Radio Maryja

Der Hetzer

von Gabriele Lesser

Polens Präsidentengattin ist eine »Hexe«, die die Euthanasie unterstützt und sich daher selbst »der Euthanasie unterziehen« solle, Polens Präsident ein Betrüger, der dem Einfluss der »jüdischen Lobby« erliegt und die Gazeta Wyborcza eine Zeitung, die die »zynische und falsche Mentalität des Talmuds« präsentiert. Solche Wahrheiten verkündet Pater Tadeusz Rydzyk seinen Studenten an der Medienhochschule im nordpolnischen Torun (Thorn). Dass Polens mächtiger Propaganda-Chef von Radio Maryja unter Verfolgungswahn leidet und überall Feinde sieht, die es gar nicht gibt, ist schon länger bekannt.
Doch erst jetzt will Pater Joseph Tobin, General der Ordensgemeinschaft der Redemptoristen in Rom, eingreifen. Denn außer von Juden und Kommunisten, von Deutschen und Russen fühlt sich Pater Rydzyk nun auch noch von Hexen und vom Satan bedroht. Vor einer Woche veröffentlichte das Nachrichtenmagazin Wprost die geheimen Tonbandaufnahmen der Rydzyk-Vorlesung. Seither debattiert ganz Polen darüber, ob die skandalösen Äußerungen des Paters der katholischen Kirche endlich reichen, um den Pater in eine psychiatrische Klinik einzuweisen oder ihn in ein abgelegenes Kloster zu bringen.
»Genug Rydzyk!« titelt Polens größte Tageszeitung Gazeta Wyborcza auf der ersten Seite. Es ist ein eher gequälter Aufschrei. Denn das linksliberale Blatt muss sich seit Jahren fast täglich die Angriffe von Radio Maryja, Telewizja Trwam und der Tageszeitung Nasz Dziennik gefallen lassen. Eine der freundlichsten Bezeichnungen ist noch »Koscherblatt«. Die Gazeta-Redakteure werden als Juden bezeichnet, als Freimaurer, Verräter, Kollaborateure und Pseudointellektuelle. »Juden« sind jedoch für Radio Maryja-Hörer das Schlimmste –sie sind der Inbegriff des Bösen.
»Die Äußerungen Rydzyks sind für mich schockierend«, sagt Israels Botschafter David Peleg. »Seit Monaten schon mache ich die Würdenträger der katholischen Kirche in Polen sowie den apostolischen Nuntius in Warschau darauf aufmerksam, dass Radio Maryja antisemitische Sendungen ausstrahlt.« Die Bischöfe aber würden sich immer damit herausreden, dass Pater Rydzyk und sein Radio nicht dem Episkopat unterstünden, sondern dem Redemptoristenorden. Den Antisemitismus in Radio Maryja würden sie zwar nicht unterstützen, aber die Übertragung der heiligen Messen sei doch sehr wichtig für Polens Katholiken. »Ich habe nichts gegen einen katholischen Sender«, sagt Peleg, »aber es sollte kein antisemitischer Sender sein, mit dem die Bischöfe sich einverstanden erklären!«
Ob es wirklich gelingt, den mächtigsten Pater Polens zu disziplinieren, ist allerdings fraglich. Denn sowohl der nationalkonservative Ministerpräsident Polens, Jaroslaw Kaczynski, als auch sein Bruder Lech, der Präsident, verdanken Pater Rydzyk ihren Sieg bei den letzten Wahlen. Rund acht Prozent der Stimmen sollen die permanenten Radio Maryja-Wahlaufrufe für die Kaczynskis gebracht haben. Das war wahlentscheidend. Die Dankbarkeit der Kaczynkis gegenüber dem antisemitischen Pater und der katholischen Kirche ist daher sehr groß. Auch wenn es in der letzten Zeit einigen Ärger um die Neuregelung des Abtreibungsrechts gab - Pater Rydzyk möchte die Abtreibung auch nach einer Vergewaltigung und sogar bei Gefahr für das Leben der Mutter oder des Kindes verbieten lassen – gelten die Kaczynskis doch als wichtige politische Sachwalter des erzkonservativen Katholizismus in Europa.
