Bereits im April dieses Jahres hatte Deborah Feldman auf Instagram nahegelegt, Philipp Peyman Engel, der Chefredakteur der Jüdischen Allgemeinen, sei ein »Kostümjude«, also nicht jüdisch. Dagegen ging Engel anwaltlich vor. Die Behauptung hielt Feldman, bekannt für ihr autobiografisches Buch »Unorthodox«, nicht weiter aufrecht und löschte ihren Post.
Anfang vergangener Woche legte Feldman nun nach: In der ersten Ausgabe der neu aufgelegten Publikation »Weltbühne« des Berliner Verlegers Holger Friedrich, zog sie erneut Engels Jüdischkeit - und das Judentum seiner Mutter - in Zweifel. Sie wirft Engel eine angebliche Konstruierung seiner Biografie vor.
Daraufhin legte Engel, nachdem er von Medien zu den Behauptungen Feldmans angefragt wurde, entsprechende Nachweise unter anderem der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland, der Europäischen Rabbinerkonferenz von Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt und seiner Jüdischen Gemeinde vor. Sie belegen die zweifelsfreie Jüdischkeit von Engel und seiner Mutter von Geburt an nach orthodoxen Maßstäben.
Der Zentralrat der Juden in Deutschland, Herausgeber der Jüdischen Allgemeinen, nahm daraufhin Engel wie viele andere jüdischen Organisationen in Schutz: »Die jüdische Herkunft Engels und die seiner Mutter von Geburt an sind zweifelsfrei durch Unterlagen nachgewiesen«, heißt es in einer Pressemitteilung. Feldman verbreite »unwahre Behauptungen« und betreibe eine »Kampagne« gegen Engel. Die Herausgeber der Weltbühne bekundeten dagegen, »zu 100 Prozent« hinter Feldman zu stehen.
In mehreren deutschen Zeitungen wurde die Debatte seitdem aufgegriffen. Der Tenor fällt äußerst negativ gegenüber Holger Friedrichs Weltbühne im Allgemeinen und Feldmans Artikel im Besonderen aus.
FAZ: »Mit Journalismus hat das nichts zu tun«
In dem Artikel »Ein trauriges Schauspiel« von Michael Hanfeld, erschienen in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, wird Feldmans Text als »hinterhältig« bezeichnet. »Die Autorin bedient sich der Technik des Andeutens und Nicht-gesagt-haben-Wollens«, schreibt Hanfeld. Feldman blende Tatsachen aus und schlage gegenüber Engel einen »vergiftet freundschaftlichen Ton« an.
Das vernichtende Urteil: »Mit Journalismus hat das nichts zu tun.« An dieser »Weltbühne«, so Hanfeld, »hätten Tucholsky und von Ossietzky keine Freude«.
NZZ: »Feldmans Kritik fällt auf sie selbst zurück«
In der NZZ schreibt Nathan Giwerzew, »der implizite Vorwurf gegen Engel, er sei kein echter Jude, ist offenkundig politisch motiviert«. Es sei vor allem die politische Einstellung des Chefredakteurs der Jüdischen Allgemeinen, die Feldman nicht gepasst habe.
Es sei »nicht das erste Mal, dass Feldman Juden mit proisraelischen Ansichten ihre Identität abspricht«, schreibt Giwerzew. »Dass sowohl Engel als auch seine Mutter von Geburt an jüdisch sind, belegen Unterlagen mehrerer rabbinischer Gremien. Sie liegen der NZZ vor.« Der NZZ-Redakteur ist sich sicher: »Feldmans Kritik fällt auf sie selbst zurück.«
Cicero: Feldman schreibt »nachweislich die Unwahrheit«
Im »Cicero« schreibt Ingo Way, das »Lieblingshobby« Deborah Feldmans sei es, »Juden, die eine etwas andere Meinung zu Israel und Gaza haben als Feldman, ihr Judentum abzusprechen«. Ihr neuestes Ziel sei in dem Weltbühne-Artikel nun Philipp Peyman Engel.
In dem Text sage Feldman »nachweislich die Unwahrheit«, urteilt Way. Dies tue sie womöglich aus »Geltungssucht und Neid«, zudem habe »sie es in der Vergangenheit mit der Wahrheit wohl nicht immer ganz genau genommen«. Vor allem aber sei es »Engels politische Haltung, die Feldman nicht passt«, glaubt der »Cicero«-Autor.
