Jerusalem

Aus für »Kotel-Deal«

Gebet am Robinson-Bogen Foto: Flash 90

Aus Protest gegen den Beschluss des israelischen Kabinetts, die Einrichtung eines egalitären Abschnittes für Beterinnen und Beter an der Kotel zu stoppen, will die Jewish Agency ihre Beziehungen zur gegenwärtigen Regierung in Jerusalem überdenken. In einer Erklärung protestierte die Agency, die für Einwanderung von Juden aus aller Welt nach Israel zuständig ist, am Montag scharf gegen den Kabinettsbeschluss vom Sonntag.

Es ist das erste Mal in ihrer Geschichte, dass die Organisation eine Entscheidung der israelischen Regierung in dieser Form kritisiert. Zuvor hatte der Chef der Jewish Agency, Natan Sharansky, ein für Montag geplantes Abendessen mit Regierungschef Benjamin Netanjahu abgesagt.

Im vergangenen Jahr hatte die Regierung einem über Jahre ausgehandelten Kompromiss zugestimmt, damit Männer und Frauen, wie im liberalen und im konservativen Judentum üblich, gemeinsam auch an der Kotel beten können. Dafür sollte ein eigener Pavillon am südlichen Bereich des Kotel-Vorplatzes eingerichtet werden. Verschiedene Gruppierungen zogen anschließend vor den Obersten Gerichtshof, weil die versprochenen Baumaßnahmen nicht durchgeführt wurden.

Koalitionspartner
Die Richter setzten der Regierung eine Frist. Nun aber gab Netanjahu stattdessen seinen ultraorthodoxen Koalitionspartnern nach, die ausschließlich ein nach Geschlechtern getrenntes Gebet an der Kotel für legitim halten: Der »Kotel-Deal« wurde eingefroren.

Der Vorsitzende der Jewish Agency, Natan Sharansky, sagte: »Ich bin zutiefst enttäuscht über diese Entscheidung. Nach vier Jahren intensiver Verhandlungen hatten wir eine Lösung gefunden, die alle großen Gemeinschaften akzeptierten. Sie wurde von den jüdischen Gemeinden in der ganzen Welt begrüßt. Diese Entscheidung wird unsere Arbeit, Israel und die jüdische Welt enger zusammenzubringen, weitaus schwieriger gestalten.«

Vision Das Direktorium der Jewish Agency, das Agency’s Board of Governors, verabschiedete am Montag eine Erklärung, in der es hieß: »Wir missbilligen die Entscheidung der israelischen Regierung, die der Vision von Herzl, Ben Gurion und Jabotinsky, dem Geist der zionistischen Bewegung, der Idee von Israel als Heimat des gesamten jüdischen Volkes und der Kotel als einigendem Symbol für Juden in aller Welt widerspricht.«

Weiter teilte die Organisation mit: »Wir erklären, dass wir dies nicht zulassen können und werden. Wir rufen die Regierung Israels dazu auf, die Ausmaße ihrer Entscheidung zu erkennen, und ihren Kurs zu ändern.« Ebenso kritisierte die Jewish Agency eine weitere Kabinettsentscheidung von Sonntag, die das Monopol des ultraorthodox geprägten Oberrabbinats auf Konversionen in Israel zementiert.

Diaspora Der neue Vorsitzende des Board of Governors der Jewish Agency, Michael Siegal, sagte der Zeitung »Haaretz« am Montag: »Die israelische Regierung hat bestimmte Schritte unternommen, die das jüdische Volk bedrohen. Wir möchten, dass unsere Gemeinden (in der Diaspora) verstehen, dass Unterstützung für Israel nicht notwendigerweise Unterstützung für die israelische Regierung bedeutet.«

Unterdessen beauftragte Netanjahu zwei seiner Minister, einen neuen Plan zu entwerfen. Am Robinson-Bogen in der Nähe der Kotel werden bereits seit 2000 Gottesdienste für Männer und Frauen gemeinsam durchgeführt und von den Ultrafrommen toleriert. Doch den pluralistischen Gruppen reicht das nicht. Sie wollen ebenfalls einen offiziellen Zugang zur Kotel. Gesundheitsminister Yaakov Litzman von der ultraorthodoxen Partei Vereinigtes Tora-Judentum stellte allerdings seine Sicht eindeutig klar: Das Reformjudentum habe »keinen Zugang zur und keine Legitimation an der Kotel«.

