Sommerferien

Ein fast normaler Sommer

Auch am Toten Meer ist es in diesem Sommer ruhig. Foto: Flash 90

Pünktlich zum Sommeranfang machte der makabre Slogan die Runde: »Stell dir vor, es ist Sommer – und es gibt keinen Krieg.« Er beschreibt die Stimmung der Israelis, wenn die Ferienzeit naht. Zu sehr sind sie an Kriege und militärische Auseinandersetzungen mit ihren unmittelbaren Nachbarn gewöhnt. Und zu oft fanden diese gerade in der Zeit statt, die eigentlich zum Erholen und Urlaubmachen gedacht ist. Doch der Sommer 2016 scheint anders – fast normal.

Vor zwei Jahren tobte der Krieg zwischen der Hamas im Gazastreifen und Israel, der Großstädte wie Aschdod, Aschkelon und sogar Tel Aviv zeitweise zu Geisterstädten machte. Die Raketen flogen, und die Sommerferien der meisten Kinder wurden zu einem Albtraum aus Sicherheitsraum und Sirenen.

Hisbollah Manche halten die entspannten Tage unter der Augustsonne allerdings lediglich für die Ruhe vor dem Sturm. Sie sorgen sich vor allem wegen des andauernden Bürgerkriegs in Syrien und der Hisbollah im Libanon. Deren Anführer Hassan Nasrallah droht seit Wochen lautstark, es gebe »kein Ziel in Israel, das wir nicht treffen können«. Andere allerdings sehen darin bloßes Säbelrasseln im Sommerloch.

Am Tel Aviver Strand erinnert die Atmosphäre auf den ersten Blick in nichts an die Bedrohung aus dem Norden. Tagsüber lümmeln sich Menschen aus dem In- und Ausland träge auf den Liegestühlen und planschen in den Fluten, am Abend spazieren sie auf der neu designten Promenade, genießen kühle Getränke oder schauen sich die Wettkämpfe in Rio auf einer der Großleinwände an, die Bars im Sand aufgebaut haben. Das Meeresrauschen ist inklusive.

gewalt »Jetzt ist Olympia. Da schießen die Palästinenser keine Raketen«, spöttelt ein Junge aus einer Gruppe von Zwölftklässlern, die sich schon um neun Uhr abends im Banana Beach niedergelassen haben, um das Hundertmeter-Rennen der Männer mitten in der Nacht zu sehen. »Stimmt, die Hamas sitzt versammelt vor der Glotze«, ruft ein anderer, und alle lachen.

Noch immer gibt es mit trauriger Regelmäßigkeit Schreckensnachrichten über Terroranschläge. Doch fast immer können die Attacken vereitelt werden. Der Höhepunkt der mehr als neun Monate andauernde Messer-Intifada, die 48 Israelis das Leben kostete, scheint vorüber zu sein. Das glauben zumindest die meisten Politik- und Sicherheitsexperten. Der ehemalige Verteidigungsminister Mosche Yaalon erklärte kurz vor seinem Abschied, dass sowohl die israelische Armee als auch die Palästinensische Autonomiebehörde zum Abklingen der Gewalt beigetragen hätten.

Viele, die dem Terror entkommen wollten, hatten schon vor Wochen Reisen ins Ausland gebucht. Siv Rosen, Chef der Reiseagentur »Gulliver«, weiß, wohin es am liebsten geht. Da nach den jüngsten Anschlägen und dem Putschversuch die Türkei mehr als zuvor vom Reiseplan der Israelis verschwunden ist, ziehe es sie in neue Gefilde. »Zum Sonnenbaden geht es nach Griechenland oder an andere Orte rund ums Mittelmeer.« Fernreisen werden weniger gebucht. »Doch stark im Kommen ist auch Osteuropa, zum Beispiel Rumänien, Ungarn und Polen.«

Derweil sind Eltern, die nicht verreisen, mit alltäglichen Sorgen beschäftigt. Wohin mit den Kleinen, wenn Schulen und Kindergärten geschlossen und die Ferienlager beendet sind? Generell gibt in den letzten beiden Augustwochen keinerlei organisierte Betreuung. Viele Angestellte haben allerdings nur zwei bis drei Wochen Urlaub im Jahr und können keine Reisen machen.

Großeltern, Freunde und Nachbarn helfen bei manchen aus. Doch andere müssen Babysitter bestellen, und das kostet Geld. Manche nehmen ihren Nachwuchs mit schlechtem Gewissen mit ins Büro. Doch das ist bei israelischen Arbeitgebern meist nicht gern gesehen. Betriebliche Kindergärten gibt es so gut wie gar nicht.