Tagesspiegel: »Als wollte sie wild um sich schlagen«
Caroline Fetscher titelt im Tagesspiegel: »Feldmans Feldzug«. Die Autorin greife alle an, die »die mit ihrem politischen Furor, ihrer siedenden Kritik an Israel, nicht konform gehen«, so Fetscher, »manchmal als wollte sie wild um sich schlagen«. Für ihre Kampagnen nutze Feldman »die Methode der Delegitimierung über genealogische Zweifel: Ist jemand nun tatsächlich jüdisch, oder nicht?«. Feldmans neuesten Ziel, Philipp Peyman Engel, setze sich jetzt zur Wehr und liefere Belege, dass er ohne Zweifel jüdisch ist.
Fetscher schreibt: »Für Deborah Feldman scheinen allerdings beim Thema Judentum und Israel nur ihre selbstgemachten Kriterien zu gelten.« Und der Weltbühnen-Autorin sei klar, »dass von Gerüchten immer etwas hängenbleibt, sei es ein vager Zweifel«. Über den Schaden, den sie anderen dabei zufüge, schließt Fetscher, »scheint sich Deborah Feldman, leider, bisher nicht zu kümmern«.
taz: »Erhebliche Zweifel« an Feldmans Recherche
In der »taz« schreibt Nicholas Potter, dass es an der Recherche Feldmans für die Weltbühne »erhebliche Zweifel« gebe. So stünden mehrere Dokumente, die der taz vorlägen, im Kontrast zu der Darstellung der Autorin. »Feldman, die in einer ultraorthodoxen Sekte in New York aufwuchs, hat bereits in der Vergangenheit die jüdische Identität diverser Jüdinnen und Juden in Deutschland angezweifelt.«
Potter nimmt zudem die Personen hinter der Publikation, in der Feldmans Artikel erschienen ist, in den Blick: »Die neue Weltbühne wird von Thomas Fasbender mitherausgegeben, bis zum russischen Angriffskrieg auf die Ukraine 2022 noch Kommentator beim russischen Staatspropagandasender RT. Verleger Holger Friedrich wird zudem für seine Russlandnähe kritisiert.«
Frankfurter Rundschau: »Für Diskussionsstoff ist gesorgt«
In der Frankfurter Rundschau wird wohlwollender auf die neue Weltbühne geblickt. Diese sei mit »unerwarteter Lautstärke« zurückgekehrt, schreibt Michael Hesse. »Für die Geräuschkulisse um den ersten Auftritt der ›Weltbühne‹ sorgt indes der Text ›Die deutsche Lebenslüge‹ von der jüdischen Autorin Deborah Feldman«.
Hesse beschreibt Feldmans Text als eine Veranschaulichung der »Fragilität von Biographien«, die die Autorin »in Bezug auf ihre Familie und der von Philipp Peyman Engel« beschreibe. Das Fazit Hesses: »Die »Weltbühne« ist zurück, für Diskussionsstoff ist gesorgt.«
Spiegel: »Hier geht es um politische Gegnerschaft«
Tobias Rapp kommt im »Spiegel« zu einem ähnlichen Ergebnis wie andere Kommentatoren. »Hier geht es um politische Gegnerschaft«, schreibt er über die Hintergründe von Feldmans Weltbühne-Artikel. »Kaum jemand ist in der deutschen Palästina-Solidaritätsszene – zu der Feldman mittlerweile gehört – so verhasst wie Engel.« Der Jüdischen Allgemeinen werde vorgeworfen, Sprachrohr der israelischen Regierung zu sein, so Rapp, »was ein verkürztes Bild ist, das Meinungsspektrum der Zeitung ist ziemlich groß«.
Rapp kommt auch auf die Geschichte der Weltbühne zu sprechen, die von dem jüdischen Journalisten Siegfried Jacobsohn gegründet wurde. »Die neue ›Weltbühne‹ startet jetzt mit dem Versuch, den Ruf eines jüdischen Journalisten zu zerstören«, schreibt der Spiegel-Autor. Ein Enkel Jacobsohns, weiß Rapp zu berichten, erwägt nun offenbar rechtliche Schritte, »um das Erbe seines Großvaters zu schützen«.