USA
Das Aus für das Bauvorhaben an der Kotel ist auch ein Bruch des Versprechens, das die Netanjahu-Regierung den reformierten und konservativen jüdischen Gruppen in der Diaspora gegeben hatte. In den Vereinigten Staaten von Amerika leben rund drei Millionen Juden, die sich zur Reform- oder konservativen Bewegung zählen. Lediglich etwa zehn Prozent aller Juden in den USA bezeichnen sich selbst als orthodox.

Die New York Jewish Federation, die größte in Nordamerika, teilte am Montag mit: »Wir sind empört über die beiden Schritte der israelischen Regierung von gestern. Sie werden das Grundprinzip zerstören, dass Israel, unser jüdisches Heimatland, ein Ort ist, an dem alle Juden sich zu Hause fühlen können und müssen.« Die Organisation »Women of the Wall«, die sich jahrelang für einen egalitären Bereich an der Kotel eingesetzt hatte, protestierte ebenfalls. Die Regierung habe sich »von einer Handvoll Extremisten festnehmen lassen«, hieß es in einer Erklärung.

Auch Mitglieder der Koalition, allen voran Verteidigungsminister Avigdor Lieberman, kritisieren den Kabinettsbeschluss. Seine Partei Israel Beiteinu werde den Schritt nicht unterstützen, da er »schädlich für die Gesellschaft« sei.

Der aschkenasisch-ultraorthodoxe Oberrabbiner Israels, David Lau, äußerte sich ebenfalls am Montag. Leider versuchten »marginale Elemente, einen Kampf um das einstige Überbleibsel des heiligen Tempels zu entfachen, der als Ergebnis grundlosen Hasses zerstört wurde«, sagte Lau laut einem Bericht des Nachrichtensenders »Arutz Schewa«.

Sexualisierte Gewalt

Ex-Geisel: »Ich dachte, ich werde für immer ihre Sexsklavin sein«

Fast ein Jahr nach ihrer Freilassung spricht die junge Israelin Romi Gonen zum ersten Mal über ihre zutiefst verstörenden Erlebnisse in Gaza

von Sabine Brandes  26.12.2025

Israel

Zwei Tote bei Terrorangriff mit Auto und Messer

Palästinenser rammte Passanten mit seinem Auto und stach auf Frau ein – ein Sicherheitsmann schoss auf den Attentäter und verletzte ihn

 26.12.2025

Israel

Winterwarnungen und das Warten auf Schnee

Am Samstag zieht ein stärkeres Tiefdruckgebiet auf, begleitet von Starkregen, starken Winden und spürbarer Kälte

von Sabine Brandes  26.12.2025

Gazastreifen

Erneut tödlicher Zwischenfall

Israels Armee: Zwei Terroristen wurden getötet, die eine »unmittelbare Bedrohung« dargestellt hätten

 26.12.2025

ANU-Museum Tel Aviv

Jüdische Kultobjekte unterm Hammer

Stan Lees Autogramm, Herzls Foto, das Programm von Bernsteins erstem Israel-Konzert und viele andere Originale werden in diesen Tagen versteigert

von Sabine Brandes  25.12.2025

Sicherheit

Katz sagt erneut, Israel werde nicht komplett aus Gaza abziehen

Nach Kritik nach ähnlichen Äußerungen war der Verteidigungsminister zunächst zurückgerudert. Nun erklärt er: »Ich lege nie den Rückwärtsgang ein«

 25.12.2025

Israel

US-Botschafter: Iran zieht falsche Lehren aus Angriffen auf Atomanlagen

»Ich hoffe, sie haben die Botschaft verstanden, aber offenbar haben sie sie nicht vollständig verstanden«, sagte Mike Huckabee

 25.12.2025 Aktualisiert

Spionage-Verdacht in Israel

Ex-Premier Bennett im Visier des Iran

Ein israelischer Staatsbüger soll den einstigen Ministerpräsidenten Naftali Bennett ausspioniert haben. Dem Verdächtigen steht eine Anklage bevor

von Sabine Brandes  25.12.2025

Israel

Regierung will Waffenproduktion des Landes ausbauen

Laut Premier Netanjahu ist dafür eine Summe von 93 Milliarden Euro vorgesehen – Lehre aus Rüstungsbeschränkungen verbündeter Staaten

 25.12.2025