Sasha Stone

Das neue Sehen

Von Jonathan Scheiner

»Kann man heute noch photographieren?«, fragte Sasha Stone im »Kunstblatt«, dem renommiertesten Fotomagazin der Weimarer Republik. Es sei ja schon alles abgelichtet worden. Eine rhetorische Frage, die der Fotograf nicht zuletzt mit seinen Bildern beantwortete. Der 1895 als Aleksander Serge Steinsapir in St. Petersburg geborene Künstler gilt als einer der wichtigsten Vertreter des »Neuen Sehens«. Zu seinen bedeutendsten Werken zählt der 1929 erschienene Fotoband »Berlin in Bildern«. Bis vor kurzem hielt man die Orginal-Abzüge für verschollen. Zum ersten Mal werden sie nun in der Berlinischen Galerie im Rahmen des 2. Europäischen Monats der Fotografie der Öffentlichkeit präsentiert.
Sasha Stone hatte seine Berlin-Bilder dem jüdischen Dr.-Hans-Epstein-Verlag in Wien geschickt. Der wählte rund 90 Fotos aus, die restlichen gingen verloren, als der Verlag »arisiert« wurde. Die Auswahl der Bilder in dem 1929 erschienen Band »Berlin in Bildern« hebt sich deutlich von den gängigen Postkarten-Klischees ab. Stone zeigte keine wilhelminischen Sehenswürdigkei- ten, sondern das Kraftwerk Klingenberg. Am Alexanderplatz interessierte ihn nicht das Panorama, sondern der turbulente Verkehr. Und am Bülowplatz fotografierte er nicht die beschauliche Architektur, sondern die Beine zweier Prostituierten. Stone erprobte neue Sichtweisen. Fotografische Konventionen und Regeln der visuellen Wahrnehmung werden außer Kraft gesetzt.
Daß Stone zur Avantgarde des Genres zählt, ist kein Zufall, war er doch mit dem wichtigsten Theoretiker der Fotografie, mit Walter Benjamin befreundet. 1928 hat Stone sogar das Cover für Benjamins Aphorismensammlung »Einbahnstraße« gestaltet. Prägend für Stones Werk war sein technisches Verständnis. Der Fotograf absolvierte zunächst eine Ausbildung als Elektromonteur in Warschau, bevor er nach New York auswanderte. Anfang der zwanziger Jahre besuchte er die Kunstakademie in Paris; danach die Kunstschule des Bildhauers Archipenko in Berlin. Zwei Jahre später gründete er in der Kurfürstenstraße ein Atelier für Werbe- und Industriefotografie mit dem Namen »Sasha Stone sieht noch mehr«. Zugleich stellte er eine Plastik in der Großen Berliner Kunstschau aus.
Die Quellen von Stones Werk liegen nicht allein in der visuellen Kunst. Er gestaltete W. Ruttmanns Film Berlin – Symphonie einer Großstadt oder portraitierte Tilla Durieux, Bruno Walter. Baron von der Heydt lichtete er vor der gewaltigen Tresortür seiner Bank ab. Der feine Witz des Fotografen zeigte sich auch in der Serie seiner Berlin-Fotomontage. Auf dem Bild »Wenn Berlin Biarritz wäre« wachsen Palmen im Berliner Zoo, der am Mittelmeer liegt. »Wenn Berlin Konstantinopel wäre«, dann läge nach Stones Vorstellung die Hagia Sophia neben dem Brandenburger Tor.
Sasha Stone, dessen Gesamtwerk über die Welt verstreut ist, war längst ein Star, als er Berlin 1932 verließ und in Brüssel ein Atelier gründete. Kurz vor dem Einmarsch der Nazis konnte er fliehen, erkrankte aber an Tuberkulose und starb (wie sein Freud Walter Benjamin) 1940 im südfranzösischen Perpignan. Angesichts seines Bekanntheitsgrades erstaunt es umso mehr, daß die »Berlin-Bilder« erst Anfang der neunziger Jahre von Sammlern in Wien entdeckt wurden. Thomas Friedrich, Kurator des »2. Monats der Fotografie« organisierte nun für die Ausstellung in Berlin. »Ein Jahr lang haben wir Zeit, die notwendigen finanziellen Mittel für den Ankauf der Bilder aufzutreiben«, sagt Ulrich Domröse, Leiter der Abteilung Fotografie der Berlinischen Galerie. Das solle unter anderem durch den Verlauf eines Kalenders mit 13 Berlin-Motiven gelingen.

Ab 28.10.2006 bis 11.3.2007 in der Berlinische Galerie, Landesmuseum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur, Alte Jakobstraße 124 – 128, 10969 Berlin.

Politik

Dobrindt in Israel - Treffen mit Netanjahu geplant

Innenminister: »Ich will zeigen, dass wir Israel als engsten Partner im Kampf gegen den Terror unterstützen.«

 28.06.2025

Berlin

Frei informiert die Fraktionschefs über Lage in Nahost

Die Bundesregierung ist nach dem US-Angriff auf den Iran im Krisenmodus. Am Vormittag findet ein Informationsgespräch im Kanzleramt statt, an dem auch die rechtsextremistische AfD teilnimmt

 23.06.2025

Ethik

Zentralrat will sich für Schächten auf europäischer Ebene einsetzen

In manchen Ländern und Regionen Europas ist das Schächten verboten

 22.06.2025

Iran-Krieg

Steinmeier sieht noch Chancen für Diplomatie

Für Diplomatie ist im nahen Osten derzeit kein Raum. Das muss aus Sicht von Bundespräsident Steinmeier aber nicht so bleiben

 18.06.2025

Krieg

Jerusalem warnt Menschen im Iran vor möglichen neuen Angriffen

In bestimmten Gebieten des Irans stehen offensichtlich neue Angriffe bevor. Israels Militär ruft die iranische Bevölkerung zur Evakuierung auf

 15.06.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 12. Juni bis zum 18. Juni

 11.06.2025

Tel Aviv/Gaza

Israel will Ankunft von Thunbergs Schiff in Gaza verhindern

Das Schiff des Bündnisses Freedom Flotilla Coalition ist unterwegs nach Gaza. Nach Angaben der Aktivisten nähern sie sich immer mehr dem Gebiet - Israel droht ihnen nun

 08.06.2025

Petition

Deutsche Prominente werfen Israel Völkermord vor

Die Unterzeichner verlangen eine Aussetzung von Rüstungsexporten

 05.06.2025

Bundestag

Wegen »Palestine«-Shirt: Linken-Abgeordnete des Plenarsaals verwiesen

Mit der politischen Botschaft auf ihrer Kleidung hatte Cansin Köktürk offenbar gegen die Regeln des Hauses verstoßen. Die Bundestagspräsidentin zog die Konsequenz

 04.06.2025