Glosse

Frohe Wasimmerauch!

Für jeden was dabei: Weihnachtsmann-Alternativvorschlag Foto: Marco Limberg

Wir wollen nicht unverschämt sein: Mit bestenfalls 200.000 von 80 Millionen Bundesbürgern sind wir eine winzige Minderheit – 0,25 Promille der Bevölkerung, ein Wert, der sonst nur bei Alkohol am Steuer relevant ist. Aber trotzdem: Das mit den Weihnachtsgrußkarten nervt. Seit Wochen fallen einen in der Post Bilder von Tannenbäumen, Winterlandschaften, Weihnachtsmännern mit und ohne Rentierschlitten an, gelegentlich sogar Krippenszenen mit Jesus, Maria und Josef. Dazu herzliche Christfest- und Silvesterwünsche.

Eigentlich gebietet die Etikette, darauf ebenfalls mit Grußkarten zu antworten. Doch der Gedanke, massenhaft gojische Ikonografie einzutüten, ist irgendwie befremdlich. Offen reagieren kann man auch nicht: »Wir feiern kein Weihnachten! Und unser Neues Jahr war schon im September!« ist nicht sehr höflich. Und die Karten sind ja nett gemeint. Genauso wie die Fragen, ob man schon einen Baum gekauft hat und was es Heiligabend Leckeres zu Essen gibt.

Taktgefühl Das sind die Momente, in denen man sich wünscht, in den USA zu leben. Nicht, dass dort nicht auch der Weihnachtsrummel tobt – und wie! Dagegen geht es hierzulande fast dezent zu. Doch die Amerikaner haben, teils aus Taktgefühl, teils aus politischer Korrektheit, gelernt, sich mit religiös anmutenden Grüßen zurückzuhalten. Weshalb dort auf den meisten Grußkarten nicht »Merry Christmas!« steht, sondern »Season’s Greetings!« Das passt zu allen Jahresendzeitfesten, ob sie nun Weihnachten heißen, Chanukka oder für Bewusste Schwarze Kwanzaa.

So etwas wünscht man sich auch für hiesige Verhältnisse. Rein sprachlich wäre es kein Problem. »Frohe Feiertage!« kann jeder nach seiner Fasson auslegen. Dazu ein kulturell neutrales Motiv – vielleicht etwas Abstraktes –, und fertig ist die Laube. (Hat nichts mit Sukkot zu tun.) Der Markt dafür wäre vorhanden. Nicht wegen uns paar Juden. Aber auch die vielen muslimischen Türken wären sicher dankbar, ohne identitäre Verrenkungen beim allgemeinen winterlichen Grußkartenkonzert mitspielen zu können. Von wegen Integration und so.

Vielleicht greift ja endlich ein kluger Unternehmer die Idee auf. Bis dahin müssen wir uns mit individuellen Lösungen behelfen. Ein guter Freund hat mir vor ein paar Wochen per E-Mail eine »schöne jüdische Vorweihnachtszeit« gewünscht. Ich habe ihm geantwortet: »Die heißt Chanukka!«.

Bonn

Beethoven-Haus zeigt Ausstellung zu Leonard Bernstein

Die lebenslange Beschäftigung des Ausnahmetalents mit Beethoven wird dokumentiert

 25.04.2024

Potsdam

Chronist der neuen Weiblichkeit

Das Museum Barberini zeigt Modiglianis Menschenbilder in neuem Licht

von Sigrid Hoff  25.04.2024

München

Ausstellung zeigt Münchner Juden im Porträt

Bilder von Franz von Lenbach und anderen sind zu sehen

 25.04.2024

Wien

Spätwerk von Gustav Klimt für 30 Millionen Euro versteigert

Der Künstler malte das »Bildnis Fräulein Lieser« kurz vor seinem Tod

 25.04.2024

Los Angeles

Barbra Streisand: Lovesong als Zeichen gegen Antisemitismus

Für die Serie »The Tattooist of Auschwitz« singt sie das Lied »Love Will Survive«

 25.04.2024

Kommentar

AfD in Talkshows: So jedenfalls nicht!

Die jüngsten Auftritte von AfD-Spitzenpolitikern in bekannten Talk-Formaten zeigen: Deutsche Medien haben im Umgang mit der Rechtsaußen-Partei noch viel zu lernen. Tiefpunkt war das Interview mit Maximilian Krah bei »Jung & Naiv«

von Joshua Schultheis  24.04.2024

Meinung

Der Fall Samir

Antisemitische Verschwörungen, Holocaust-Relativierung, Täter-Opfer-Umkehr: Der Schweizer Regisseur möchte öffentlich über seine wirren Thesen diskutieren. Doch bei Menschenhass hört der Dialog auf

von Philipp Peyman Engel  22.04.2024

Essay

Was der Satz »Nächstes Jahr in Jerusalem« bedeutet

Eine Erklärung von Alfred Bodenheimer

von Alfred Bodenheimer  22.04.2024

Sehen!

Moses als Netflix-Hit

Das »ins­pirierende« Dokudrama ist so übertrieben, dass es unabsichtlich lustig wird

von Sophie Albers Ben Chamo  22.04.2024