Der Mann, den ich liebe, tut sich schwer mit »Zeit für Brot«. Also nicht mit dem Brot an sich, wohl aber mit dem kleinen »o« im Wort Brot. Er sagt BrUt - mit u.
»Aber Darling«, versuche ich ihn nicht allzu klugscheißerisch zu berichtigen, »Brot mit o wie bei Amos Oz, ihr habt ein o im hebräischen.«
»Willst Du ein Stück BroUt?«, fragt er, sich wirklich bemühend. Ich beiße mir in die Wangeninnenseite, um nicht über ihn zu lachen.
Und ja, ich will, schließlich ist das »Zeit für Brot«-Brot viel mehr als einfach nur eine Stulle. Es ist Sehnsucht und Wärme und auch ein bisschen Wehmut. Denn wann gibt es einen besseren Moment, den Tag mit frischem Brot - großzügig mit Aprikosenmarmelade bestrichen - zu beginnen, als an einem trüben Dezembermorgen?
Hier in Tel Aviv scheint die Sonne, aus Trotz setze ich meine Wintermütze auf und gehe nur mir ihr bekleidet ins Meer, dessen Temperatur um die 18 Grad hat und weit entfernt ist von winterlichen Skihütte - und Glühweingefühlen.
In Aprikosenmarmelade verliebte ich mich in meinem Leben in Frankreich, deswegen sage ich auch in Israel zumeist zur Begrüßung »Bonjour«, was selbst den rüdesten Taxifahrer am Flughafen Ben Gurion einen Moment lächeln lässt, bevor er zur Tagesordnung - schreien, hupen, rechts überholen - zurückkehrt.
»Bonjour« klingt irgendwie süß, so als hätte man ganz viel Zeit für »Zeit für Brot« mit Aprikosenmarmelade.
Mein großer Supermarkt ist ein »Carrefour«, weswegen das Etikett meiner Aprikosenmarmelade französisch bedruckt ist. »Carrefour« steht aus verschiedenen Gründen in der Kritik, die lauten BDS-Schreihälse fordern zum Boykott auf. Kämen die mal nach Israel statt immer nur aus der Ferne zu hetzen, dann sähen sie, dass es in keinem anderen Supermarkt mehr arabische und philippinische Angestellte gibt als in den Carrefour-Filialen. Nicht nur in Tel Aviv, überall im Land.
»Zeit für Brot« wurde - so wie ich - in Berlin erfunden, weswegen uns eine knusprige Rinde, große Klappe und eine relative Unerschrockenheit vereint. Sauerteigbrot im Land der Challa anzubieten - das ist sehr unerschrocken.
Der »BrUt«-Mann neben mir beispielsweise isst eigentlich ausschließlich Pita, und zwar zu und mit allem. Dass er mit mir am Freitagmorgen zum kleinen Markt im Tel Aviver Hafen läuft, um dunkles Brot und richtige Laugenbrezeln zu kaufen, ist wie Chanukka und Weihnachten zusammen. Deshalb habe ich uns aus großer Dankbarkeit einen Chanukka-Busch »organisiert« (die Äste klaute ich von einer Kiefer im Wald bei Jerusalem), selbst ein lustiges Mainzelmännchen baumelt an einem Zweig, mein Sommer ist immer bei mir.
Wir zünden die Kerzen an, schlemmen Sufganiot mit den Kindern und abends, als wir dann endlich im Bett liegen, flüstert der Mann: »Siehst Du? BrUt. Mit u. Wie in ChanUkka …«