Chanukka

Billigkreisel und Selbstgebackenes

von Wladimir Struminski

Gerade für Kinder ist Chanukka ein freudiger Anlass. Bereits vor dem Fest werden Kreisel gekauft, die neunarmigen Leuchter geputzt und die ersten Sufganiot genossen. Vor allem aber: Chanukka ist ein Fest des Taschengeldes und der Geschenke. Gerade deshalb ist der Glanz des Lichterfestes für diejenigen getrübt, die an den materiellen Segnungen keinen Anteil haben. Zum Beispiel für die drei jungen Bewohner des Einwandererheims von Mevasseret Zion. Mit verträumtem Blick schlendern die vor einigen Monaten aus Äthio- pien immigrierten Achtjährigen durch den Spielzeugladen im feinen Harel-Einkaufszentrum. Das ist zwar nur 200 Meter vom Heim entfernt, für die Mittellosen aber dennoch eine unerreichbare Welt. Die Geschenke, die an der Kasse bezahlt werden, betrachten die kleinen Neueinwanderer mit einer Mischung aus Staunen und Enttäuschung. Für sie wird sich Chanukka auf den Unterricht über das Wunder im Tempel und ein Freizeitprogramm auf dem Heimgelände beschränken.
Es sind aber nicht nur Immigranten, an denen der kommerzielle Teil des Festes vorbeigeht. Für viele Kinder aus sozial schwachen Schichten bleibt es im besten Fall bei einem »Festpaket«, bestehend aus zwei mit Marmelade gefüllten Pfannkuchen und einem kleinen Kreisel aus Billigplastik, der im Supermarkt für 9.90 Schekel zu bekommen ist, umgerechnet zwei Euro. Nach Angaben der Wohlfahrtsorganisation Yad Eliezer, die Lebensmittelhilfe für bedürftige Familien organisiert, leben 1,6 Millionen der 7,3 Millionen Israelis in Armut. Jedes fünfte Kind, so die Organisation, geht mindestens einmal in der Woche hungrig zu Bett. Da wird die Sufgania zum Luxus. Und im Jahre 5769 macht die Wirtschaftskrise alles nur noch schlimmer.
Das erlebt Niv Mizrahi, Inhaber des Ha-Oren-Lebensmittelladens in einem weniger betuchten Stadtteil von Mevasseret Zion, jeden Tag hautnah. »Immer mehr Kunden schränken sich selbst bei Brot ein. Da brauchen wir von Sufganiot erst gar nicht zu reden.« Die werden jetzt lieber zu Hause gebacken, weil es billiger ist.
Zwar sparen die Israelis bei ihren Kindern zuallerletzt. »Ich will nicht, dass meine Kinder das Wort ‚Mitun’ (Rezession) überhaupt kennen«, sagt Natascha, eine aus der ehemaligen UdSSR eingewanderte Familienmutter. »Die Freude der Kinder darf nicht getrübt werden«, ergänzt Ada, eine Rabbinerfrau aus Jerusalem. Dennoch schmälert die Wirtschaftsflaute nicht nur bei den Armen den Chanukka-Spaß. Jeder spart dort, wo seine Schmerzgrenze beginnt. Spielzeugläden berichten von Umsatzeinbußen gegenüber dem Vorjahr: Vor dem Griff ins Regal, in dem die 150 Schekel teure Barbie-Puppe oder auch der für »nur« 80 Schekel zu habende Spiderman steht, drehen auch Väter und Mütter aus dem Mittelstand die Kreditkarte zweimal um. Denn auch sie haben in der Zeitung gelesen, dass die Wirtschaft im kommenden Jahr fast vier Prozent aller Stellen streichen will. Da weiß man nicht, wen es trifft. Für kommerzielle Chanukka-Veranstaltungen, die zwischen 50 und 200 Schekel pro Kind kosten, geben viele Eltern in diesem Jahr ebenfalls kaum Geld aus. Das ist für den Nachwuchs besonders schmerzhaft, weil unablässige Fernsehwerbung den Gang zu den teuren Aufführungen schon für Erstklässler zur Prestigefrage werden lässt. Am oberen Ende der Sozialskala streichen in diesem Jahr selbst Mitarbeiter von Hightech-Firmen den traditionellen Eilat-Urlaub mit den Kindern, Kostenpunkt zwischen 6.000 und 10.000 Schekel.
Um wenigstens den Schwächsten zum Fest unter die Arme zu greifen, wären mildtätige Organisationen besonders gefordert. Allerdings müssen sie gerade in diesem Jahr mit besonders knappen Etats auskommen. »In der Vergangenheit haben wir Kinderhilfe speziell zu Chanukka angeboten«, sagt Shlomit Shulov-Barkan, stellvertretende Generaldirektorin der Hilfsorganisation Meir Panim – Koach Latet (www.meir-panim.org, email: info@ meirpanim.de). Über die Geschenkpakete haben sich die Kinder riesig gefreut. In diesem Jahr aber muss sich die Organisation aufs Wesentliche beschränken: »Das Spendenaufkommen ging im Lande wie im Ausland stark zurück.« Der schwache Dollar verstärkte den Negativeffekt: »In diesem Jahr lagen unsere Spendeneinnahmen um 30 bis 40 Prozent unter dem Vorjahreswert.« Da konzentriert sich die Hilfe auf Essenzielles, beispielsweise den Betrieb der landesweit sieben Nachmittags-Kinderhorte oder auf die Bereitstellung von täglich 10.000 warmen Mahlzeiten an bedürftige Kinder. »Essen«, seufzt Shulov-Barkan, »hat eben Vorrang vor Spielzeug.«

