David Noko

Gut fürs Geschäft

von Ann Kathrin Sost

Die Sekretärin der Pressestelle von De Beers in Johannesburg ist überrascht. Ein Interview mit David Noko? Kenne sie nicht. »Ist das ein Zulu-Name?« fragt sie irritiert. Nicht nur Sekretärinnen versetzen die Änderungen bei De Beers in Erstaunen. Seit Anfang Januar sitzt David Noko, ein schwarzer Südafrikaner, in der Chefetage des größten Lieferanten von Rohdiamanten der Welt. Bis April wird er von seinem Vorgänger Jonathan Oppenheimer angelernt, dann übernimmt Noko allein die Südafrika-Geschäfte. Dabei war der Name Oppenheimer bisher untrennbar mit De Beers verbunden. Mit Nokos Ernennung gibt die Familie erstmals etwas Macht ab. Lange sah es so aus, als sei die jüdische Unternehmerdynastie, die jährlich eine halbe Milliarde Dollar mit Diamanten verdient, dazu noch nicht bereit.
David Noko aber sieht dem Wechsel gelassen entgegen. Sicher, ein wenig überrascht sei er gewesen, daß Jonathan Oppenheimer schon nach einem guten Jahr den Vorsitz wieder abgebe. »Aber ich bin ein Veteran der Unternehmenswelt«, sagt er gutgelaunt. »Daher weiß ich, wie schnell sich die Dinge im Geschäftsleben heutzutage ändern, besonders in Südafrika.«
Wirklich unerwartet kam die Ernennung des 48jährigen nicht. Der Sohn eines Farmarbeiters arbeitete in Schottland als Ingenieur und begann nach dem Ende der Apartheid in seiner Heimat eine steile Karriere, angefangen bei den South African Breweries, Pepsi Cola und der Geschäftsführung der Catering-Firma Airchefs. Zuletzt leitete Noko die bekannte Diamantenmine in Kimberley, in der vor 135 Jahren riesige Diamantenvorkommen entdeckt worden waren. Er schraubte den Ertrag der weitgehend ausgelaugten Mine durch die Einführung neuer Technologien wieder auf die Rekordhöhe von 1914 – zwei Millionen Karat pro Jahr. Zugleich scheute er vor harten Maßnahmen nicht zurück: Knapp 1.000 Mitarbeiter entließ er, weil sich in einem Teil des Untergrunds kaum noch Edelsteine fördern lassen.
Noko ist Christ. Er hat in Kimberley Synagogen, Moscheen und Kirchen besucht, um seine Mitarbeiter besser kennenzulernen. »Ich habe bald 9.000 Leute aller Glaubensrichtungen unter mir, da muß ich wissen, welche Dynamiken sie antreiben.« Als jemand, der seiner Hautfarbe wegen Karriere macht, will Noko nicht gesehen werden: »Unglücklicherweise komme ich aus einem Land, in dem Rasse nach wie vor eine Rolle spielt«, sagt er. »Ich bin stolz auf das, was ich geleistet habe und was ich bin, und dabei geht es nicht darum, ob meine Haut dunkel oder hell ist.«
Doch Noko wurde nicht nur wegen seiner Kompetenz ernannt. Der Wechsel war eine politische Notwendigkeit. In Südafrika sind knapp zwölf Jahre nach dem Ende des Rassenstaats immer noch nur sehr wenige Schwarze in Führungspositionen. Die südafrikanische Regierung forderte von De Beers immer deutlicher ein Entgegenkommen. Das Kap profitiere nicht genug vom Erfolg des Unternehmens mit seinen »lilienweißen« Chefs, sagte die Vizeministerin für Bodenschätze, Lulu Xingwana, und schimpfte auf »reiche weiße Kartelle, die sogar heute noch unsere Diamantenvorkommen plündern und mit nach London nehmen.« Die Ernennung von Noko war eine Chance, die Regierung zu besänftigen.
Als viel wichtiger werten Wirtschaftsexperten jedoch, daß De Beers 26 Prozent seiner Anteile an die schwarze Investorengruppe Ponahalo verkauft hat, zu deutsch »Entstehung«. Damit griff De Beers der 2004 verabschiedeten südafrikanischen Bergbau-Charta vor, nach der Bergbaugesellschaften innerhalb von zehn Jahren 26 Prozent ihrer Vermögenswerte an Schwarze verkaufen müssen. Anderenfalls droht Lizenzverlust. Noko lobt, daß Ponahalo zur Hälfte Mitarbeitern und Pensionären von De Beers gehört: »Das ist ein großer Sieg für unsere Leute, auf dem ich aufbauen will.«
