Analyse

»Bibi« ist zurück

Der Vorsitzende der Likud-Partei und ehemalige israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu Foto: picture alliance/dpa

Viel stand für den früheren Regierungschef Benjamin Netanjahu bei der Parlamentswahl in Israel auf dem Spiel. Am Tag der fünften Wahl in nur dreieinhalb Jahren gab der Oppositionsführer - gegen den aktuell ein Korruptionsverfahren läuft - noch mal alles.

Er richtete dramatische Appelle an seine Wählerschaft und holte selbst einen jungen Mann aus dem Bett, um ihn zum Wählen zu animieren.

Am Ende scheinen sich seine Notrufe in der letzten Minute ausgezahlt zu haben. Nach Auszählung fast aller Stimmen geht seine Partei, der rechtskonservative Likud, als stärkste Kraft hervor. Sein Lager - das erstmals eine rechtsextreme Partei umfasst - kann sich über eine deutliche Mehrheit der Sitze freuen.

Extrem rechts wieder salonfähig

Damit könnte die zukünftige Regierung unter Netanjahu so rechts werden wie noch nie zuvor in der Geschichte Israels. Zu seinem Pro-Bibi-Lager gehört etwa die Religiös-Zionistische Partei von Bezalel Smotrich und Itamar Ben-Gvir. Das rechtsextreme Bündnis, das von Netanjahu vermittelt wurde, ging bei der Wahl als drittstärkste Kraft hervor und vertritt extrem radikale Positionen. Vor der Wahl titelte die israelische Zeitung »Times of Israel« bereits, dass sie: »Bis zum Äußersten gehen, so weit wie es selbst Europas Extreme nicht wagen würden«.

Vor wenigen Jahren hatte Netanjahu noch eine Zusammenarbeit mit Ben-Gvir ausgeschlossen. Nun könnte das Bündnis dem Langzeit-Regierungschef allerdings in seinem Korruptionsprozess in die Hände spielen. Smotrich hatte bereits ein radikales Programm angekündigt, um das Justizsystem in Israel zu schwächen.

Er strebt etwa die Streichung der Delikte Untreue und Betrug aus dem Gesetz an - was auch die Aufhebung des Verfahrens gegen Netanjahu bewirken könnte. Der Direktor des Israelischen Demokratie-Instituts, Jochanan Plesner, warnt, dass durch die Umsetzung die Gewaltenteilung geschwächt und Israel der systematischen Korruption ausgesetzt werden könnte.

Verurteilter Rassist mit Regierungsverantwortung

Smotrich selbst strebt »die Einrichtung einer rechten, jüdischen, zionistischen und nationalen Regierung« an, wie er am Wahlabend sagte. Seine Anhänger feierten ihn bereits als »den neuen Verteidigungsminister«.

Sein politischer Partner, der rechtsextreme Ben-Gvir, gilt als politischer Brandstifter. Erst kürzlich zückte er bei Auseinandersetzungen mit Palästinensern in Ost-Jerusalem eine Waffe. Generell sollte seiner Ansicht nach mehr »mit scharfer Munition gegen palästinensische Randalierer« geschossen werden.

Der bereits wegen rassistischer Hetze verurteilte 46-Jährige strebt das Ministerium für innere Sicherheit an - und hätte damit auch die Polizei unter sich. Das Westjordanland will er annektieren, die arabische Bevölkerung zum Auswandern animieren: Europa brauche »arbeitende Hände«, sagt er.

Doch das Bündnis könnte für Netanjahu auch unbequem werden. Netanjahu müsse das Lager bändigen und es werde schwierig werden, sie im Zaum zu halten, sagt Politikwissenschaftlerin Gail Talschir von der Hebräischen Universität. Als Preis für ihre Stimmen würden Smotrich und Ben-Gvir hohe Gegenleistungen erwarten.

Weitreichende Folgen für die Region

Das Thema Sicherheit steht bei Wahlen in Israel immer an oberster Stelle und könnte den Erfolg des rechten Lagers verstärkt haben. Aber auch die hohe Wahlbeteiligung von mehr als 70 Prozent spielte Experten zufolge bei der Niederlage des Anti-Bibi-Lagers eine Rolle. Die Spannungen im Westjordanland hatten zuletzt wieder deutlich zugenommen. Täglich kommt es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen, Anschläge von Palästinensern und Razzien der israelischen Armee.

