urteil

Staatspflicht

Die Regelung des Landes Brandenburg zur Finanzierung jüdischer Gemeinden ist verfassungswidrig. Das entschied das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in einem am Dienstag veröffentlichten Urteil. Stellt der Staat Religionsgemeinschaften Geld zur Verfügung, muss er selbst für dessen gerechte Verteilung sorgen, erklärten die Richter. Seit 2005 zahlte das Brandenburger Kultusministerium jährlich 200.000 Euro an den Landesverband der Jüdischen Gemeinden, der das Geld dann verteilte. Zunächst ging der konkurrierende »Verein Gesetzestreue Jüdische Landesgemeinde Brandenburg« leer aus. Seit 2007 aber erhält er rückwirkend für zwei Jahre monatlich 1.020 Euro.

religionsfreiheit Die »Gesetzestreuen« hatten dagegen geklagt, dass die Landesregierung dem Landesverband das Geld zur Verteilung überlässt. Karlsruhe gab ihnen jetzt Recht: Ihre Religionsfreiheit sei beeinträchtigt, »weil die Beauftragung des Landesverbandes mit der Weitergabe der vom Land bereitgestellten Mittel diesen in eine Situation institutioneller Befangenheit versetzt«. So rückten die »Gesetzestreuen« in ein »Verhältnis der Abhängigkeit« vom Landesverband.
Scharfe Kritik an dem Urteil übt der Zentralrat der Juden in Deutschland. Die Entscheidung sei »ein schwerwiegender und kurzsichtiger Eingriff in die Autonomie und Organisation der jüdischen Landesverbände als Partner der Länder für die geschlossenen Staatsverträge, aber auch alle anderen Religionsgemeinschaften«, sagte Generalsekretär Stephan J. Kramer.
Holger Drews, Sprecher des Kultusministeriums, erklärte der Jüdischen Allgemeinen: »Wir sind froh, dass der gesamte restliche Staatsvertrag bestehen bleibt.« Ge- kippt sei nur eine Klausel, die die Verteilung betreffe. Eine neue Regelung werde man in aller Ruhe prüfen. »Wir hoffen auf eine unverändert gute Beziehung zum Landesverband der Jüdischen Gemeinden.« Eine Kommunikation seitens des Kultusministeriums mit den »Gesetzestreuen« habe sich in vergangener Zeit schwierig gestaltet. Bei der nun erforderlichen Neuregelung der Finanzierung wolle man sich bei anderen Bundesländern informieren.
Alexander Schimon Nebrat vom »Verein Gesetzestreue Jüdische Landesgemeinde Brandenburg« weigerte sich auf Anfrage der Jüdischen Allgemeinen, das Urteil zu kommentieren.

spaltungsgefahr? Das Urteil des 2. Senats des Bundesverfassungsgerichts, gegen das es keine Einspruchsmöglichkeit gibt, erklärt nur die Regelung der Finanzmittelvergabe für nichtig und verfassungswidrig. Darüber, ob die Höhe der bisherigen Zahlungen korrekt ist, gibt es keine Angaben.
»Das Urteil führt zu einer wohlkalkulierten, zumindest aber fahrlässigen Spaltung und Schwächung der Einheit der jüdischen Gemeinschaft«, glaubt Stephan J. Kramer vom Zentralrat. Er sieht dadurch eine »Tendenz in der Rechtsprechung fortgesetzt, die die verfassungsmäßig garantierte Religionsautonomie immer weiter einschränkt, und das mit dem Vorwand, fiskalpolitische Ausgewogenheit herzustellen, wo es keine geben kann.« Eine Gleichheit zwischen Landesverband und dem »Verein der Gesetzestreuen« gäbe es nicht. Der Landesverband hat nach eigenen Angaben 1.400 Mitglieder. Über die Mitgliederzahl der »Gesetzestreuen« wollte Alexander Schimon Nebrat keine Auskunft geben: »Die spielt keine Rolle.« Im Internet gibt der Verein die Zahl mit 260 an. Auch dem Kultusministerium liegen keine gesicherten Informationen vor. Der eingetragene Verein bemüht sich seit seiner Gründung 1999 vergeblich darum, als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt zu werden. Zuletzt war er 2008 vor dem Verwaltungsgericht Potsdam gescheitert: Das Gericht nannte den Antrag »unbegründet«.
Welche Auswirkungen die Karlsruher Entscheidung nun haben wird, ist noch offen. Um die Dimension zu verdeutlichen, überträgt Stephan J. Kramer das Urteil auf die christlichen Kirchen: »Hätte zum Beispiel die berüchtigte Pius-Bruderschaft mit höchstrichterlichem Segen zukünftig einen Anspruch auf staatliche Förderung neben der katholischen Kirche?«

Sydney

Jewish organizations decry the »scourge« of antisemitism

This time the focus is on Australia. It is hosting a conference of the international Jewish initiative »J7.« The group is presenting figures on Jew-hatred on the continent – and speaks of historic highs.

von Leticia Witte  03.12.2025

Kino

Blick auf die Denkerin

50 Jahre nach Hannah Arendts Tod beleuchtet eine Doku das Leben der Philosophin

von Jens Balkenborg  02.12.2025

Thüringen

Verfassungsschutz-Chef schätzt AfD-Jugend als rechtsextrem ein

Die Mitglieder der »Generation Deutschland« würden in ihren ersten Auftritten »weder eine Mäßigung noch eine Distanzierung oder gar Wandlung« zeigen, so Kramer

 02.12.2025

Tel Aviv-Jaffa

Shimon-Peres-Preis wird erstmals in Israel verliehen

60 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen Deutschland und Israel sind der Anlass: Zum ersten Mal wird der Shimon-Peres-Preis für gemeinsame demokratische Vorhaben in Israel feierlich übergeben

von Alexander Riedel  01.12.2025

TV-Kritik

Viel Krawall und wenig Erkenntnis: Jan Fleischhauer moderiert im ZDF den Kurzzeitknast der Meinungen

Mit »Keine Talkshow - Eingesperrt mit Jan Fleischhauer« setzt das ZDF auf Clash-TV: ein klaustrophobisches Studio, schnelle Schnitte, Big-Brother-Momente und kontroverse Gäste - viel Krawall, wenig Erkenntnis

von Steffen Grimberg  24.11.2025

Teilnehmer des Mitzvah Day 2016 in Berlin

Tikkun Olam

»Ein Licht für die Welt«

Der Mitzvah Day 2025 brachte bundesweit Gemeinden, Gruppen und Freiwillige zu mehr als 150 Projekten zusammen

 23.11.2025

Hebraica

»Was für ein Buchschatz!«

Stefan Wimmer über die Münchner Handschrift des Babylonischen Talmuds als UNESCO-Weltkulturerbe

von Ayala Goldmann  23.11.2025

TV-Tipp

Oliver Masucci brilliert in dem Mehrteiler »Herrhausen - Der Herr des Geldes«

Biografischer Mehrteiler über Bankier Alfred Herrhausen

von Jan Lehr  17.11.2025

Amsterdam

Chanukka-Konzert im Concertgebouw kann doch stattfinden

Der israelische Kantor Shai Abramson kann doch am 14. Dezember im Amsterdamer Konzerthaus auftreten - allerdings nur bei zusätzlich anberaumten Konzerten für geladene Gäste

 13.11.2025