NS-raubgut

Geldwerte Gemeinschaft

Der Streit um die Rückgabe von Ernst Ludwig Kirchners »Berliner Straßenszene« aus dem Brücke-Museum an ihre jüdischen Erben hat sich bis heute nicht wirklich gelegt. Doch zu kurz greift, wer darin nur ein Problem der Auslegung der auf den »Washingtoner Prinzipien« beruhenden »Gemeinsamen Erklärung von Bund, Ländern und Gemeinden« von 1999 durch die Berliner Kulturverwaltung sieht. Die ungemein verwickelte Geschichte dieser spektakulären Gemälderückgabe hat ein Licht auf die Rolle des Kunsthandels vor und nach 1945 geworfen – und das Interesse der Forschung beflügelt: Nie zuvor stand der deutsche Kunsthandel derart im Fokus wie heute.
Dass der Handel darüber begeistert wäre, lässt sich allerdings kaum behaupten. Der Grund liegt auf der Hand: »Der deutsche Kunsthandel profitierte wie wohl keine zweite Branche von der bald nach Hitlers Machtübernahme einsetzenden systematischen Verfolgung und Ausplünderung der Juden in Deutschland und den besetzten Nachbarstaaten.« Das schreibt Stefan Koldehoff in seinem neuen Buch, Die Bilder sind unter uns, in dem der Journalist, ein geradezu besessener Rechercheur, eine Fülle von Einzelfällen gesammelt hat. Dem Leser schwirrt bald der Kopf, versucht er den verwinkelten und dann wieder sich kreuzenden Wegen zu folgen. Nicht ohne Grund gibt es allein zur Kirchner-»Straßenszene« mittlerweile eine dickleibige Publikation.

ns-profiteure Nicht nur, dass die Branche zu den Profiteuren des Nationalsozialismus zählt. Es gab für sie sogar noch weniger eine »Stunde Null« als in übrigen Bereichen. Denn die Kunstwerke waren ja da, nur eben verlagert, versteckt, teils auch herrenlos dem Zugriff entschlossener Glücksritter ausgeliefert. Nachdem dann Galeristen wie Ferdinand Möller, der in der NS-Zeit zum Quartett derer gezählt hatte, die die »Entartete Kunst« offiziell »verwerten« sollten, in der jungen Bundesrepublik Deutschland neuerlich zu Geld und Ansehen gekommen waren, zeigte sich, dass der Kunsthandel seine Vergangenheit lieber ruhen lässt.
Mittlerweile gibt es für einzelne, herausragende Händler umfangreiche Untersuchungen. Darunter eine zu dem schillernden Karl Haberstock, der Hitlers geplan- tem Linzer »Führermuseum« zulieferte, vor allem mit dubiosen Erwerbungen aus dem besetzten Paris – und sich nach dem Krieg als Mäzen für das Museum seiner Heimatstadt Augsburg feiern ließ. Aber insgesamt hält sich die Branche bedeckt. Und noch mehr die der Auktionshäuser: Ohnehin zur Verschwiegenheit verpflichtet, verstecken sie sich hinter ihrer aufgelegten Diskretion, um ihre Beteiligung an der Verschleuderung insbesondere jüdischen Vermögens nicht einzugestehen oder gar aktiv aufzuklären.

