Yoni Werchow

Vom Hörsaal aufs Spielfeld

von Martin Krauss

Mit einem Baseballschläger in der Hand ist Yoni Werchow noch nie durch eine deutsche Innenstadt gegangen. »Der steckt in meiner Tasche«, lächelt er. Man sieht dem freundlichen Mann, der im Hannoveraner Szenecafé »Spandau« seinen Milchkaffee trinkt, nicht an, dass er einer der besten israelischen Baseballspieler ist. Der 26-Jährige war bereits Spielertrainer der Hannover Regents, nun macht er als Assistenzcoach weiter. Angebote aus der israelischen Baseballprofiliga gab es auch schon.
Yoni Werchow sieht mit seinen kurzen, schwarzen Haaren aus wie die anderen Studenten im »Spandau«. Dunkler Teint, offenes Gesicht, heute nicht rasiert, und dass er Israeli ist, möchte man schon deswegen nicht glauben, weil er zum Treffen pünktlich kommt. Seit fast fünf Jahren lebt Yoni, eigentlich Yonathan Werchow, in Hannover. Hier studiert er Wirtschaftswissenschaften und wohnt mit seiner Freundin zusammen. »Ich habe sie in Israel kennengelernt«, sagt Werchow. »Aber sie stammt von hier und hat hier auch studiert.«
Werchow ist in Israel geboren. »Meine Familie stammt aus Polen und wanderte nach Argentinien aus. 1980 kamen meine Eltern nach Israel, ich kam zwei Jahre später zur Welt.« Werchows Wunsch war es, nach Amerika zu gehen, »dort Baseball zu spielen – davon hatte ich als Junge immer geträumt«. Nun hat es das Baseballtalent zu den Hannover Regents verschlagen, einem Klub aus der Bundesliga, der aber so wenig wichtig ist wie die gesamte Baseballbundesliga. »In Israel hat der Baseball ja auch keine große Bedeutung«, meint Werchow. Seinen Entschluss, nach Hannover zu gehen, hat er nie bereut. »Mir gefällt Deutschland.« Als er hierherkam, hat ihm nicht nur seine Freundin sehr geholfen, auch der Baseballsport. »Die Baseballspieler sind eine angenehme Gemeinde, hier kennt man sich.«
Baseball hatte bei Werchow schon für die erste Begegnung mit Deutschland gesorgt. Das war 1993, er war elf Jahre alt, und es ging zu einem Kinder-Baseballturnier auf der US-Airbase in Ramstein. »Wir sollten gegen Jordanien spielen«, erinnert er sich. »Aber die wollten nicht gegen uns antreten.« Die israelischen Kinder standen auf dem Feld, die jordanischen Kinder blieben auf der Bank hocken. »Als Kind findest du das komisch. Aber als israelisches Kind kennst du das Gefühl der Bedrohung und des Gehasstwerdens.« Die Trainer hatten miteinander verhandelt, das Ergebnis war: Die Kinder durften nicht miteinander spielen. Ein Jahr später, einen Monat bevor der Friedensvertrag zwischen Israel und Jordanien unterzeichnet wurde, kam es in Ramstein doch noch zu einer solchen historischen Baseballbegegnung. Doch da war Yoni Werchow schon zu alt.
In Hannover ist Werchow der einzige Jude in der Mannschaft, und mit einem Amerikaner zusammen ist er auch der einzige Ausländer. »Als wir in die erste Liga aufstiegen, hatte der Verein nicht die Mittel, um Amerikaner oder andere Ausländer zu verpflichten«, sagt Werchow.
Bis Ende der letzten Saison war Werchow Spielertrainer, also Coach und Spieler in Personalunion. »Ich erhielt nur eine Aufwandsentschädigung«, erzählt er. »Mit der konnte ich gerade mal meine Handyrechnung begleichen.« Als angehender Betriebswirt kann Yoni Werchow die Sorgen der Hannover Regents auch in Zahlen ausdrücken: »Wir haben in der Bundesliga kaum Zuschauer. Etwa 100 kommen im Schnitt. Seit wir in der ersten Liga spielen, nehmen wir Eintritt: drei Euro pro Besucher, also 300 Euro Einnahmen pro Spiel. Davon kann man keine Spieler verpflichten, keinen Trainer bezahlen und sonst auch keine großen Sprünge machen.«
Das ist auch der Grund, warum Werchow, nachdem mit Hängen und Würgen der Klassenerhalt geschafft wurde, zurücktrat. »Als Spielertrainer hatte ich zu viel Verantwortung«, sagt er. »Schon als Spieler muss man hier zu viel machen, wir bräuchten professionelle Strukturen. Man kann sich zurzeit nicht nur auf das Spiel konzentrieren. Das nimmt viel von der Leistung.«
Jetzt haben die Hannover Regents investiert. Mit Mike Lantzy wurde ein Spielertrainer aus den USA geholt, und prompt stellt sich der Erfolg ein. Das Beinah-Abstiegs-Team der letzten Saison hat sich im Mittelfeld der Tabelle festgesetzt.
Yoni Werchow ist froh, nicht mehr Cheftrainer zu sein. Er setzt lieber auf Zweigleisigkeit: Baseball und das, was ihm sonst gerade wichtig ist. In Israel hatte er während seiner Militärzeit den Status des »aktiven Athleten«. Ihm wurde als Spitzensportler erlaubt, während seines Armeedienstes weiter zum Training und zu den Spielen zu gehen. Jetzt ist er so etwas wie ein aktiver Student. Sein Geld verdient er sich durch einen Job in der Universitätsbibliothek, und die Baseballangebote gleicht er sorgfältig mit den Anforderungen des Studiums ab. »Ich muss immer aufpassen, dass ich keine Prüfung verhaue, dann kann man exmatrikuliert werden und kann nirgends in Deutschland mehr studieren.«
Für sich selbst sieht er keine Zukunft im professionellen Baseball, nicht in Deutschland, nicht in Amerika und auch nicht in Israel. »Die israelische Profiliga war ein großes Event«, sagt er. Mittlerweile steht fest, dass es sie nur einen Sommer gab.
Baseball war noch nie alles in Yoni Werchows Leben. Er ist Mitglied der Liberalen Jüdischen Gemeinde von Hannover, und dass er an einem hohen jüdischen Feiertag Baseball spielt, ist für ihn unvorstellbar. »Einmal war ein Spiel an Yom Kippur angesetzt«, berichtet er, »da habe ich mich erfolgreich dafür eingesetzt, dass es erst einen Tag später stattfindet.« Seine Freundin konvertiert gerade zum Judentum. »Das macht sie für sich«, sagt Werchow. »Sie macht es, auch wenn nicht klar ist, ob wir heiraten.«
Sonst legt Werchow Wert darauf, dass nicht unbedingt alle mitbekommen, dass er Jude und Israeli ist. »Am Anfang wollte ich gar nicht, dass Artikel in der Zeitung über mich stehen. Mittlerweile ist es besser.«

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