millionen Euro Unterstützung für UNRWA weitere 42,5 Millionen für die Palästinenser überweisen werde. Nahezu 15 Millionen davon seien für die »Erhaltung des palästinensischen Charakters von Ostjerusalem« bestimmt.

Hanegbi betonte bei seinem Treffen mit Mogherini, es sei Israels Wunsch, dass die Konferenz erfolgreich sei. Er fügte hinzu, dass sein Land den Menschen in Gaza auf verschiedene Weise helfe, doch es an der palästinensischen Führung liege, sich auf das Wohlbefinden der Bevölkerung zu besinnen und zu direkten Verhandlungen mit Jerusalem zurückzukehren. Denn dadurch könne am besten geholfen werden.

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