Immobilien

Angst vor dem Rauswurf

Der orthodoxe Patriarch Theophilos III. (M.) vor der Grabeskirche in Jerusalem Foto: Flash 90

Der Skandal um die Verkäufe von Grundbesitz durch die Kirche zieht immer weitere Kreise. Nachdem vor allem das griechisch-orthodoxe Patriarchat große Teile seiner Ländereien an unbekannte Privatiers veräußert hat, um massive Schulden zu begleichen, geht die Angst bei Eigentümern um, dass sie ihre Häuser auf den betroffenen Grundstücken verlieren könnten. Die Regierung richtete derweil ein Komitee unter der Leitung des Ministers für regionale Kooperation, Zachi Hanegbi (Likud), ein, um zwischen beiden Seiten zu vermitteln.

Doch das Problem: Oft weiß niemand mehr, wer die andere Seite eigentlich ist. Denn die Nachforschungen der Verkäufe unter der Leitung von Patriarch Theophilos III., die 2011 begonnen hatten, enden oft an Briefkästen dubioser Firmen auf karibischen Inseln. Die Hauseigentümer werden vorab nicht über die Aktionen informiert und stehen oft völlig perplex da, wenn ihnen davon berichtet wird. Angeblich ist bereits der Großteil des gesamten Grundbesitzes auf diese Weise an zwielichtige Käufer gegangen. Die Preise der Immobilien in den betreffenden Gegenden fielen rapide.

Schleuderpreis In einer Eigentümerversammlung in der vergangenen Woche trat zum ersten Mal der vom Justizministerium eingesetzte Beauftragte in dieser Angelegenheit, der stellvertretende Generalstaatsanwalt Erez Kamenitz, in Erscheinung. Er versuchte, die Anwesenden zu beruhigen und erklärte, dass die Regierung »derzeit hart daran arbeitet, eine Lösung zu finden«. Er rief die rund 400 Anwesenden dazu auf, sich einen Verkauf der Immobilien derzeit besonders gut zu überlegen, da die Lage ausgenutzt werden könnte. Man solle besser warten, bis Klarheit herrsche.

Bei einigen allerdings haben schon Immobilienhaie an der Tür geklingelt, berichteten sie. Eine Familie habe gerade Schiwa gesessen, als jemand die Angehörigen bedrängte, das Haus des gerade Verstorbenen sofort – und zum Schleuderpreis – zu veräußern. Bei anderen hätten Beauftragte der neuen Grundstückseigentümer ein Angebot für einen Landkauf unterbreitet – »da sonst nicht garantiert werden kann, dass sie weiter im Haus wohnen bleiben können«, habe es geheißen.

Trotz der großen Unsicherheit der Betroffenen beschwor auch Rachel Azaria, Knessetabgeordnete der Partei Kulanu, die Anwesenden: »Verkauft nicht!« Einige allerdings äußerten Bedenken, dass der Wert ihrer Immobilien mit jedem Tag weiter falle. »Denn«, sorgte sich ein Mann, »niemand weiß, wem der Boden gehört, auf dem mein Haus steht. So etwas kauft doch keiner. Ich weiß ja selbst nicht mehr, ob es überhaupt meine eigenen vier Wände sind.«

Ersparnisse Tatsächlich herrscht derzeit völlige Ungewissheit. Für die Eigentümer, die oft ihre gesamten Ersparnisse in die Häuser investiert haben und planten, sie ihren Kindern und Enkeln zu vermachen, eine schier unerträgliche Situation. »Meine Frau weint nur noch«, erzählte ein fast 80-jähriger Bewohner des Jerusalemer Stadtteils Rehavia in einem Fernsehinterview. »Das Haus ist alles, was wir haben. Sie hat so große Angst, dass wir im hohen Alter obdachlos dastehen werden.«

Auf die Frage des Reporters, wie man überhaupt ein Stück Land bebauen konnte, das einem nicht gehört, antwortete der Betroffene, dass dies damals völlig normal gewesen sei. Der Pachtvertrag sei für 99 Jahre von der seriösen staatlichen Behörde Israels für Grund und Boden ausgestellt worden. »Es war klar, dass dieser Pachtvertrag verlängert wird. Das hat keiner angezweifelt. Und natürlich hätte niemand gedacht, dass wir bestohlen werden.« Doch für viele sieht es heute genau danach aus.