Während sich der derzeitige liberale Ministerpräsident Yair Lapid zuletzt überraschend deutlich für einen Palästinenserstaat ausgesprochen hatte, dürfte der brachliegende Friedensprozess unter Netanjahu eine untergeordnete Rolle spielen. Dagegen dürfte Bibi nach Ansicht von Politikwissenschaftlerin Talschir den Verteidigungskampf gegen den Iran - wie bereits in seinen vorherigen Amtszeiten - ins Zentrum seiner Agenda rücken. Israel wird vom Iran existentiell bedroht.

Und auch in anderen Bereichen in der Außenpolitik seien Veränderungen zu erwarten, sagt Talschir. Während Lapid sich international auf liberale Verbündete konzentrierte, sei es wahrscheinlich, dass Netanjahu erneut die Nähe zu anti-liberalen Staatschefs wie in Ungarn oder Polen anstrebe.

Auch eine Rückkehr des früheren US-Präsidenten Donald Trump würde Bibi demnach in die Karten spielen. Trumps Nachfolger Joe Biden ist etwa als Kritiker der umstrittenen israelischen Siedlungspolitik bekannt, die Trumps Regierung unterstützt hatte.

Ehrenrettung

Stille, Salz und Sonnenlicht

Das Tote Meer landete auf der weltweiten Rangliste der Sehenswürdigkeiten auf dem zweitschlechtesten Platz – völlig zu Unrecht, findet unsere Korrespondentin

von Sabine Brandes  08.12.2025

Medienbericht

Donald Trump will Benjamin Netanjahu Ende Dezember treffen

Israelischen Medien zufolge soll es bei dem Treffen am 29. Dezember um die zweite Phase des Friedensplans gehen

 08.12.2025

Eurovision Song Contest

»Ihr wollt nicht mehr, dass wir mit Euch singen?«

Dana International, die Siegerin von 1998, über den angekündigten Boykott mehrerer Länder wegen der Teilnahme Israels

 08.12.2025

Nahost

Netanjahu: Israel bleibt in Pufferzone im Süden Syriens

Syriens Übergangspräsident al-Scharaa wirft Israel vor, »Geister zu bekämpfen«. Eine Lösung im Streit um ein Gebiet an der Grenze scheitert noch an unterschiedlichen Vorstellungen

 08.12.2025

Nahost

Katar und Türkei wollen keine vollständige Entwaffnung der Hamas

Israel vor neuen diplomatischen Manövern: Katar und die Türkei versuchen, die im ursprünglichen Gaza-Plan vorgesehene vollständige Entwaffnung der palästinensischen Terrororganisation Hamas zu verwässern

 08.12.2025

Nahost-Krieg

Israels Armeechef: Gelbe Linie bildet operative Grenze zum Gazastreifen

Laut Eyal Zamir gibt es nun einen Schutzriegel für die israelischen Gemeinden am Rand Gazas

 08.12.2025

Jerusalem

Netanjahu sieht »historischen Wandel« in Rüstungskooperation

»Nicht nur Deutschland arbeitet für die Verteidigung Israels, sondern Israel, der jüdische Staat, arbeitet 80 Jahre nach dem Holocaust für die Verteidigung Deutschlands«, sagt der Ministerpräsident

 08.12.2025

Gaza

Wie die Hamas Hilfsorganisationen gefügig machte

Einer Auswertung von »NGO Monitor« zufolge konnten ausländische Organisationen in Gaza nur Hilsprojekte durchführen, wenn sie sich der Kontrolle durch die Hamas unterwarfen

von Michael Thaidigsmann  08.12.2025

Israel

Drei Brüder werden an einem Tag Väter - von vier Kindern

Zwillinge inklusive: Drei Brüder und ihre Partnerinnen schenken den Großeltern an einem Tag vier Enkel. Wie es zu diesem seltenen Familienglück kam

von Sara Lemel  08.12.2025