Filmfestival

Hollywood an der Havel

Unter dem Motto »No Fake Jews« hat am Dienstagabend das 24. Jüdische Filmfestival Berlin & Brandenburg (JFBB) begonnen. Die Eröffnungsgala fand im Hans Otto Theater in Potsdam statt. Brandenburgs Ministerpräsident und Schirmherr des Festivals, Dietmar Woidke (SPD), sagte in seiner Begrüßungsrede, dass auch dank dieses Festivals jüdisches kulturelles Leben aus der Region Berlin-Brandenburg nicht mehr wegzudenken sei.

»Die Festival-Filme in diesem Jahr bilden jüdisches Leben, die israelische Wirklichkeit oder auch die Lebenssituation in der Diaspora so authentisch wie irgend möglich ab«, sagte der Ministerpräsident. Dank der guten Kooperation mit Berlin stehe das Festival nun finanziell auf solideren Füßen als zuvor – für viele Festivalbesucher an diesem Abend eine gute Nachricht.

Engagement »Das Jüdische Filmfestival Berlin & Brandenburg ist auch deshalb so unverzichtbar in der Region, weil es ein entschiedenes Zeichen gegen Antisemitismus und Rassismus setzt«, sagte Woidke. Sein Dank galt insbesondere dem Engagement der Gründerin und langjährigen Festivaldirektorin Nicola Galliner, die Woidke Mitte Juni daher mit dem Verdienstorden des Landes Brandenburg ausgezeichnet hatte.

Unter den geladenen Gästen waren neben Schauspielern wie Clemens Schick und Regisseurin Adriana Altaras auch die beiden Berliner Schoa-Überlebenden Margot Friedländer und Hanni Lévy. Mit Blick auf die Verleihung der Ehrenbürgerwürde an Margot Friedländer im Roten Rathaus am gleichen Tag sagte Berlins Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD), dass das JFBB mit seinem vielfältigen Angebot ein breites gesellschaftliches Publikum anspreche.

Deshalb sei es bestens dafür geeignet, »Brücken der Toleranz und der Verständigung« zu bauen. Felix Klein, Antisemitismusbeauftragter der Bundesregierung, sagte, dass das Jüdische Filmfestival ein deutliches Ausrufezeichen gegen Judenhass und Diskriminierung setze. Jeder Angriff auf jüdisches Leben sei laut Klein »auch ein Angriff auf unsere Kultur«.

höhepunkt Der Gesandte der Amerikanischen Botschaft, Kent Logsdon, erklärte, dass das Jüdische Filmfestival Berlin & Brandenburg für ihn zu den jährlichen Höhepunkten des Kulturjahres in der Bundesrepublik gehöre. »Das Filmfestival bietet eine Plattform zum Gedenken an die Vergangenheit, aber es wirft auch die Frage auf, was es heißt, in der heutigen Zeit jüdisch zu sein«, sagte der Diplomat. Die US-Botschaft gehört seit einigen Jahren zu den Partnern des Filmfestivals.

Der Grünen-Politiker und Festivalpate Volker Beck machte deutlich, dass ein jüdisches Filmfestival wie das JFBB in Deutschland »einen Wert an sich« darstelle. »Das bunte Filmprogramm zeigt, dass jüdisches Leben und jüdische Kultur in Deutschland nicht nur Vergangenheit darstellen, sondern auch für Präsenz und Zukunft stehen«, so Beck.

Eröffnet wurde das JFBB mit der europäischen Premiere von Itzhak. Die New Yorker Regisseurin Alison Chernick gibt in ihrer sehr persönlichen Doku Einblicke in den Alltag des Ausnahmegei-
gers Itzhak Perlman und erzählt dessen außergewöhnliche Geschichte. Der israelische Musiker gilt als einer der bedeutendsten Violinisten unserer Zeit. »Das Filmfestival ist unverzichtbar in Berlin und Brandenburg.«

Königs Wusterhausen Bis zum 5. Juli stehen 42 aktuelle Spiel-, Dokumentar- und Kurzfilme auf dem Festivalprogramm. Damit ist das JFBB eines der größten Festivals für jüdische und israelische Filmkunst in Europa. Die Filme werden in insgesamt 13 Spielstätten in Berlin, Potsdam, Königs Wusterhausen und Brandenburg an der Havel gezeigt.

Anlässlich des 70. Jahrestages der Unabhängigkeit Israels steht das Land im besonderen Fokus des Festivals. Mit insgesamt 16 in Israel produzierten Filmen sollen Widersprüche und Vielfältigkeit des Landes jenseits des Nahostkonflikts und medialer Stereotype dargestellt werden. Ein filmisches Highlight dabei ist der animierten Dokumentarfilm Kishon.

In dem Film wird der Privatmensch Ephraim Kishon vorgestellt und seine verschiedenen Facetten als Schoa-Überlebender, Ehemann, Vater und Schriftsteller beleuchtet. Zu der Premierenvorführung am 28. Juni werden neben Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) auch Kishons Sohn Rafi und seine Enkelin Gaya Kishon erwartet.

hommage Neben dem Fokus auf Israel ist ein weiteres Novum des Filmfestivals in diesem Jahr die große Präsenz von weiblichen Filmemachern. Von den 42 Beiträgen stammen 13 Filme von Regisseurinnen. In der Deutschlandpremiere ihres Dokumentarfilms Geniale Göttin etwa erzählt die Amerikanerin Alexandra Dean die bewegte Geschichte des 1914 in Wien geborenen späteren Hollywoodstars Hedy Lamarr.

Die Schauspielerin, die zu Lebzeiten als schönste Frau der Welt galt, war nicht nur eine gefragte Darstellerin, sondern auch aktive Gegnerin des Nationalsozialismus und Wissenschaftlerin. So half sie etwa ihrem Freund, die Grundlagen für die WLAN-Technologie zu schaffen, um die Nazis zu bekämpfen. Ihre Mitarbeit an der bahnbrechenden Erfindung war lange Zeit völlig unbekannt. Die Hommage an die Filmdiva und Erfinderin im Filmmuseum Potsdam gehört zu den Highlights des Festivals.

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