EILMELDUNG! Friedrich Merz im zweiten Versuch zum Bundeskanzler gewählt

Vortrag

Zwischen zwei Welten

»Israel als friedliches europäisches Land im Nahen Osten«: Steven E. Aschheim (r.) Foto: Thomas Hauzenberg

Zum dritten Mal fand am Lehrstuhl für jüdische Geschichte und Kultur die von der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern geförderte »Yerushalmi Lecture« statt. Dafür hatte der Historiker Michael Brenner seinen Kollegen Steven E. Aschheim von der Hebräischen Universität in Jerusalem gewinnen können. Dieser erlebte Brenners berühmten Doktorvater und Namensgeber dieser Reihe, Yosef Hayim Yerushalmi (1932–2009), nur einmal persönlich und zwar während eines Vortrags über Schmuel Hugo Bergman.

Als die Rede auf Bergmans Psychoanalytikerin kam, platzte Yerushalmi damit heraus, dass es auch seine gewesen sei und stürmte hinaus. So impulsiv sei der große Gelehrte und Verfasser so herausragender Studien wie »Zachor: Erinnere Dich – Jüdische Geschichte und jüdisches Gedächtnis« und »Freuds Moses. Endliches und unendliches Judentum« eben gewesen. Dabei war der Doktorvater des eingeladenen Referenten nicht weniger berühmt.

schwerpunkte Aschheim, der 1942 in Johannesburg geboren wurde, promovierte bei George L. Mosse. Seine an der Universität von Wisconsin veröffentlichte Doktorarbeit befasste sich mit dem Thema »Brüder und Fremde: Die osteuropäischen Juden in Deutschland und das deutsch-jüdische Bewusstsein 1800–1923«. Wie Brenner andeutete, führten Aschheims Gastprofessuren ihn um den halben Globus, von Berlin über Budapest bis Toronto und Dublin. Zu seinen großen Themen gehören »Nietzsche und die Deutschen«, »Hannah Arendt in Jerusalem«, »Spiegelbild, Projektion, Zerrbild. ›Ostjuden‹ in der jüdischen Kultur in Deutschland« und vergleichende Studien über Gershom Scholem, Hannah Arendt und Victor Klemperer.

Man durfte also gespannt sein, was dieser Kenner europäischer und jüdischer Geistesgeschichte zum Thema »Zionismus und Europa« zu sagen hatte. Pointiert skizzierte Aschheim den Zionismus als »Reaktion auf das offensichtliche Versagen der europäischen Emanzipationsbewegung und den gleichzeitigen Anstieg eines virulenten Antisemitismus«. Es war auch kein Zufall, dass Theodor Herzls jüdischer Nationalismus im späten 19. Jahrhundert in Wien geboren wurde, als die Völker unter dem Dach der Habsburger Monarchie ihre nationale Selbstbestimmung einzufordern begannen.

Herzls Traum von einem jüdischen Staat, der 1897 in Basel und nicht wie ursprünglich geplant in München offiziell wurde, sah ganz anders aus als er in Wirklichkeit wurde. Herzls Altneuland sollte kein »exklusiver oder religiöser ›jüdischer Staat‹, sondern eher ein ›Staat der Juden‹ sein, ein friedliches europäisches Land im Nahen Osten«. Dabei schwebte ihm Deutsch als bevorzugte künftige Sprache vor und ein kosmopolitisches Haifa. Diese Stadt sagte Herzl wohl mehr zu als Jerusalem.

Jüdischer Staat Dass sich zwischen »westlichen« und »östlichen« Befürwortern eines jüdischen Staates Wahrnehmungs- und Meinungsverschiedenheiten auftaten, liegt auf der Hand. Der Journalist Achad Ha’am warf Theodor Herzl und Max Nordau vor, sie hätten sich vom Judentum entfernt.

Der Literaturwissenschaftler Ludwig Strauss wollte das Wesen des Judentums über das Studium Goethes entdecken, der Philosoph Schmuel Hugo Bergman meinte es ausgerechnet mithilfe von Johann Gottlieb Fichte zu entdecken, und der Politiker Chaim Weizmann, der mit beiden Welten, der europäischen säkularen Kultur und der ostjüdischen Tradition, vertraut war, glaubte – überspitzt gesagt –, dass man das Ghetto und Europa zusammenbringen könne. Nicht einmal Martin Buber entging der Polarisierung, sonst wäre er nicht auf ein Gegenüber von »Judentum« (repräsentiert durch den Osten) und »Menschentum« (verkörpert durch den Westen) verfallen.

Jom Haschoa

Geboren im Versteck

Bei der Gedenkstunde in der Münchner Synagoge »Ohel Jakob« berichtete der Holocaust-Überlebende Roman Haller von Flucht und Verfolgung

von Luis Gruhler  05.05.2025

Berlin/Potsdam

Anderthalb Challot in Apartment 10b

In Berlin und Potsdam beginnt am 6. Mai das Jüdische Filmfestival. Die Auswahl ist in diesem Jahr besonders gut gelungen

von Katrin Richter  05.05.2025

Sehen!

Die gescheiterte Rache

Als Holocaust-Überlebende das Trinkwasser in mehreren deutschen Großstädten vergiften wollten

von Ayala Goldmann  04.05.2025 Aktualisiert

Nachruf

»Hej då, lieber Walter Frankenstein«

Der Berliner Zeitzeuge und Hertha-Fan starb im Alter von 100 Jahren in seiner Wahlheimat Stockholm

von Chris Meyer  04.05.2025

Essay

Das höchste Ziel

Was heißt es eigentlich, ein Mensch zu sein? Was, einer zu bleiben? Überlegungen zu einem Begriff, der das jüdische Denken in besonderer Weise prägt

von Barbara Bišický-Ehrlich  04.05.2025

Zusammenhalt

Kraft der Gemeinschaft

Die Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern feierte das Fest der Freiheit im Geiste von Tradition und Herzlichkeit

von Rabbiner Shmuel Aharon Brodman  03.05.2025

Porträt der Woche

Die Zeitzeugin

Assia Gorban überlebte die Schoa und berichtet heute an Schulen von ihrem Schicksal

von Christine Schmitt  03.05.2025

München

Anschlag auf jüdisches Zentrum 1970: Rechtsextremer unter Verdacht

Laut »Der Spiegel« führt die Spur zu einem inzwischen verstorbenen Deutschen aus dem kriminellen Milieu Münchens

 02.05.2025

Auszeichnung

Margot Friedländer erhält Großes Verdienstkreuz

Die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer erhält das große Verdienstkreuz der Bundesrepublik. Steinmeier würdigt ihr Lebenswerk als moralische Instanz

 02.05.2025