zusammenarbeit

Wissen schützt

von Holger Biermann

Was kann man tun gegen Antisemitismus? Diese Frage stellen sich viele Mitglieder der jüdischen Gemeinde in Frankfurt (Oder), seit es am 9. November vergangenen Jahres in der Stadt zur Schändung eines Gedenksteins für die ehemalige Synagoge kam. Rechtsextreme Jugendliche im Alter von 14 bis 19 Jahren hatten Kränze und Blumen von dem Stein getreten und auf diesen uriniert. Inzwischen sind die Täter bekannt, doch an ihrer hasserfüllten Einstellung hat sich wenig geändert. Vor Gericht erklärten die drei Jungen und zwei Mädchen, dass sie »von Juden nichts halten« und beriefen sich dabei auf Hitler, den »die Juden« nicht an der Wiener Kunsthochschule hätten studieren lassen.
Solche Aussagen erschrecken. Sie zeugen von Vorurteilen und großer Unkenntnis gegenüber Mitmenschen und der eigenen Geschichte. Einer Unkenntnis, die weit verbreitet ist und gegen die sich die jüdische Gemeinde der Oderstadt vorgenommen hat anzugehen. Ziel ist es, Berührungsängste gegenüber Juden abzubauen. Aus diesem Grund lud Bürgermeisterin Katja Wolle vergangene Woche die 28 Schulleiter der Stadt zu ihrer turnusmäßigen Sitzung ins jüdische Gemeindehaus ein. Für viele der versammelten Lehrer war es der erste intensive Kontakt mit jüdischem Leben in ihrer Stadt.
Interessiert lauschten sie einem Vortrag über die Entwicklung der Gemeinde, erfuhren von ihrer ersten Erwähnung Ende des 12. Jahrhunderts, von der Zerschlagung durch die Nationalsozialisten und von ihrer Neugründung durch Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion im Juni 1998. »Damals, vor 9 Jahren, bestand die Gemeinde aus 38 Mitgliedern. Heute sind es 230«, erklärte Yosyp Vaysblat, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Frankfurt (Oder). Innerhalb weniger Jahre habe man es geschafft, aus einem Zuwanderertreff eine aktive Gemeinde zu formen, die allerdings immer noch auf der Suche nach der eigenen religiösen Identität ist. Um dies zu verdeutlichen, lud Vaysblat die Sitzungsteilnehmer zu einem Rundgang durch das Haus ein.
Er zeigte ihnen das Gedenkzimmer, den Gebetssaal, ein Ausstellungszimmer sowie eine umfangreiche Galerie mit Bildern zu jüdischen Themen im Flur. Vaysblat führte seine Gäste bis unters Dach, wo sie den Vereinsraum des Makkabi-Sportklubs besichtigten, und er zeigte ihnen die Jugendzimmer im Keller. Räume, die allesamt in den vergangenen zwei Jahren und mit geringsten finanziellen Mitteln aufgebaut und hergerichtet wurden. »Inzwischen besuchen uns rund 20 Gäste pro Monat und dies ganz unabhängig von den Fest- und Feiertagen«, sagte Yosyp Vaysblat und ermutigte die Lehrer, doch bitte wiederzukommen und ihre Schüler mitzubringen: »Wir sind ein offenes Haus.«
Wie solch ein Vorbeikommen aussehen könnte, zeigt das Beispiel einer Schulklasse aus der Frankfurter Umgebung, die im Rahmen eines Projekttages im Dezember 2006 die jüdische Gemeinde besuchte. Die Kinder hörten Geschichten, spielten mit Gemeindemitgliedern und probierten jüdische Speisen. »Ich möchte die Bewohner Frankfurts dazu einladen, diese Welt für sich zu entdecken«, sagte Bürgermeisterin Katja Wolle, die demnächst auch eine Sitzung mit 43 Kindergarten-Leiterinnen in das Haus der Gemeinde verlegen wird. Gleichzeitig rief sie die Mitglieder der Gemeinde dazu auf, sich noch stärker an Sprachkursen in Deutsch zu beteiligen.
Anwesend war bei dem Treffen der Schulleiter in der vergangenen Woche auch die Dichterin und Übersetzerin Karin Wolff, die allen Teilnehmern der Sitzung zwei Bücher als Pflichtlektüre empfahl. Zum einen Der Pianist – mein wunderbares Überleben von Wladystaw Szpilman, ein Buch, das Wolff selbst übersetzt hat, und zum anderen Im Garten der Erinnerung. Eine europäische Jahrhundertfamilie von Joanna Olczak-Ronikier. »Die Voraussetzung für jede Veränderung ist Wissen«, sagte Wolff eindringlich. Man müsse beginnen, genauer hinzusehen.
Zu Wort kam schließlich auch der Leiter der Polizeiwache Frankfurt (Oder), Hauptkommissar Hanjo Loose. In seiner Erklärung sprach er davon, seitens der Polizei die ganze Bandbreite an Möglichkeiten auszuschöpfen, um auftretende Fremdenfeindlichkeit deutlich zu bekämpfen. »Doch vor allem«, so Loose, »bedarf es klarer Aussagen jedes Einzelnen.« Eltern, Lehrer und Bürger seien aufgerufen, Warnsignale zu geben und sich latentem Antisemitismus entgegenzustellen. »Fremdenfeindliche Äu- ßerungen passieren stets aus Gruppen heraus. Eine breite Öffentlichkeit muss da sagen: Das lehnen wir ab.« Insgesamt sei die aktive rechtsextreme Szene in Frankfurt (Oder) allerdings überschaubar, sagt Loose. Es handle sich im Kern um rund 30 Personen. »Wir beobachten das ziemlich genau.«