Azaria will dagegen etwas unternehmen und brachte einen Gesetzesvorschlag ein, der besagt, dass Kirchenland, das an private Käufer veräußert wurde, verstaatlicht werden kann. Bürgermeister Nir Barkat kündigte zudem an, die jahrzehntelangen Steuerbefreiungen für Kirchenland, auf dem keine Gotteshäuser stehen, abzuschaffen. Aus Protest schlossen die Vertreter der christlichen Konfessionen prompt die Eingangstore der Grabeskirche in Jerusalem. Das Nachsehen hatten die Gläubigen, die draußen bleiben mussten. Viele von ihnen sind Pilger aus dem Ausland.

intention Azaria, die von der Kirche scharf kritisiert wurde, klärte anschließend auf, dass ihre Intention missverstanden wurde. »Es geht nicht um Enteignungen von Grund und Boden der Kirche, sondern um Ländereien, die bereits verkauft sind, sowie den Schutz von Hauseigentümern. Das ist eine humanitäre Angelegenheit.«

Außerdem sei es nicht hinnehmbar, dass große Flächen in der Hauptstadt jemandem gehörten, der sich nicht zu erkennen gibt. Premier Benjamin Netanjahu aber vertagte die Diskussionen um die beiden Streitpunkte, um zwischen der Regierung und den Kirchenvertretern zu schlichten. Die Grabeskirche wurde mittlerweile wieder geöffnet, die Unsicherheit jedoch bleibt.

Die griechisch-orthodoxe Kirche verfügt nach der staatlichen Behörde für Grund und Boden über die größte Fläche an Ländereien. Im 19. Jahrhundert hatten die Kirchen sie für die Landwirtschaft erworben. Heute sind es oft lukrative Gegenden, neben Jerusalem in Jaffa, Caesarea, Nazareth und an anderen Orten.

pacht Nach der Staatsgründung verpachteten die Kirchenoberen viele Grundstücke an verschiedene Quasi-Staatsorganisationen wie die Landbehörde, Keren Kayemeth LeIsrael, den Jewish National Fund (JNF) oder die Natur- und Parkbehörde. Die Laufzeit dieser Verträge beträgt 50 oder 99 Jahre. Bei mehr als 1500 Hauseigentümern laufen sie in weniger als 20 Jahren aus. Infolgedessen könnten Bauten auf dem Land an die Käufer der Grundstücke übergehen. Zudem macht dies einen Verkauf nahezu unmöglich. Banken weigern sich, die betreffenden Immobilien derzeit als Sicherheit zu akzeptieren, »bis die Situation eindeutig ist«.

Der stellvertretende Generalstaatsanwalt Kamenitz hörte sich die Sorgen an und erläuterte, dass man oft durch Verhandlungen eine Lösung finden kann. »Allerdings kann man niemanden dazu zwingen, seine Eigentumsrechte abzugeben. Dann muss man in eine neue Phase eintreten – die der Enteignung, entweder durch Gesetzgebung oder Maßnahmen der Regierung.«

Jedoch gebe es dabei Schwierigkeiten, räumte er ein: Denn in einigen Fällen wisse niemand, wer der Käufer ist. Außerdem sei nicht klar, ob die Regierung die Kompensationszahlungen im Falle von Enteignungen übernehmen würde. Eine Garantie, gab er schließlich unumwunden zu, könne er für gar nichts geben. »Ich bin nicht hergekommen, um Versprechungen zu machen.«

Netanjahu fordert »entmilitarisierte Pufferzone« in Syrien

 02.12.2025

Israel

Israel erhält »Befunde« aus Gazastreifen

Israel wartet auf die Übergabe der beiden letzten getöteten Geiseln durch die Hamas. Nun ist die Rede von »Befunden«, die übermittelt worden seien. Der genaue Hintergrund ist unklar

 02.12.2025

Ehemalige Geiseln

»In Gaza war ich wie ein toter Mensch«

Der junge Israeli Alon Ohel erlebte in den Tunneln der Hamas unvorstellbare Qualen und sexuelle Gewalt. Jetzt spricht er zum ersten Mal darüber

von Sabine Brandes  02.12.2025

Berlin

Israel-Flagge vor Rotem Rathaus eingeholt

Nach mehr als zwei Jahren wurde die Fahne am Dienstag vom Mast geholt. Die Hintergründe

 02.12.2025

Westjordanland

Messer- und Autoangriff auf israelische Soldaten

Innerhalb weniger Stunden kam es zu gleich zwei Anschlägen auf Vertreter des israelischen Militärs

 02.12.2025

Tel Aviv

Was passiert nach Netanjahus Begnadigungsantrag?

Versuche, die Prozesse durch eine Absprache zu beenden, gab es bereits. Selbst die Richter regten eine Einigung an. Wie steht es um die beantragte Begnadigung?

 01.12.2025

Meinung

Gratulation!

Warum die Ehrung der ARD-Israelkorrespondentin Sophie von der Tann mit dem renommierten Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis nicht nur grundfalsch, sondern auch aberwitzig ist

von Lorenz Beckhardt  01.12.2025 Aktualisiert

Ehemalige Geiseln

»Eli war wie ein Vater für mich«

Alon Ohel und Eli Sharabi treffen sich nach der Freilassung zum ersten Mal wieder

von Sabine Brandes  01.12.2025

Haifa

Nach abgesagter Auktion: Holocaust-Zeugnisse jetzt in Israel

Die geplante Versteigerung von Holocaust-Zeugnissen in Deutschland hatte für große Empörung gesorgt. Nun wurden viele der Objekte nach Israel gebracht und sollen dort in einem Museum gezeigt werden

von Sara Lemel  01.12.2025