Berlin

Interreligiös dichten

Anmerkung der Redaktion (2. August 2023):

Als dieser Text von Fabian Wolff in der Jüdischen Allgemeinen erschien, glaubte die Redaktion Wolffs Auskunft, er sei Jude. Inzwischen hat sich Wolffs Behauptung als unwahr herausgestellt.

»As-sal? mu? alaikum, hallo, shalom, grüß Gott, wasauchimmer!« Schon bei der Begrüßung wird klar, dass »i,Slam-we,Slam« keine öde Pseudo-Ökumene bietet. 300 junge Gläubige – Moslems, Christen, Juden und Baha’i – haben sich am Samstagabend in der Urania Berlin getroffen, um den deutschlandweit ersten interreligiösen Dichtkunst-Wettstreit zu sehen.

»we,Slam« ist ein Ableger von »i,Slam« (ausgesprochen wie ein Apple-Produkt), einem Poetry Slam für muslimische Jugendliche. Die Idee, die Zielgruppe zu erweitern, kam den beiden Organisatoren Younes Al-Amayra und Youssef Adlah schon früh. Nach vielen Monaten Arbeit und Unterstützung der interreligiösen Initiative »JUGA – jung, gläubig, aktiv« war es dann so weit: Acht Teilnehmerinnen und Teilnehmer – je zwei pro Religion – traten im Slam gegeneinander an.

Dabei gibt es nur wenige Regeln – »die fünf Säulen des i,Slam«: Respekt, kein Diebstahl, keine Requisiten, Einhalten des Zeitlimits und vor allem keine Angriffe auf Personen oder andere Religionen. Das Publikum entscheidet über den Sieger.

Gags Dabei waren die Texte weit entfernt von Kirchentagskitsch: So erzählt der erfahrene Slammer Mohammet Ali Bas von einem jungen Mann, der abwechselnd Moslem, Jude und Christ ist und deswegen natürlich »Hussein Goldkreuz« heißt. Auch in den anderen Beiträgen geht es um große Themen: Glauben, Politik, Sinnsuche, Alltag, mal ernsthaft, mal mit Gags garniert. Daniel aus der jüdischen Gruppe berichtet in seinem Text »Wodka, Brezel, Hummus« von seiner Dreigespaltenheit: als Jude in Deutschland mit tiefen Verbindungen zu Russland und Israel. Der Schüler des Jüdischen Gymnasiums in Berlin war mit seinen gerade einmal 16 Jahren der jüngste Teilnehmer und landete trotzdem im Finale.

Doch nicht nur Jugendliche gingen auf die Bühne, auch Geistliche der vier teilnehmenden Religionen traten gegeneinander an. Dr. Ali Özgur Özdil, der »Online-Imam«, las einen Text über muslimische Traumfrauen und -männer vor, gespickt mit Insiderwitzen. So erntet die Feststellung, dass 50 Prozent aller Heiratsanwärter auf Online-Kontaktbörsen für Moslems Marokkaner sind, viele Lacher und Applaus.

gmbh Der Auftritt des bühnengeübten Rabbiners Walter Rothschild war vielleicht das Highlight des Abends. Mit Gags über Beschneidungen, Ejakulation und das Judentum als GmbH – »Glauben mit beschränkter Hoffnung« – wurde er schnell zum Rabbi der Herzen im Saal.

Der Siegerbeitrag des Abends von der muslimischen Studentin Faten betonte dann noch einmal die Bedeutung dieses einen Fleckchens Erde, das im Lauf des Abends oft nur am Rande vorkam, für alle vier anwesenden Glaubensgemeinschaften. »we,Slam« war also etwas ganz Besonderes: Dichtkunst als Brücke, und das ganz ohne leere »Aufeinander zugehen, miteinander lernen«-Phrasen. Der Organisator Younes Al-Amayra hat die Hoffnung, die Veranstaltung zum jährlichen Event zu machen.

München

Filmemacher Michael Verhoeven ist tot

Mit kritischen Filmen über den Vietnamkrieg oder den Nationalsozialismus setzte der Filmemacher Akzente

 26.04.2024

Glosse

Ständig wird gestört

In Berlin stürmten erneut propalästinensische Kräfte in Anwesenheit der Kulturstaatsministerin die Bühne

von Michael Thaidigsmann  26.04.2024

Immanuel Kant

Aufklärer mit Ressentiments

Obwohl sein Antisemitismus bekannt war, hat in der jüdischen Religionsphilosophie der Moderne kein Autor mehr Wirkung entfaltet

von Christoph Schulte  26.04.2024

Karl Kraus

»Als ob man zum ersten und zum letzten Mal schriebe«

Zum 150. Geburtstag des großen Literaten und Satirikers

von Vladimir Vertlib  26.04.2024

Bonn

Beethoven-Haus zeigt Ausstellung zu Leonard Bernstein

Die lebenslange Beschäftigung des Ausnahmetalents mit Beethoven wird dokumentiert

 25.04.2024

Potsdam

Chronist der neuen Weiblichkeit

Das Museum Barberini zeigt Modiglianis Menschenbilder in neuem Licht

von Sigrid Hoff  25.04.2024

München

Ausstellung zeigt Münchner Juden im Porträt

Bilder von Franz von Lenbach und anderen sind zu sehen

 25.04.2024

Wien

Spätwerk von Gustav Klimt für 30 Millionen Euro versteigert

Der Künstler malte das »Bildnis Fräulein Lieser« kurz vor seinem Tod

 25.04.2024

Los Angeles

Barbra Streisand: Lovesong als Zeichen gegen Antisemitismus

Für die Serie »The Tattooist of Auschwitz« singt sie das Lied »Love Will Survive«

 25.04.2024