Süddeutsche Zeitung: »Auf Fragen zum Fall antwortet Feldman nicht«
Für die Süddeutsche Zeitung haben sich Moritz Baumsteiger und Ronen Steinke die Recherche von Deborah Feldman genauer angeschaut. Die säe in ihrem Weltbühne-Artikel »mit beiden Händen Zweifel am Judentum von anderen«. Doch auf Nachfrage war Feldman nicht bereit, mehr zu den Nachrichten von Familienmitgliedern Philipp Peyman Engels, auf denen ihre Recherche stützt, zu sagen: »Auf die Bitte der SZ zu erklären, ob und wie sie diese Chats verifiziert habe, und auf weitere Fragen zum Fall antwortet Feldman nicht.«
Baumsteiger und Steinke weisen darauf hin, dass an den autobiografischen Texten Feldmans ebenfalls Zweifel geäußert wurden: »Der Vorwurf, den eigenen Lebenslauf etwas geglättet oder dramatisch zugespitzt zu haben, ist auch Deborah Feldman selbst nicht fremd.« In ihrem Buch »Unorthodox« sei laut Kritikern »manches ausgelassen, vereinfacht, übertrieben erzählt«.
Hagalil: »Es bleibt die Hoffnung, dass sich Feldman damit nun endgültig selbst diskreditiert hat«
Das jüdische Online-Portal »Hagalil« schreibt: »Das Ganze macht den Eindruck eines persönlich motivierten Feldzugs gegen die ›Jüdische Allgemeine‹, die in der Vergangenheit sehr kritisch über Feldman schrieb. ›Mit Unorthodox feierte die Autorin vor mehreren Jahren einen Welterfolg. Seit ihrem neuen Buch irritiert sie mit Verschwörungstheorien, Menschenhass und öffentlichen Hetzaufrufen‹, schrieben Nicole Dreyfus und Philipp Peyman Engel im Februar 2022. Dass nun Engel selbst Zielt ihrer Angriffe wurde, schien wohl nur eine Frage der Zeit zu sein. Betrüblich, dass sich die Weltbühne für so etwas hergibt, betrüblich, dass die Berliner Zeitung mitspielt.«
Hagalil schließt mit den Worten: »Es bleibt die Hoffnung, dass sich Deborah Feldman damit nun endgültig selbst diskreditiert hat und auch die letzte Lanz und Konsorten Show verstanden hat, mit wem man es hier zu tun.«
WELT: Deborah Feldmann sollte man ein paar Jahre lang Ruhe gönnen
In der WELT wirf Alan Posener Feldman vor, »persönliche Attacken gegen andere Juden zu reiten, wie zuletzt gegen den Chefredakteur der »Jüdischen Allgemeinen«, Philipp Peyman Engel, dem sie ohne jeden Beleg vorwarf, eine jüdische Identität zu konstruieren«. Dass Feldman das »in einem Organ tut, das den Namen des führenden linken Magazins der Weimarer Republik – Weltbühne – usurpiert hat, dessen Verleger früher als IM für die Stasi tätig war und heute Verständnis für das Regime Wladimir Putins zeigt und Donald Trump bewundert: Nun, das ist wohl auch nur konsequent.« Wer mit sich und seiner Identität nicht im Reinen sei, fühle sich vielleicht von anderen angezogen, deren moralischer Kompass mal hierhin, mal dorthin zeigt.
»Dass aber im Deutschland des Jahres 2025 ein Jude wieder – metaphorisch gesprochen – die Hose herunterlassen muss, nachdem er in einem rechten Organ denunziert wird: Das ist nicht nur für die Renegatin und den Verleger beschämend, das muss alle entsetzen. Dass alle Medien, die darüber berichtet haben, in extenso Feldmans Vorwürfe wiederholen, und sei es nur, um sie anzuzweifeln, zeigt nur, dass sie offenbar das Prinzip der Diffamierung nicht begreifen: Semper aliquid haeret. Etwas bleibt immer hängen. Deborah Feldmann aber sollte man ein paar Jahre lang Ruhe gönnen, um zu sich selbst zu kommen. Sie hat sie sich redlich verdient.« ja