Wolfgang Benz

Eine Gala zum 65.

von Anke Ziemer

Was tut ein Mensch, der Feiern zu seinen Ehren eigentlich ablehnt, wenn ihn viele feiern wollen? Er findet einen Kompromiß: Er läßt sich nicht nur von anderen feiern, sondern er feiert sich auch selbst – mit einem Abendprogramm, in dem er die Hauptrolle spielt. So geschehen am vergangenen Freitag in Berlin. Die Freunde und Förderer des Zentrums für Antisemitismusforschung boten dem Leiter der Einrichtung, Wolfgang Benz, eine Galavorstellung im Alliierten-Museum dar. Rund hundert frühere und aktuelle Mitarbeiter, Freunde, Wegbegleiter, Schüler und Kollegen des Herrn B. kamen gutgelaunt in das ehemalige Kino der US-amerikanischen Streitkräfte. Geboten wurde eine historisch-politische Revue in Originaltönen mit Film- und Cabaret-Szenen, mit Musik und Rezitation. Wolfgang Benz führte seine Gäste durch 90 Minuten Infotainment und rief ihnen in Erinnerung, wie es wirklich war – Berliner Geschichte(n) zwischen Kaiserreich und Gegenwart. Neben den rezitierenden und musizierenden Mitarbeitern des Zentrums für Antisemitismusforschung wirkten mit: Kaiser Wilhelm II., Hildegard Knef, die Insulaner, Charlie Chaplin als großer Diktator, Benito Mussolini auf Berlin-Besuch, die Alliierten mit Rosinenbomber, Kaugummi und Coca- Cola, Susanne Erichsen als Fräuleinwunder und erste Miß Germany, Walter Ulbricht, Konrad Adenauer und John F. Kennedy, Willy Brandt, Nikita Chruschtschow, die Stachelschweine sowie die Münchener Lach- und Schießgesellschaft.
Während Wolfgang Benz für die Idee der Veranstaltung stand und das historische Wort führte, übernahm seine Kollegin Marion Neiss die Regie. Sie dirigierte den Einsatz der Ton- und Filmdokumente, signalisierte die Auf- und Abgänge der Rezitatoren und sorgte für einen reibungslosen Ablauf. »Diese Art von Revue machen wir nicht zum ersten Mal«, sagt Marion Neiss lachend, die ähnliche Präsentationen schon 1999 und 2001 miterarbeitet hat. »Obwohl wir auf die Erfahrungen aus den vergangenen Jahren zurückgreifen können, liegen vor allem in den Detailarbeiten immer wieder neue Herausforderungen.«
Im aktuellen Fall bedeutete dies, stundenlang Videos und Dokumentarfilme nach passenden Szenen zu durchsuchen, Kassetten mit historischen Aufnahmen abzuhören, eine Grobauswahl zu treffen, Film- und Tonsequenzen aneinanderzuschneiden und immer wieder umzustellen. »Natürlich ist der Enthusiasmus am Anfang der Arbeit besonders groß und nimmt dann gegen Ende ab«, sagt sie nach ihrer dritten Zeitdokumenten-Revue, die mit Standing ovations für Wolfgang Benz und sein Team endete. »Die gelungene Aufführung entschädigt für manchen trüben Moment während der monatelangen Vorarbeit.«
Doch auf der Geburtstagsfeier eines 65jährigen Professors darf eines nicht fehlen: die Festschrift. Das wußten auch die Freunde, Kollegen und Mitarbeiter von Wolfgang Benz und erarbeiteten innerhalb von neun Monaten ein Buch, das es in sich hat. In Anlehnung an sein aktuelles Standardwerk Was ist Antisemitismus fragten sie nun »Wer ist Wolfgang Benz?«
Im allgemeinen ist Wolfgang Benz als Zeithistoriker, Autor und Antisemitismusforscher bekannt. Er wurde am 9. Juni 1941 im baden-württembergischen Ellwangen an der Jagst geboren, studierte in Frankfurt am Main und München Geschichte, Politikwissenschaften und Kunstgeschichte und begann seine Laufbahn 1969 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Münchener Institut für Zeitgeschichte. Dort spezialisierte er sich früh auf die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus. Bekannt wurde er als Mitgründer der Zeit- schrift »Dachauer Hefte«, die er seit 1985 zusammen mit Barbara Diestel herausgibt. 1990 übernahm er die Leitung des Zentrums für Antisemitismusforschung an der Technischen Universität Berlin, an der er zugleich zum Professor berufen wurde. Zu seinen Aufgaben gehört neben Forschung und Lehre die intensive Öffentlichkeitsarbeit, weil antisemitische Vorkommnisse immer wieder besonderes Medieninteresse wecken. Auch der Umstand, daß einige Mitarbeiter durch Drittmittel finanziert werden und 2004 die Zukunft des Institutes gänzlich in Frage stand, macht Öffentlichkeitswirkung besonders wichtig.
Basierend auf zahlreichen Einzelforschungen legte Benz im Jahr 2000 das Handbuch Geschichte des Dritten Reiches vor, das als didaktisch einfühlsames und inhaltlich umfassendes Standardwerk allgemein anerkannt ist. In seinem jüngsten Werk Was ist Antisemitismus kommt er nach der Analyse von aktuellen Skandalen zu dem Schluß: Judenfeindschaft betrifft nicht »einige wenige Verwirrte«, sondern ist vor allem ein Symptom für Probleme in der Mehrheitsgesellschaft.
Aber ist Wolfgang Benz »nur« die Koryphäe der Antisemitismusforschung, der Entdecker sehr versteckter Ressourcen von Judenfeindschaft, den auch die Mitwelt kennt? Über hundert Autorinnen und Autoren – Ergebene, wie sie sich selbst bezeichnen –, ahnten, daß Benz weit mehr ist und haben versucht, den »Erzcharismatiker« in seine zahllosen Eigenschaften zu zergliedern: Neben dem Zwilling fanden sie den Kaiser, den Terminator, den Gottgleichen und den Hohepriester, den Sisyphos, den Meister und Mephisto, den Unruhestifter und den Lieblingsautor, den Tele- fonterroristen und den Bekanntschaftsverweigerer, das Schlitzohr und den Nebenbuhler. Zuschreibungen, die die Kollegen Benz in ihrer etwas anderen Festschrift zum Geburtstag verpaßt haben (Von Schöpfern und Schurken, To B. or not to be. Hrsg. von Mona Körte und Marion Neiss, Metropol Verlag, Berlin 2006).
»Vielleicht haben sie irgendwie recht«, räumt Wolfgang Benz augenzwinkernd ein. »Mein Job ist es nun einmal, die Arbeit dorthin zu verteilen, wo sie am besten aufgehoben ist, und von Zeit zu Zeit streng oder großzügig zu sein.« Daß er aber die Arbeit nicht nur verteilt, sondern ebenso sich selbst auferlegt, belegen die Projekte, die er sich für die kommenden 65 Jahre vorgenommen hat. Seine größter Wunsch: Alle Doktoranden mögen ihre Arbeiten erfolgreich beenden. Das Handbuch des Antisemitismus, an dem er gerade arbeitet, möge in rund drei Jahren publiziert werden und, schließlich, möge die Sommeruniversität gegen Antisemitismus institutionell etabliert werden, die in diesem Jahr erstmals stattfindet. »Ansonsten bin ich froh, daß das alte Prinzip noch wirkt: Der Meister ruft, die Schüler kommen«, schmunzelt der Jubilar zufrieden. »Trotz des Anpfiffs der Fußball-Weltmeisterschaft.«

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