Terror

Avigails traurigster Geburtstag

Avigail Idan lacht aus vollem Herzen. Man kann die Freude förmlich spüren, die das kleine israelische Mädchen auf dem Foto ausstrahlt. Vielleicht spielt es gerade mit ihren Eltern oder Geschwistern. Oder es feiert ihren Geburtstag mit einem Blumenkranz auf dem Kopf, wie in Israel üblich. An ihrem vierten Geburtstag werden keine Blüten ihr lockiges Haar schmücken. Die kleine Avigail ist Geisel in Gaza. Allein.

Denn ihre Eltern, Smadar und Roye Idan, wurden von den Terroristen der Hamas ermordet. Vor ihren Augen. Das Schicksal von Avigail bricht jedem Menschen, der davon hört, das Herz.

Roye Idan war Fotograf für israelische Zeitungen

Am Morgen des 7. Oktober war Avigails Vater, Roye, einer der ersten Israelis, der bemerkte, was vor sich ging. Idan war Fotograf für israelische Zeitungen, der im Kibbutz Kfar Aza in der Nähe des Gazastreifens im Süden Israels lebte. In den frühen Morgenstunden rannte er nach draußen, um die ersten Bilder der Angriffe einzufangen. Offenbar wusste er nicht, wie akut die tödliche Gefahr ist. Über ihm flogen immer mehr bewaffnete Terroristen auf Drachenfliegern durch den Himmel.

Als er den Ernst der Lage erkannte, rannte er zurück nach Hause, doch die Terroristen hatten bereits seine Frau Smadar getötet. Wenige Augenblicke darauf wurde auch Roye vor dem Haus der Familie durch Schüsse schwer verwundet. Seine drei Kinder Michael und Amalya, neun und sechs Jahre alt, und die dreijährige Avigail mussten ansehen, wie ihr Vater starb.

Die beiden größeren Kinder rannten zurück ins Haus und versteckten sich 14 Stunden lang neben der Leiche ihrer Mutter in einem Schrank. Währenddessen telefonierten sie flüsternd mit dem Rettungsdienst, bis schließlich Soldaten der israelischen Armee eintrafen und die Kinder retteten.

»Ihre Eltern wurden vor ihren Augen getötet, ihr Bruder und ihre Schwester versteckten sich 14 Stunden neben der toten Mutter im Schrank.«

Angehörige Sophie plapp

Doch die kleine Avigail war nach dem Angriff in völliger Panik fortgerannt und durch die Gegend geirrt, verschmiert von dem Blut ihres Vaters. Ein Nachbar aus dem Kibbutz, Avichai Brodutch, entdeckte sie, als er außerhalb seines eigenen Hauses versuchte, Terroristen zu bekämpfen. Er brachte das Mädchen zu seiner Frau Hagar und den eigenen drei Kindern, die sich im Schutzraum ihres Hauses verbarrikadierten. Als er zurückkam, waren Hagar, seine Kinder und Avigail verschwunden. Später wurde der Familienvater von der israelischen Regierung informiert, dass alle wahrscheinlich von der Hamas in den Gazastreifen verschleppt wurden.

US-Präsident Joe Biden hatte sich persönlich für Avigail eingesetzt. Bei einem Telefonat mit dem Emir von Katar über eine mögliche Freilassung von Geiseln gab der Präsident bekannt, dass sie die jüngste amerikanische Geisel ist, die in Gaza festgehalten wird. Ihre Mutter Smadar hatte, wie Avigail, neben der israelischen auch die amerikanische Staatsangehörigkeit.

Eine Verwandte sprach vor einigen Tagen bei einer Veranstaltung im Capitol Arizonas über die grauenvollen Umstände der Entführung des Kindes. Sophie Plapp ist die Cousine von Avigails Großmutter. Mit einem Poster der Dreijährigen in der Hand erzählte sie mit tränenerstickter Stimme: »Ihre Eltern wurden vor ihren Augen getötet, ihr Bruder und ihre Schwester versteckten sich 14 Stunden neben der toten Mutter im Schrank.«

Menschen in aller Welt backen Avigails Lieblingskuchen

Ihr fehlten die Worte, um das Gefühl zu beschreiben, »außer zu sagen, dass ihre Großmutter und ich Holocaust-Überlebende der zweiten Generation sind. Alle Geschichten, die sie uns über die Nazis erzählt haben, sind plötzlich wieder da – und Realität geworden.«

Seit sieben endlosen Wochen hat die völlig verzweifelte Familie kein einziges Lebenszeichen von Avigail erhalten. Ihr Bruder Michael und ihre Schwester Amalya leben jetzt bei ihrer Tante und ihrem Onkel. Sie alle wollen nur eins: Avigail endlich wieder in die Arme schließen.

Menschen in aller Welt, die vom Schicksal des kleinen Mädchens berührt sind, backen am vierten Geburtstag von Avigail ihren Lieblingskuchen – Schokolade mit bunten Streuseln – und teilen Bilder davon auf den sozialen Netzwerken. »Happy Birthday« singen sie nicht. Sie wissen, dass dies der traurigste Geburtstag der Welt sein wird. Doch eins wünschen alle der vierjährigen Israelin von Herzen: einen »Geburtstag in Freiheit«.

Luxemburg

Kallas: EU-Sanktionen gegen Israel weiter auf dem Tisch

Allerdings ist die Europäische Union von einer qualifizierten Mehrheit für die von der EU-Kommission vorgeschlagenen Strafmaßnahmen noch weiter entfernt als vor zwei Wochen

von Michael Thaidigsmann  20.10.2025

Gazastreifen

Hamas übergibt weiteren Leichnam

Sollte sich die Identität des Leichnams bestätigen, verblieben noch 15 Geiseln in der Gewalt der Terroristen

 20.10.2025

Wieder zu Hause

Leibspeisen und Lieblingssänger für die Ex-Geiseln

In den Krankenhäusern spielten sich in den vergangenen Tagen emotionale Szenen ab. Die befreiten Geiseln kehren langsam wieder ins Leben zurück

von Sabine Brandes  20.10.2025

Gazastreifen

Hamas will weiteren Geisel-Leichnam übergeben

Die israelische Armee bereitet sich darauf vor, die sterblichen Überreste am Montagabend zu empfangen

 20.10.2025

Abkommen

»Trump meinte, die Israelis geraten etwas außer Kontrolle«

Die Vermittler Steve Witkoff und Jared Kushner geben im Interview mit »60 Minutes« spannende Einblicke hinter die Kulissen der Diplomatie

von Sabine Brandes  20.10.2025

Israel

WIZO trauert um Ehrenpräsidentin Tova Ben-Dov

Sechs Jahrzehnte lang widmete sie sich der WIZO. Nun ist Tova Ben-Dov im Alter von 88 Jahren in Israel gestorben

 20.10.2025

Jerusalem

Benjamin Netanjahu will 2026 wieder kandidieren

Der Ministerpräsident zeigt sich auch bezüglich der nächsten Wahlen selbstbewusst

 20.10.2025

Nahost

»Wir zählen nicht mehr die Minuten«

Die Geschwister der freigelassenen Geisel Evyatar David haben sich vermutlich ein letztes Mal an die Öffentlichkeit gewandt - und ein Statement ihres Bruders verlesen

 20.10.2025

Abnehmen

Israelische Studie: Hypnose statt Magenverkleinerung funktioniert

Im Jerusalemer Hadassah Medical Center stellt sich heraus: Hypnose-Behandlungen haben denselben Effekt wie risikoreiche Operationen

 20.10.2025