Terror

Polizei: 9 Tote bei Angriff in Sydney

Was bislang bekannt ist - und was nicht

 14.12.2025

Sydney

Jewish organizations decry the »scourge« of antisemitism

This time the focus is on Australia. It is hosting a conference of the international Jewish initiative »J7.« The group is presenting figures on Jew-hatred on the continent – and speaks of historic highs.

von Leticia Witte  03.12.2025

Kino

Blick auf die Denkerin

50 Jahre nach Hannah Arendts Tod beleuchtet eine Doku das Leben der Philosophin

von Jens Balkenborg  02.12.2025

Thüringen

Verfassungsschutz-Chef schätzt AfD-Jugend als rechtsextrem ein

Die Mitglieder der »Generation Deutschland« würden in ihren ersten Auftritten »weder eine Mäßigung noch eine Distanzierung oder gar Wandlung« zeigen, so Kramer

 02.12.2025

Tel Aviv-Jaffa

Shimon-Peres-Preis wird erstmals in Israel verliehen

60 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen Deutschland und Israel sind der Anlass: Zum ersten Mal wird der Shimon-Peres-Preis für gemeinsame demokratische Vorhaben in Israel feierlich übergeben

von Alexander Riedel  01.12.2025

TV-Kritik

Viel Krawall und wenig Erkenntnis: Jan Fleischhauer moderiert im ZDF den Kurzzeitknast der Meinungen

Mit »Keine Talkshow - Eingesperrt mit Jan Fleischhauer« setzt das ZDF auf Clash-TV: ein klaustrophobisches Studio, schnelle Schnitte, Big-Brother-Momente und kontroverse Gäste - viel Krawall, wenig Erkenntnis

von Steffen Grimberg  24.11.2025

Teilnehmer des Mitzvah Day 2016 in Berlin

Tikkun Olam

»Ein Licht für die Welt«

Der Mitzvah Day 2025 brachte bundesweit Gemeinden, Gruppen und Freiwillige zu mehr als 150 Projekten zusammen

 23.11.2025

Hebraica

»Was für ein Buchschatz!«

Stefan Wimmer über die Münchner Handschrift des Babylonischen Talmuds als UNESCO-Weltkulturerbe

von Ayala Goldmann  23.11.2025

TV-Tipp

Oliver Masucci brilliert in dem Mehrteiler »Herrhausen - Der Herr des Geldes«

Biografischer Mehrteiler über Bankier Alfred Herrhausen

von Jan Lehr  17.11.2025