Dass die polnischen Redemptoristen ein Problem mit dem Antisemitismus haben, ist längst wissenschaftlich bewiesen. Studien über Radio Maryja und die seltsamen »Das ist kein Antisemitismus«-Erklärungen der Redemptoristen sind anscheinend nur nie im Vatikan angekommen. »Kauft nicht beim Juden!« ist den polnischen Redemptoristen zufolge kein Antisemitismus, ja nicht einmal ein Wirtschaftsboykott, der sich gegen Juden richtet, sondern eine »Integrationsmaßnahme, die dem Wohl der katholisch-polnischen Gemeinschaft« diene.
Polens Redemptoristen finden auch nicht, dass sich die Katholiken alles »von den Juden gefallen lassen« müssten. Und so schäumt Pater Rydzyk in seinen Vortrag vor Studenten: »Die Juden werden zu Dir kommen und sagen – Gib mir Deine Jacke! Gib mir Deine Hosen! Gib mir Deine Schuhe!« Die angehenden Journalisten sollen begreifen, dass Polens Präsident einen Fehler macht, wenn er auch nur darüber nachdenkt, ob er Juden finanziell entschädigen sollte, die von den Kommunisten enteignet wurden. Auch wenn die polnischen Kommunisten »die Juden« enteignet hätten, steht als Denkfigur dahinter, so waren diese Kommunisten doch Polen. Das Geld gehört nun allen Polen, auch den nicht kommunistischen. Daher sei es eine Gaunerei, wenn »die Juden« nun 65 Millionen Dollar vom polnischen Staat fordern würden.
Über 15 Jahre lang strahlt der katholisch-antisemitische Hetzsender nun schon katholische Messen im steten Wechsel mit Rosenkranzgebeten, liturgischen Gesängen und Hasstiraden gegen Juden aus. Vier bis fünf Millionen Stammhörer soll das Radio haben. Trotz zahlreicher Proteste aus dem In- und Ausland, sah der Ordensgeneral der Redemptoristen in Rom nie einen Grund zum Eingreifen. Nicht einmal dem Papst gelang es, den katholisch-antisemitischen Hetzsender Radio Maryja zum Schweigen zu bringen. Der Redemptoristen-Provinzial in Warschau konnte den Botschafter Israels und dessen Proteste denn auch gar nicht verstehen. Pater Rydzyk rege doch regelmäßig Pilgerreisen ins Heilige Land an, also nach Israel. Das sei doch geradezu philosemitisch. David Peleg zieht die Schultern nach oben: »Das hat mit der Realität nichts mehr zu tun.«
Protestiert hat diesmal auch das Simon Wiesenthal-Zentrum in Los Angeles. »Wir können keinen Priester akzeptieren, der Millionen Polen zum Hass aufhetzt«, appelliert Rabbiner Marvin Hier an Papst Benedikt XVI. »Pater Rydzyk ist ein Joseph Goebbels im Habit«. Es sei höchste Zeit, dass der Papst endlich handle und den Pater von seinem Posten abberufe. Der Rabbiner schrieb auch an den Ordensgeneral der Redemptoristen und forderte ihn zum Eingreifen auf. »Pater Tadeusz Rydzyk ist nicht einfach nur ein Individuum.«
Als Priester repräsentiert er die ganze katholische Kirche, und es ist die Kirche, die ihn disziplinieren muss.« Ein weiterer Brief ging an Erzbischof Jozef Michalik, den Vorsitzenden der polnischen Bischofskonferenz: »Es ist unannehmbar, dass Pater Rydzyk von seiner Radiokanzel aus Hass und Bigotterie verbreiten darf.«

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