Dieudonné

Ein linker Le Pen

von Elif Kayi und
Nina Schönmeier

Am Abend des 26. Dezember erreicht die Stimmung im Pariser Konzertsaal Zenith ihren Höhepunkt: 5.000 Zuschauer applaudieren, als ein Mann im blau gestreiften Pyjama mit aufgesticktem Davidstern den Preis der »Frechheit und Unzumutbarkeit« an einen anderen, älteren Mann überreicht. Der Geehrte heißt Robert Faurisson. Er ist ein in Frankreich bekannter, mehrfach verurteilter Holocaust-Leugner.
Die Szene ist Teil des neuen Bühnenprogramms des französischen Kabarettis-ten Dieudonné. Und sie sorgte für einen Aufschrei im ganzen Land. Kulturministerin Christine Albanel sprach von einer »Provokation, die wieder einmal die Erinnerung verletzt«. »Zum Kotzen«, kommentierte der Le-Monde-Journalist Pierre Assouline in seinem Blog. Der Präsident der Liga gegen Rassismus und Antisemitismus (LICRA), Patrick Gaubert, forderte, Dieudonné strafrechtlich zu verfolgen. Derzeit prüft die Pariser Staatsanwaltschaft, ob sich der Kabarettist der Leugnung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder der antisemitischen Hetze schuldig gemacht hat. Der Bürgermeister von Paris, Bertrand Delanoë, kündigte diesen Montag an, dass er dem Kabarettisten sämtliche Auftritte auf den öffentlichen Bühnen der Hauptstadt verbieten werde. Im südfranzösischen Montpellier, wo Dieudonné am 17. und 18. Februar auftreten sollte, wurde sein Programm abgesetzt. Theaterdirektor Bernard Mayet: »Als er letztes Jahr hier aufgetreten ist, war seine Show super, er verhöhnte alle Religionen. Doch seit einiger Zeit drischt er nur noch auf Juden ein.«
Erst seit einiger Zeit? Schon mehrfach musste der Humorist, der als Sohn einer französischen Mutter und eines Vaters aus Kamerun in der Pariser Vorstadt aufwuchs, sich wegen antjüdischer Äußerungen vor Gericht verantworten. Vor sechs Jahren erklärte er der Zeitung Lyon Capitale: »Für mich sind Juden eine Sekte, ein Betrug.« 2003 trat er im öffentlich-rechtlichen Fernsehen als ultraorthodoxer Jude verkleidet auf, redete von einer »amerikanisch-zionistischen Achse« und zeigte den Hitlergruß. 2004 verteidigte er den Front-National-Europaabgeordneten Bruno Gollnisch, der die Existenz von Gaskammern bestritten hatte. Verschiedentlich lobte Dieudonné den iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad, der ihn im Gegenzug zweimal in den Iran einlud. »Dieudonné ist ein antijüdischer Aktivist«, sagt Jean-Yves Camus, Experte für Rechtsextremismus am Institut für internationale und strategische Studien in Paris. Er verweist dabei auch auf die Internetseite Les Ogres Utopistes Concrets, die der Kabarettist mitbegründet hat und die auf antisemitische oder nazistische Texte verlinkt.
Früher stand der Kabarettist auf der Seite der antirassistischen Linken, kämpfte für die Rechte illegaler Einwanderer und das Migrantenwahlrecht. 1997 trat er bei den Parlamentswahlen in der Stadt Dreux gegen die Kandidatin der rechtsextremen Partei Front National an. In den letzten Jahren scheint Dieudonné jedoch unaufhaltsam nach rechts zu driften. Als »linken Le Pen« bezeichnete ihn deshalb sein früherer Bühnenpartner Elie Semoun. Der einst verhassten Front National nähert Dieudonné sich zunehmend an. Ihr langjähriger Präsident Jean-Marie Le Pen ist sein Duzfreund und war im Pariser Zenith unter den Zuschauern.
Der neueste antijüdische Ausrutscher des Kabarettisten fällt in eine Zeit, die von den Kämpfen im Nahen Osten überschattet wird. Die israelische Offensive in Gasa könnte den Antisemitismus in Frankreich verstärken. Vor Kurzem erst fuhr ein brennendes Auto gegen die Synagoge von Toulouse. Innenministerin Michèle Alliot-Marie rief dazu auf, »den Konflikt im Nahen Osten nicht nach Frankreich zu importieren«. Dieudonné tut genau das – und wohl nicht unbewusst.

Deutschland

Merz will nach Wadephul-Bericht über Israel-Politik entscheiden

Der Bundeskanzler wird am Samstag mit dem Außenminister sprechen

 01.08.2025

Niedersachsen

Hannover will Kinder aus Gaza und Israel aufnehmen

Getragen wird die Initiative von einer ungewöhnlichen Allianz aus Stadt, jüdischer und palästinensischer Gemeinde

von Kilian Genius  01.08.2025

Nahost

Israel: Weitere Lkw mit Hilfsgütern erreichen Gazastreifen

Am Montag erreichten mehr als 200 Lastwagenladungen den Gazastreifen

 29.07.2025

Naher Osten

Trump fordert zu Essenslieferungen nach Gaza auf

Es gebe viele hungernde Menschen in Gaza, deswegen sei es jetzt vor allem wichtig, »dass die Menschen etwas zu essen bekommen«, so der US-Präsident

 28.07.2025

Großbritannien

Londoner Bürgermeister fordert Anerkennung von Palästinenserstaat

Aus israelischer Sicht würde ein solcher Schritt zu diesem Zeitpunkt einer Belohnung des Terrors gleichkommen

 24.07.2025

Der unter liberianischer Flagge fahrende Massengutfrachter "Eternity C" beim Untergang im Roten Meer am Mittwoch, den 9. Juli 2025.

Terror auf See

Tote nach Huthi-Angriff auf Handelsschiff

Die Huthi-Miliz im Jemen versenkt innerhalb von 24 Stunden zwei Schiffe auf dem Roten Meer

von Nicole Dreyfus  10.07.2025

Wien

Vor Treffen mit Sa’ar: Wadephul ermahnt Israel

Der Bundesaußenminister will sich weiter für einen Waffenstillstand und die Freilassung der Geiseln einsetzen, verlangt aber bessere humanitäre Hilfe in Gaza

 10.07.2025

Gaza

Das Dilemma des Deals

Premier Benjamin Netanjahu hat das Weiße Haus ohne ein Freilassungsabkommen für die israelischen Geiseln verlassen. Die Verhandlungen gehen weiter

von Sabine Brandes  09.07.2025

Berlin

Bundestagspräsidentin will Angehörige israelischer Geiseln treffen

In dieser Woche sind Angehörige der von der Hamas verschleppten Geiseln in Berlin. Am Dienstag kommt Bundestagspräsidentin Klöckner mit ihnen zusammen. Sie formuliert im Vorfeld klare Erwartungen

 07.07.2025