Merch Mashiah

Edel, edel

von Ayala Goldmann

Auf den ersten Blick sieht er aus wie ein typischer Israeli, nur mit mehr Stil: Jeans, gestreiftes Hemd, Oberarme mit dezenten Tätowierungen, Glatze und ein silberner Ring am Finger. Merch Mashiah, Designer für ausgefallene, farbenfrohe Damenmode, lebt seit mehr als 20 Jahren in Berlin. Der Showroom seines Labels liegt in Berlin, in der Leibnizstraße unweit des Kurfürstendamms, einer Enklave für kleine, edle Designershops. Weiß auf rotem Grund verkündet die Inschrift über seinem Laden »mashiah arrive«. Aber Merch Mashiah will keine messianischen Botschaften unters Volk bringen. »Mashiah, das ist mein Name, und in meinem Laden bin ich angekommen«, sagt der groß gewachsene Israeli mit den sanften braunen Augen und einem dezenten Akzent im Deutschen, der weich klingt, fast französisch, weniger hart als bei anderen seiner Landsleute.
Der Name seines Labels hat auch traditionellen Ursprung. Auf »mashiah arrive« brachten ihn Bilder von orthodoxen Juden, die er zusammen mit seinen Eltern in der Pariser Rue de Tomb sah: mit der Inschrift »messiah est arrivé« – der Messias ist gekommen. Aufgewachsen in einem religiösen Elternhaus, hat Merch Mashiah, wie er sagt, »Respekt vor der Tradition«. Als ihn unlängst eine Verwandte in Berlin besuchte und bei ihm wohnte, besorgte er koscheres Geschirr. Und er bemüht sich immer, am Schabbat so wenig wie möglich zu arbeiten, »das habe ich meiner Mutter versprochen«. In der Jüdischen Gemeinde zu Berlin kennt man Mashiah spätestens seit seiner Modemesse bei den Jüdischen Kulturtagen 2001. Doch wie viele Berliner Israelis pflegt Mashiah zur Gemeinde einen eher lockeren Kontakt.
Neben einer Vase mit einem Strauß roter Rosen liegt auf seinem Ladentisch, verdeckt von Stoffmustern, Papieren und der Telefonanlage, eine große Chamsa – die orientalische Glückshand, die das böse Auge fernhalten soll. Mashiah scheint sie zu helfen. Seine Kleider – fantasievolle, weit fallende Plisseekreationen in leuchtenden Farben und schlichten, aber raffinierten Schnitten – verkaufen sich international. Hell- und Dunkelrot, Weiß, Schwarz und Grün dominieren. Mehr als 40 Farben hat Mashiah im Sortiment. Das Besondere an seinen Kleidern: Der leicht waschbare Plisseestoff lässt sich auf verschiedenste Weise variieren: Eine Weste lässt sich zu einem Top knoten, ein weites Kleid kann unkompliziert gerafft werden. Routiniert demonstriert der Designer, wie viel Potenzial in seinen Kreationen steckt. Und er verfügt dabei über das Talent, einer Frau einzureden, der Kauf eines teuren Kleides sei eine Lebensnotwendigkeit. Zwischen 300 und 1.000 Euro (teilweise auch darüber) liegen seine Preise.
Doch den Stress der nahenden Modemessen kann auch seine Chamsa nicht wirklich fernhalten. Je näher die Termine rücken – vom 13. bis 15. September zum Beispiel präsentiert der Künstler seine Kollektionen in New York bei einer internationalen Messe für Designermode und Zubehör –, desto aufgeregter wird Mashiah: »Vor einer Messe bin ich eigentlich unansprechbar.