Stacey Cohen ist vor drei Jahren aus den USA eingewandert und hat ihr neues Zuhause in Modiin gefunden. Die Familie hat drei Kinder, Stacey hat immer gearbeitet. »In Amerika gibt es in jeder großen Firma einen Hort für Kleinkinder, damit die Eltern nicht in Schwierigkeiten kommen, wenn die Kindergärten zu sind. Das vermisse ich wirklich an der alten Heimat. Hier muss ich immer meine Freunde bitten, mir zu helfen. Das wird aber spätestens beim dritten Mal lästig. Ich wünsche mir, dass sich in dem sonst so kinderfreundlichen Israel in dieser Hinsicht etwas ändert.«

politik Es ist auch der Sommer der Spekulationen. Wie geht es politisch weiter, wenn das Parlament wieder an die Arbeit geht, fragen sich viele. Kurz vor Schluss waren noch einige umstrittene Gesetzesvorschläge eingebracht worden, etwa der, eine Siebenprozenthürde in der Knesset einzuführen. Auch der Haushalt für die Jahre 2017 und 2018 ist in letzter Minute mit einem Rekordbetrag von 359,7 und 367 Milliarden Schekel (umgerechnet etwa 83,7 und 85,3 Milliarden Euro) verabschiedet worden. Die Beträge liegen damit nahezu 100 Prozent über dem maximal erlaubten Steigerungssatz von 2,7 Prozent.

Auch wenn die Türen der Knesset momentan fest verriegelt sind, wird dahinter weiter verhandelt – vor allem um Posten und Positionen. Davon ist Naomi Chazan überzeugt. »Die meisten Zusammenkünfte, in denen über die politische Zukunft entschieden, Allianzen geschmiedet und Strategien ausgetüftelt werden, finden ohnehin in privaten Zusammenkünften hinter verschlossenen Türen statt«, schreibt Chazan, Präsidentin des College für Regierung und Gesellschaft in Tel Aviv, in ihrer Kolumne. Das sei im Sommer nicht anders.

Gibt es eine neue Mitte-Rechts-Partei unter dem Vorsitz von Mosche Yaalon? Ist Yair Lapid mit seiner Jesch Atid die einzige Alternative zum Premier? Oder wird Benjamin Netanjahu bis in alle Ewigkeit regieren? Getreu dem Sprichwort »Zwei Israelis – drei Meinungen« diskutieren die Bewohner von Nord bis Süd auch im August über ihr Lieblingsthema: die Lage der Nation. Und damit ist eigentlich alles wie immer. Fast ganz normal.

Hamburg

Block-Prozess: Israelischer Firmenchef vernommen

Die Block-Kinder sollen an Silvester 2023/24 von einer israelischen Sicherheitsfirma aus der Obhut ihres Vaters entführt worden sein. Nun hat der Firmenchef bei der Staatsanwaltschaft ausgesagt

von Bernhard Sprengel, Sebastian Engel  18.11.2025

Glosse

Auf, auf zum bewaffneten Kampf!

Eine deutsche Komikerin wechselte am Wochenende wieder einmal das Genre. Enissa Amani versuchte allen Ernstes, rund 150 Berlinern zu erklären, dass Nelson Mandela das Vorgehen der Hamas gegen Israel gutgeheißen hätte

von Michael Thaidigsmann  18.11.2025

Westjordanland

Terroranschlag: Ein Israeli getötet, drei Verletzte

Am Gusch-Ezion-Knotenpunkt rammen palästinensische Terroristen Passanten mit ihrem Fahrzeug

 18.11.2025

Meinung

Die Gut-Wetter Freunde Israels sind zurück! 

Die Wiederaufnahme der Waffenexporte ist richtig und notwendig. Doch das ändert nichts daran, dass die Bundesregierung das Vertrauen Israels und vieler Juden vorerst verloren hat

von Sarah Cohen-Fantl  18.11.2025

Riad/Washington

USA liefern F-35-Kampfjets an Saudi-Arabien

Bislang wurden diese in der Region nur an den engen Verbündeten Israel abgegeben

von Christoph Meyer, Cindy Riechau, Franziska Spiecker  18.11.2025

Justiz

Urteil: Mehr Macht für den Justizminister

Kritiker warnen, dass die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes im Fall Sde Teiman die Tür für eine Politisierung der Strafverfolgung öffnet

von Sabine Brandes  18.11.2025

Internationaler Strafgerichtshof

Israel beantragt Aufhebung des Haftbefehls gegen Netanjahu

Auch fordert fordert Jerusalem die vollständige Enthebung von Chefankläger Karim Khan von allen Verfahren, die den jüdischen Staat betreffen

 18.11.2025

Westjordanland

Israel will gegen illegale Selbstjustiz vorgehen

Zuletzt häuften sich Angriffe radikaler Siedler. Generalstabschef Zamir: Israels Militär wird das nicht tolerieren

 17.11.2025

Auszeichnung

»Fair auf Israel blicken, ohne Schaum vor dem Mund«

Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, hat den Augsburger Friedenspreis erhalten. In seiner Dankesrede warb er für einen unvoreingenommenen Blick auf den jüdischen Staat

 17.11.2025