Die Journalistin Sophie von der Tann hat sich am Donnerstag gegen Kritik an ihrer Arbeit verteidigt. Im »ARD-Morgenmagazin« sagte die Reporterin des Bayerischen Rundfunks in Tel Aviv, Unterstellungen, sie schüre mit ihrer Berichterstattung aus Israel und den Palästinensergebieten Judenhass, indem sie parteilich und verzerrt zulasten der israelischen Seite über den Nahost-Konflikt berichte, entbehrten jeglicher Grundlage.
»Mich trifft das auch persönlich. Ich lebe in dem Land«, sagte die
34-Jährige, die seit 2021 im ARD-Studio Tel Aviv arbeitet und heute gemeinsam mit ihrer Kollegin Katharina Willinger mit dem Hanns-Joachim-Friedrichs-Medienpreis ausgezeichnet wird. Sie habe enge Freunde, die vom Hamas-Überfall am 7. Oktober 2023 betroffen seien und Angehörige verloren hätten.
Trotz allem sei es ihr Job als Journalistin, die »Balance zu schaffen zwischen Empathie und Distanz«, so von der Tann. »Empathie, um diese Menschen zu verstehen und um über ihre Schicksale berichten zu können. Distanz, um sich nicht vereinnahmen zu lassen und auch, um sich selbst zu schützen. Diese Balance versuchen wir jeden Tag aufs Neue zu halten und zu berichten, nach journalistischen Standards kritisch einzuordnen, Informationen abzugleichen, zu überprüfen. Und dafür haben wir diesen Preis bekommen«, fügte sie hinzu.
Fehler kämen vor, so von der Tann. »Wir sind alle Menschen.« Sie nehme sachliche Kritik an ihrer Arbeit sehr ernst. Um sich zu verbessern, sei es wichtig, sich damit auseinanderzusetzen. Diffamierungskampagnen und vollkommen haltlosen Unterstellungen» indes müsse man selbstbewusst entgegentreten. Das gehe hin bis zu Hass und Hetze im Internet, die justiziabel sein könne.
Die von ARD-Talkmasterin Sandra Maischberger geleitete Preis-Jury hat von der Tann «eine krisenfeste und unerschrockene Korrespondentin» bezeichnet, die sich nicht scheue, Dinge beim Namen zu nennen.
Die Kritik an von der Tann kommt unter anderen vom bayerischen Antisemitismusbeauftragten Ludwig Spaenle, dem israelischen Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, und jüdischen Verbänden. So bedauerte etwa der Verband Jüdischer Journalistinnen und Journalisten die Auszeichnung von der Tanns, da diese wiederkehrende Erzählmuster verbreite, «die sich darauf beschränken, Israel als Aggressor darzustellen».
Unterdessen haben 72 Nahost-Korrespondenten und Journalisten, die regelmäßig über die Region berichten, einen offenen Brief veröffentlicht, in dem sie sich mit von der Tann solidarisieren. Sie sei Opfer einer «Diffamierungskampagne, deren Anschuldigungen längst über sie als Person hinausgehen», heißt es in der Erklärung, die dazu aufruft, die Medienfreiheit zu respektieren.
Nahost-Korrespondenten nehmen von der Tann in Schutz
Die Unterzeichner schreiben: «Viele von uns berichten seit langem aus Israel, den palästinensischen Gebieten und der Region. Es ist normal, dass wir als Journalisten von allen Seiten mit Kritik an unserer Arbeit konfrontiert werden.» Sachlicher Kritik stelle man sich täglich. Die derzeitigen Angriffe haben nach Meinung der Unterzeichner jedoch jedes Maß verloren: «Sie zielen offenbar darauf ab, das Ansehen unserer Kollegin zu zerstören sowie kritischen Journalismus zu delegitimieren.»
Die Journalistin Esther Schapira kritisierte hingegen in einem Gastbeitrag in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» die Auszeichnung von der Tanns und nannte sie ein Sympton für eine weiter reichendes Problem in der deutschen Medienlandschaft. «Vereinfachung komplexer Vorgänge durch einseitige Parteinahme, Emotionalisierung statt Analyse – die Logik der sozialen Medien bestimmt inzwischen auch die Nachrichten: Tiktok und Instagram für junge User, ARD und ZDF für ihre Eltern und Großeltern. Im verzweifelten Kampf um die ersehnte junge Zielgruppe haben unzählige Projektgruppen für eine Verjüngung und mehr Diversität gesorgt. Auch dadurch sind die Grenzen zwischen Aktivismus und Journalismus verschwommen», schrieb Schapira.
Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, hatte die Preisverleihung ebenfalls kritisiert: «Demokratie bedeutet, mit abweichenden Meinungen zu leben. Dass problematische Berichterstattung aber nicht nur stehen bleibt, sondern auch noch mit einem Preis ausgezeichnet wird – nicht trotz, sondern offenbar auch wegen der Kritik – das verschlägt mir die Sprache», so Knobloch am Mittwoch. mth/epd/kna