« Zwar steht Mashiah nicht alleine in seinem Laden. Er beschäftigt insgesamt drei Verkäuferinnen und 25 weitere Mitarbeiter, als Geschäftsführer fungiert sein bester Freund. Doch offenbar gehört der Israeli zu den Menschen, die jedes Detail selbst überprüfen müssen. Beinahe zärtlich legt er große Kleiderbügel aus Holz und Metall Stück für Stück in eine große Pappkiste, die für Paris bestimmt ist. Denn die Kleiderbügel vor Ort seien »potthässlich« und keinesfalls geeignet, seine Kreationen gebührend zur Geltung zu bringen, findet Mashiah. Filialen in anderen Ländern unterhält er nicht – zu viel Aufwand. Lieber lässt er seine Kleider von Berlin aus verschicken. Gerade hat Mashiah eine Bestellung von zwei Boutiquen in Riga aufgenommen. Das Telefon klingelt ununterbrochen, eine Kundin möchte ihr Abendkleid partout in einer Farbe bestellen, die Mashiah nicht auf Lager hat. Und auch das EC-Kartenlesegerät zeigt sich von seiner tückischen Seite. Nebenbei gibt der Designer, immer wieder unterbrochen vom Telefon, sein Interview, wobei er das Image des viel beschäftigten Mannes perfekt pflegt.
Doch trotz der Hektik,
die er gekonnt verbreitet, gibt er Persönliches preis. Seine Eltern wanderten aus dem Iran nach Israel ein, »in den 50er-Jahren, der Zeit der Zelte und Auffanglager«. Merch Mashiah wuchs in Holon bei Tel Aviv auf. Bevor er Designer wurde, arbeitete er selbst jahrelang als Model auf europäischen Messen. »Das hat mir Spaß gemacht, das hatte seinen Reiz.« Das Alter, betont er, sei für ihn nicht der Grund gewesen, den Model-Beruf an den Nagel zu hängen: »Als Mann bekommt man auch in reiferem Alter noch Aufträge.« Auch um die Bezahlung sei es ihm nicht gegangen, obwohl weibliche Models »100-mal mehr verdienen als Männer«. Vor allem wollte Mashiah, der sich regelmäßig im Fitness-Center von seinem Berufsstress entspannt, etwas anderes: sich selbst verwirklichen, eigene Mode entwerfen. Er experimentierte, begann mit Männerkollektionen, unterhielt zunächst mit seiner heutigen Ex-Frau einen gemeinsamen Laden. Inzwischen entwirft er nur noch Damenmode. Am Anfang waren Mashiahs Kollektionen einfach, dann wurden sie immer ausgefallener und raffinierter.
Berlin sieht Merch Mashiah »auf dem Weg zu einer Modemetropole, aber das kann noch dauern«. Seinen Hauptumsatz macht der Designer im Ausland. Exportiert wird in andere europäische Länder, in die USA, nach Russland (»ein kommender Markt, die schätzen Mode und haben das Geld«), nach Australien und in arabische Länder wie Ägypten, Libanon und Kuwait. Dass er ein israelischer Geschäftsmann ist, bereite keine Probleme, sagt er. Im Gegenteil: »Die Araber sind supernett, die lachen viel, die kennen unsere Mentalität, ich komme sehr gut mit ihnen klar. Und die Araberinnen kaufen gerne sexy Kleider. Ich habe zum Beispiel Kunden in Saudi-Arabien. Ich weiß aber nicht, bei welcher Gelegenheit sie meine Kleider tragen.«
Laufstege, Ku’damm, Designermessen und bei Bedarf koscheres Geschirr: Mashiah lebt in verschiedenen Welten – und nimmt sich von jeder Welt das, was am besten zu ihm passt. Dazu gehört auch eine ganz eigene Art von Spiritualität. Seit einigen Jahren, das war nach dem Tod seines Vaters, legt Mashiah fast jeden Morgen Tefillin, die traditionellen jüdischen Gebetsriemen. Um gut in den Tag zu starten, nimmt er sich dafür fünf bis sieben Minuten Zeit. »Ich segne meine Eltern, ich segne meine Familie, meine Geschwister, ich segne meine Freunde. So fange ich jeden Tag mit einem schönen Gefühl an. Das tut gut im Herzen.«
Was wünscht er sich für die Zukunft? Mashiah überlegt – und redet dann nicht von Messen, Models und Märkten. »Früher wollte ich berühmt werden. Heute will ich einfach gut leben. Reichtum macht nicht unbedingt glücklich«, sagt der Designer. Dann klingelt wieder das Telefon.

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