Meinung

Die tausend Fragen nach der Gaza-Show

Nach jeder geglückter Geiselbefreiung fragt sich unsere Redakteurin, warum die Terrororganisation Hamas die Übergabe so zynisch inszeniert.

von Nicole Dreyfus  26.01.2025 10:17 Uhr

Nicole Dreyfus Foto: Claudia Reinert

Nach jeder geglückter Geiselbefreiung fragt sich unsere Redakteurin, warum die Terrororganisation Hamas die Übergabe so zynisch inszeniert.

von Nicole Dreyfus  26.01.2025 10:17 Uhr

Nach jeder Geiselbefreiung schießen mir diese quälenden Fragen durch den Kopf: Warum sehen diese endlich befreiten Menschen nach 477 Tagen in Geiselhaft so gut aus? Warum dieser aufrechte Gang? Warum lachen sie, während sie von Hunderten maskierter Hamas-Kämpfer (und Kämpferinnen?) umringt und eskortiert werden?

Warum sind die Haare dieser jungen Frauen jedes Mal so schön zurecht frisiert? Warum tragen sie so saubere Kleidung, neu wirkende Pseudo-Uniformen? Warum haben sie Tüten in der Hand, diese grauenhaften Abschiedsgeschenke, die sie nicht brauchen, weil die Erinnerung an die begangenen Gräueltaten für immer und ewig im Bewusstsein dieser Frauen eingebrannt sein wird. Und wo wurden sie die ganze Zeit festgehalten, was wurde ihnen während der Geiselhaft angetan?

Jeden Samstag diese menschenverachtende Inszenierung bewaffneter Terroristen, die ihre Geiseln als Trophäen siegessicher präsentieren?

Solange die restlichen Geiseln nicht befreit sind, werden zum Schutze derjenigen, die sich noch in Gefangenschaft befinden, vermutlich nur wenige Informationen an die Öffentlichkeit gelangen – Informationen, die zunächst harmlos wirken, weil sie das Geschehene nicht in seiner ganzen Brutalität vermitteln.

Die Hamas hat die noch lebenden Geiseln und damit ein ganzes Land in ihrer Hand, das nichts anderes als sehnlichst darauf wartet, dass auch die restlichen Geiseln befreit werden. Wenn Woche für Woche eine kleine Anzahl Menschen befreit wird, worauf müssen wir uns als Nächstes gefasst machen? Jeden Samstag diese hämische und menschenverachtende Inszenierung bewaffneter Terroristen, die ihre Geiseln als Trophäen siegessicher präsentieren?

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Jede Woche werden die Bilder und Videos viral gehen. Die Hamas meint zu wissen, was sie tut. Fällt denn wirklich irgendjemand darauf ein? Was erhofft sich die Hamas mit dieser überaus schlechten Inszenierung? Es ist eine Farce, die die Terrororganisation hier der Welt sprichwörtlich auf einer Bühne aufführt, die befreiten Geiseln vorführend.

Selbst wenn das Lachen der Frauen aufgesetzt, der hochgezeigte Daumen gespielt ist – es ist die letzte Verletzung, die die Hamas den vier freigelassenen Frauen als bitteres Abschiedsgeschenk noch zugefügt hat. Die Entwürdigung könnte zynischer nicht sein. Hat es denn nicht gereicht, eine ganze Nation zu brechen, über 1200 Menschen zu ermorden und 251 Geiseln körperlichen und psychischen Schaden, der vermutlich nie mehr ganz geheilt werden kann, zugefügt zu haben? Warum wird die Welt weiterhin an der Nase herumgeführt?

Lesen Sie auch

Die Hamas glaubt nicht an die Menschen – verachtet ihr eigenes Volk. So wurde am Samstag bekannt, dass sich ein palästinensischer Gefangener, der im Rahmen der zweiten Phase des Geiseltauschabkommens aus dem Ketziot-Gefängnis entlassen werden sollte, weigerte, nach Gaza zurückzukehren. Israelische Beamte bestätigten, dass die Person durch einen anderen Gefangenen ersetzt wurde, um mit den vereinbarten Bedingungen fortzufahren.

Naama Levy, Daniella Gilboa, Karina Ariev und Liri Albag konnten nach Israel zurückkehren, in die Arme ihrer Familie. Mit unglaublicher Stärke und auf den ersten Blick unberührt von der Tortur, die sie erlebt haben, konnten sie sich in den Armen ihrer Eltern fallen lassen. Die Tränen, die dabei geflossen sind und noch lange weiter fließen werden, sind Ausdruck eines unvorstellbaren Gewaltakts, für die Geiseln genauso wie für deren Familie, und aus dem nun ein Trauma werden könnte. Der Mensch hat keine Superkräfte – oder vielleicht doch? Die vier Frauen haben es bewiesen.

dreyfus@juedische-allgemeine.de

Interview

Haben Sie genug für Israel und für Juden in Deutschland getan, Herr Bundeskanzler?

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) über die deutsche Staatsräson, seine Grünen-Koalitionspartner und die Bilanz der Ampel-Regierung bei jüdischen Themen

von Mascha Malburg, Philipp Peyman Engel  18.02.2025

Libanon

Israelische Streitkräfte bleiben an strategisch bedeutsamen Punkten

Der Abzug der meisten IDF-Soldaten soll wie geplant heute vollzogen werden

 18.02.2025

Abkommen

Hamas soll am Donnerstag Leichname von vier Geiseln übergeben

Die Namen der Verstorbenen werden erst am Donnerstagmorgen mitgeteilt

 17.02.2025

Israel/Gaza

Freigelassene Häftlinge müssen Pullover mit Drohbotschaft tragen

Die Sweatshirts sind offenbar auch als Antwort auf die Terrorpropaganda-Shows der Hamas bei der Freilassung israelischer Geiseln zu verstehen

 17.02.2025

500 Tage Geiselhaft

»Mein Liebster weiß nicht, dass ich noch lebe«

Ziv Abud, die Verlobte der 27-jährigen Geisel Eliya Cohen, überlebte das Massaker der Hamas auf dem Nova-Musikfestival

von Sabine Brandes  17.02.2025

Nahost

Bericht: Hamas bereit, Kontrolle über Gazastreifen abzugeben

Wer den Küstenstreifen künftig regieren könnte

von Sabine Brandes  17.02.2025

Nahost

Ron Prosor knöpft sich das Internationale Rote Kreuz vor

»Das IKRK hat dem Wort Feigheit eine neue Bedeutung gegeben«, so der Botschafter Israels in Deutschland

von Imanuel Marcus  17.02.2025

Nahost

Tag 500: Fasten für Freilassung

Auch ist eine Demonstration für die komplette Umsetzung des geltenden Abkommens zwischen Israel und den Terroristen vorgesehen, vom Familienforum an der Jerusalemer Azza-Straße zur Knesset

 17.02.2025

Geiselbefreiung und Feuerpause

Nächste Woche: Gespräche über Phase zwei

US-Sondergesandter Steve Witkoff kündigt Fortsetzung der Verhandlungen an

 16.02.2025