Interview

»Impulse für die Mitglieder«

Zentralratspräsident Josef Schuster über Schwerpunkte des viertägigen Treffens im Dezember in Berlin

von Katrin Richter  02.12.2019 21:56 Uhr Aktualisiert

Zentralratspräsident Josef Schuster beim Gemeindetag 2016. Foto: Marco Limberg

Zentralratspräsident Josef Schuster über Schwerpunkte des viertägigen Treffens im Dezember in Berlin

von Katrin Richter  02.12.2019 21:56 Uhr Aktualisiert

Herr Schuster, vom 19. bis zum 22. Dezember 2019 lädt der Zentralrat der Juden zum Gemeindetag nach Berlin ein. Das Motto lautet: »In Deutschland zu Hause«. Ist das ein Motto mit Ausrufe- oder mit Fragezeichen?
Gedanklich eher mit Ausrufezeichen, wobei wir im Rahmen des Gemeindetags dieses Leitmotiv von allen Seiten beleuchten wollen und dabei auch die Fragezeichen nicht aussparen werden – und auch nicht aussparen wollen. Wir wollen klarmachen, dass Deutschland ein Land ist, in dem jüdische Menschen leben können und leben wollen.

Es ist ein Gemeindetag in Zeiten wachsenden und immer offener zutage tretenden Antisemitismus. Welchen Einfluss hat dieses Thema auf die Gestaltung von Workshops und Diskussionen?
Es wird ein, aber nicht das ausschließliche Thema sein. Wir werden uns natürlich mit diesem Problem beschäftigen, aber es wird kein Gemeindetag sein unter dem Motto: Antisemitismus in Deutschland. Wie sieht er aus? Was können wir tun? Das ist ein Punkt von vielen.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wird den Gemeindetag des Zentralrats eröffnen. Welches Zeichen ist das für Sie?
Der Bundespräsident hat in diesem Jahr bereits mehrere Zeichen gesetzt: Frank-Walter Steinmeier war beispielsweise beim Festakt zum 40-jährigen Bestehen der Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg. Im Oktober wird er auch zu zehn Jahren ELES sprechen. Nach dem antisemitischen Angriff auf Rabbiner Teichtal hat der Bundespräsident einen Solidaritätsbesuch abgestattet. Das sind klare Signale – und so verstehe ich ihn auch im persönlichen Gespräch – für jüdisches Leben in Deutschland.

Sie waren im Juni in Döbeln und haben sich dort mit Schülern des Lessing-Gymnasiums über Toleranz unterhalten. Welche Impulse nehmen Sie aus dieser Diskussion zum Gemeindetag mit?
Gerade in Döbeln – einer kleineren Stadt zwischen Dresden und Leipzig – hat es mich fasziniert, dass es dort seit beinahe 20 Jahren ein Wahlfach »Judentum« gibt, das auch viele Interessenten findet. Ich weiß nicht, ob es einen direkten Zusammenhang gibt oder nicht, aber Fakt ist, dass in Döbeln der Anteil der AfD-Wähler – er lag ja bei der Europawahl in Sachsen bei 30 Prozent – »nur« 20 Prozent betrug. Für mich bedeutet das: In dem Moment, in dem junge Menschen mit einem Thema wie dem Judentum vertraut gemacht werden, ist das der beste Schutz vor rechtspopulistischem und rechtsextremem Gedankengut.

Der Gemeindetag ist auch eine Gelegenheit, den Blick auf die Gemeinden zu richten. Welche Herausforderungen sehen Sie?
An erster Stelle steht, jüngere und junge Erwachsene enger an die Gemeinden zu binden und attraktive Angebote für sie zu machen. Gerade beim Einstieg ins Berufsleben und bei der Familiengründung bleibt oft wenig Zeit für Aktivitäten in der Freizeit. Da steht dann häufig anderes als Engagement in einer Gemeinde im Vordergrund. Auch die Menschen in dieser Lebensphase in der Gemeinde zu halten, ist für uns ein ganz wichtiger Punkt, für den es gilt, alle Anstrengungen zu unternehmen. Darüber wollen wir auf dem Gemeindetag sprechen.

Gibt es Fragen, die aus den Gemeinden an Sie herangetragen werden?
Das kommt immer wieder vor. Es beginnt mit den unterschiedlichen Denominationen innerhalb des Judentums, auch, wie man verschiedene religiöse Strömungen innerhalb einer Gemeinde unter einem Dach vereinen kann. Oder die Frage, wie man Programme für verschiedene Altersgruppen gestalten kann.

Auf dem Gemeindetag 2016 hat sich die Jüdische Studierendenunion Deutschland (JSUD) gegründet. Wie werden Themen für Studierende in den Gemeindetag mit einfließen?
In einzelnen Workshops und Vortragsveranstaltungen wird das diskutiert werden – gerade auch an die Studierenden gerichtet. Und wir werden über den jüdisch-christlich-muslimischen Trialog sprechen, wobei das nicht der Schwerpunkt unseres Gemeindetags sein wird.

Die vergangenen Gemeindetage zeichneten sich durch ein vielfältiges Kulturprogramm aus, das von Speed-Dating über Feldenkrais bis hin zu Vorträgen wie beispielsweise von Ruth Westheimer reichte. Was erwartet die Besucher in diesem Jahr?
Es wird ein sehr umfangreiches Programm sein, so viel können wir schon verraten. Wobei wir die Anzahl der Workshops ein wenig reduzieren beziehungsweise auch zeitlich etwas strecken wollen, weil wir die Erfahrung gemacht haben, dass wir zwar ein sehr breites Angebot hatten, viele aber bedauert haben, etliche Programmpunkte gar nicht wahrnehmen zu können, obwohl durchaus das Interesse vorhanden war.

Wie kann es den Teilnehmern gelingen, die positive Stimmung des Gemeindetags mit in die Gemeinden zu nehmen?
Vielleicht bietet es sich dieses Jahr allein schon wegen des Termins an – der Gemeindetag findet ja kurz vor Chanukka statt –, gerade eine solche Stimmung ganz schnell in die Gemeinde weiterzutragen. Ich hoffe natürlich, dass die Teilnehmer Impulse bekommen, auch über Chanukka hinaus Aktivitäten in den eigenen Gemeinden zu entfalten.

Auf dem Gemeindetag 2016 gab es den »Wunschbaum«, an den man seine Wünsche heften konnte. Was wäre Ihr Wunsch für 2019?
Dass es wieder ein fröhlich-informativer Gemeindetag wird, auf dem ich fast ausschließlich Menschen mit glücklichen Gesichtern sehe.

Mit dem Zentralratspräsidenten sprach Katrin Richter.

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