Petition

Deutsche Prominente werfen Israel Völkermord vor

Die Unterzeichner verlangen eine Aussetzung von Rüstungsexporten

 05.06.2025

Bundestag

Wegen »Palestine«-Shirt: Linken-Abgeordnete des Plenarsaals verwiesen

Mit der politischen Botschaft auf ihrer Kleidung hatte Cansin Köktürk offenbar gegen die Regeln des Hauses verstoßen. Die Bundestagspräsidentin zog die Konsequenz

 04.06.2025

Medien

Presseschau zur Debatte um Deborah Feldmans »Weltbühne«-Artikel

In dem Blatt des umstrittenen Verlegers Holger Friedrich zieht die Autorin die Jüdischkeit des Chefredakteurs der Jüdischen Allgemeinen in Zweifel. In Zeitungskommentaren wird nun vernichtende Kritik an ihrem Text geübt

 26.05.2025

Israel

Geisel-Angehörige fordern Ende des »Albtraums«

Seit bald 600 Tagen hält die Hamas noch 58 lebende und tote israelische Geiseln im Gazastreifen fest. Israelis demonstrieren vehement für ihre Freilassung und fordern ein Ende des Krieges

 24.05.2025

Nachrichten

Strände, Soldat, Flüge

Kurzmeldungen aus Israel

von Sabine Brandes  21.05.2025

Sachsen-Anhalt

Sachsen-Anhalt: Verfassungsschutz sieht Demokratie bedroht

Im Osten ist die AfD besonders stark. Allerdings etablieren sich auch andere rechtsextremistische Bestrebungen

von Christopher Kissmann  19.05.2025

London

Nach antisemitischem Post: Lineker hört bei BBC auf

In den sozialen Medien teilt Gary Lineker einen Beitrag zum Israel-Gaza-Konflikt mit antisemitischer Konnotation. Nun zieht der frühere Fußballstar die Konsequenz

 19.05.2025

Erinnerungskultur

Beauftragter Klein will neues Konzept für NS-Gedenkstätten

Sie erinnern an die NS-Verbrechen und lenken den Blick auf die Gegenwart: Gedenkstätten. Sie bräuchten verlässlich Gelder und gut ausgebildetes Personal, sagt der Beauftragte der Bundesregierung gegen Antisemitismus

von Leticia Witte  19.05.2025

Berlin

»Israelfeindliche Schriftzüge« an Humboldt-Universität

Laut Polizei sind Fassaden am Haupt- und an einem Seiteneingang betroffen

 19.05.2025