Es gibt noch einen Grund, warum die Oppenheimers ihren erfolgreichen Mitarbeiter befördern mußten: Der dreifache Vater braucht über kurz oder lang einen neuen Job. Wie andere Minen in Südafrika auch, werden jene in Kimberley bald schließen. »Fünf unserer sieben Diamantengruben in Südafrika arbeiten unprofitabel«, sagt De-Beers-Sprecherin Nicola Wilson. Auch Noko macht aus den Problemen der Branche kein Geheimnis: »Die Minenindustrie hat ihren Zenit überschritten. Es geht bergab.« Nur durch Mechani- sierung könne noch genügend gefördert werden. »Das hat auch eine gute Seite«, sagt Noko. »Die gesundheitsschädliche, gefährliche Arbeit unter Tage wollen viele nicht mehr machen.« Bei inoffiziell rund 40 Prozent Arbeitslosigkeit wird Noko dennoch nicht auf viel Verständnis für Entlassungen treffen.
Um Südafrikas Minen wieder profitabel zu machen, reichen neue Technologien allein ohnehin nicht aus. De Beers leidet unter der Abwertung des Dollars und dem starken südafrikanischen Rand. Auch von der Regierung sieht sich die Diamantenindustrie bedroht. Ein neues Gesetz, das dem Parlament zur Abstimmung vorliegt, zwänge Diamantenproduzenten, einen Teil ihrer Produktion heimischen Händlern und Verarbeitern zu überlassen. Dazu soll eine Exportsteuer von 15 Prozent erhoben werden. De Beers droht, dies mache die Diamantenförderung in Südafrika noch unattraktiver. Das einstige Hauptförderland erbringt nur noch 29 Prozent der weltweiten Produktion. Kanada, wo der jüngste Oppenheimer Sproß Jonathan nun die Geschäfte leitet, ist längst lukrativer.
Es sind viele neue Einflüsse, denen sich das einstige Imperium ausgesetzt sieht. Die Gegenwart hat nur noch wenig von der mythischen Aura, die die Geschichte der unvergleichlich erfolgreichen und umstrittenen Oppenheimers ausmacht. Sie haben Diamanten, jene eigenwillige Variante des Kohlenstoffs, erst wirklich zum Gegenstand der Sehnsucht gemacht.
Der 1880 im hessischen Friedheim als Sohn eines Zigarrenhändlers geborene Ernest Oppenheimer übernahm De Beers 1929. Damals zählte er bereits zu den »Randlords«, den Bergbau-Magnaten, die Südafrikas Goldrausch reich gemacht hatte. 1930 kaufte er die Diamantenmärkte leer und gründete die Central Selling Organisation (CSO), die alle Rohdiamanten der Welt exklusiv handelte und die Preise durch Lagerung und gezielte Verkäufe auch in Krisenzeiten hochhielt. Sein Sohn Harry stieß 1931 dazu und machte De Beers auch bei synthetischen Diamanten für die Auto- und Rüstungsindustrie zum Marktführer.
Obwohl der Konzern öffentlich die Apartheid kritisierte, florierte De Beers gerade wegen der massenhaften Ausbeutung schwarzer Arbeiter, die nur einen Bruchteil des Lohns weißer Kollegen erhielten. Zugleich hatte die jüdische Familie selbst unter Ressentiments zu leiden. Mit dem Ende der Apartheid ließen die Oppenheimers den Griff um das Diamantengeschäft lockerer. Die CSO-Nachfolgeorganisation, die Diamond Trading Company, kontrolliert noch die Hälfte der Rohdiamanten.
2001 machte Nicky Oppenheimer den seit 1893 börsennotierten Konzern wieder zum Privatunternehmen und erweiterte das Portfolio. Auf dem afrikanischen Kontinent werde ihre Investmentfirma Ernest Oppenheimer & Söhne neue Geschäftsinteressen verfolgen, die auf den Erfahrungen in der Minenindustrie aufbauen, heißt es aus dem Vorstand. Mehr verrät die Familie noch nicht. Sicher scheint nur: Die Oppenheimers sind so unvergänglich wie ihre Diamanten.

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