verschwiegen Es war im Übrigen nicht nur jüdisches Eigentum, wie das wegen seines materiellen Wertes im zweistelligen Millionenbereich notorische Beispiel von Kandinskys Gemälde »Improvisation 10« zeigt, das der von Stalin nach Sibirien verbannten Sophie Lissitzky-Küppers gehört hatte. Ferdinand Möller verkaufte es 1951 an den Basler Kollegen Ernst Beyeler, in dessen renommiertem Privatmuseum es heute zu den Prunkstücken zählt. Für eine diskret verschwiegene Summe verglich sich Beyeler mit dem Sohn der nie aus Sibirien zurückgekehrten Mutter.
Aber die erdrückende Mehrzahl aller Vorgänge betrifft naturgemäß geraubtes jüdisches Kulturgut, ob in Berlin, Wien oder schließlich Paris. Während die Museen, ob freiwillig oder auf öffentlichen Druck, mittlerweile in einem erheblichen Maß Provenienzforschung betreiben, halten sich die Galeristen, durch deren Hände all die Kunstwerke doch gegangen sind, nach wie vor zurück.
Und Auktionshäuser verweigern ohnedies jede Auskunft über das Wohin der Bilder, wenn sie schon das Woher jedenfalls früher nicht so genau nahmen. Museen sind – zumeist – öffentliche Einrichtungen, die der »Gemeinsamen Erklärung« unterliegen. Der private Handel jedoch kann rechtlich zu nichts verpflichtet werden. Er ist aber moralisch zu umfassender Aufklärung verpflichtet, um endlich in seiner Gänze aus dem Zwielicht herauszutreten.

Amsterdam

Chanukka-Konzert im Concertgebouw kann doch stattfinden

Der israelische Kantor Shai Abramson kann doch am 14. Dezember im Amsterdamer Konzerthaus auftreten - allerdings nur bei zusätzlich anberaumten Konzerten für geladene Gäste

 13.11.2025

Meinung

BBC: Diese Plattform für anti-israelische Vorurteile und Extremismus ist nicht mehr zu retten

Der öffentlich-rechtliche Sender Großbritanniens hat sich anti-israelischen Vorurteilen und Extremismus geöffnet. Er braucht dringend Erneuerung

von Ben Elcan  13.11.2025

Raubkunst

Zukunft der Bührle-Sammlung ungewiss

Die Stiftung Sammlung E. G. Bührle hat ihren Stiftungszweck angepasst und streicht die Stadt Zürich daraus

von Nicole Dreyfus  10.11.2025

Geiseldeal

Itay Chen ist wieder in Israel

Die Leiche des 19-jährigen, israelisch-amerikanischen Soldaten wurde am Dienstagabend von Terroristen der Hamas übergeben

 05.11.2025

Jerusalem

Nach Eklat in Jerusalem: Westfälische Präses setzt auf Dialog

Projekte, Gedenkorte und viele Gespräche: Die Theologin Ruck-Schröder war mit einer Delegation des NRW-Landtags fünf Tage in Israel und im Westjordanland. Angesichts der Spannungen setzt sie auf dem Weg zur Verständigung auf Begegnungen und Dialog

von Ingo Lehnick  06.11.2025 Aktualisiert

Terror

Hamas übergibt erneut Leichen an Rotes Kreuz

Die Hamas hat dem Roten Kreuz erneut Leichen übergeben. Ob es sich bei den sterblichen Überresten in drei Särgen wirklich um Geiseln handelt, soll nun ein forensisches Institut klären

 02.11.2025

Augsburg

Josef Schuster und Markus Söder bei Jubiläumsfeier von jüdischem Museum

Eines der ältesten jüdischen Museen in Deutschland feiert in diesem Jahr 40-jähriges Bestehen. Das Jüdische Museum Augsburg Schwaben erinnert mit einer Ausstellung an frühere Projekte und künftige Vorhaben

 29.10.2025

Interview

»Wir sind für alle Soldaten da«

Shlomo Afanasev ist Brandenburgs erster orthodoxer Militärrabbiner. Am Dienstag wurde er offiziell ordiniert

von Helmut Kuhn  29.10.2025

Bayern

Charlotte Knobloch kritisiert Preisverleihung an Imam

Die Thomas-Dehler-Stiftung will den Imam Benjamin Idriz auszeichnen. Dagegen regt sich nicht nur Widerstand aus der FDP. Auch die 93-jährige Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde Münchens schaltet sich nun ein

von Michael Thaidigsmann  29.10.2025