Interview

»Zeichen für Toleranz«

Herr Pape, Sie werden zusammen mit anderen Jugendlichen in dieser Woche zum Anne-Frank-Botschafter ernannt. Was verbinden Sie damit?
Als Anne-Frank-Botschafter ernannt zu werden, ist für mich Anerkennung und Motivation in gleichem Maße. Anerkennung, weil ich in den vergangenen sechs Monaten zusammen mit meiner Gruppe in Gütersloh neben einem Holocaust-Mahnmal zwei andere Projekte erarbeitet habe. Motivation, weil es noch viel zu tun gibt. Es gibt viele Ideen, viele Aktionen, die darauf warten, Toleranz zu fördern und Rassismus, Antisemitismus und Homophobie zu mindern. Ich hoffe, dass uns der Titel »Anne-Frank-Botschafter« viele neue Türen öffnet, um größere und vielleicht auch bessere Projekte zu verwirklichen.

Was genau sind Ihre Aufgaben als Botschafter?
Otto Frank sagte einmal, dass »jeder die Pflicht hat, gegen Vorurteile zu kämpfen«. Das Wort »kämpfen« finde ich zwar etwas unpassend gewählt, aber sein Zitat spiegelt dennoch unsere Hauptaufgabe als Botschafter wider. Wir wollen durch verschiedene Aktionen und Projekte das Zusammenleben in unserer Gesellschaft verbessern. Wir wollen Zeichen für mehr Toleranz setzen und uns aktiv für die Akzeptanz menschlicher Vielfalt stark machen. Die Aufgaben reichen von der Planung über die Organisation bis hin zu Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Alle Aufgaben - und Herausforderungen, die oft entstehen - werden von uns selbstständig gemeistert. Nur, wenn wir einmal nicht weiter wissen, wenden wir uns an das Anne Frank Zentrum. Dort hat man immer einen Tipp parat.

Was bedeutet Ihnen die Geschichte von Anne Frank?

Das Schicksal von Anne Frank ist eine mahnende Geschichte, die uns zeigt, dass sich etwas wie der Holocaust niemals wiederholen darf. Niemals wieder dürfen Menschen, die nicht in eine bestimmte Weltanschauung passen, verschleppt, missbraucht oder ermordet werden. Wir müssen versuchen, einander zu verstehen, und uns die Hände zum Dialog reichen.

Wann haben Sie das erste Mal die Aufzeichnungen von Anne gelesen?
Ich bin zurzeit dabei, das Tagebuch zum ersten Mal zu lesen und habe letzte Woche mit anderen angehenden Botschafterinnen das Hinterhaus in Amsterdam besucht. Ein bedrückender und beeindruckender Ort, der die Aufzeichnungen wahrhaft lebendig werden lässt und nachdenklich macht. Ich habe mich in meiner Schulzeit zwar schon mit Ausschnitten aus dem Tagebuch befasst, aber mich nie intensiver mit der Niederschrift von Anne Frank auseinandergesetzt. Jetzt kann ich das Tagebuch aber kaum noch aus der Hand legen.

Gibt es eine Stelle, die Sie nachhaltig besonders bewegt hat?

Anne hat mehr als zwei Jahre auf engstem Raum mit den anderen sieben Untergetauchten gelebt und gearbeitet. Sie hat nie ihre Hoffnung, ihren Mut und ihren Glauben an das Gute im Menschen verloren. Bewegend fand ich vor allem die Stelle, an der sie ihre Wünsche für die Zeit danach aufzählt. Sie träumte von einem Leben in Freiheit. Sie wollte wieder lachen, wollte einfach frei sein. Die Hoffnung darauf hat sie nie verloren, dafür aber ihr noch viel zu junges Leben.

Wenn Sie Anne heute treffen könnten, was würden Sie sie fragen?

Ich würde sie fragen, woher sie die Kraft nahm, an das Gute in jedem Menschen zu glauben, obwohl die Menschlichkeit zu ihrer Zeit sich beinahe selbst ausgelöscht hat.

Mit dem Schüler aus Gütersloh sprach Katrin Richter.

Mit dem Titel Anne Frank-Botschafter zeichnet das Anne Frank-Zentrum Berlin erstmals Jugendliche aus, die im vergangenen Jahr die Anne Frank-Wanderausstellung betreut haben. Sie werden für ihr gesellschaftliches Engagement geehrt. Während der Ausbildung zu den Botschaftern entwickelten die Jugendliche eigene Projekte für Freiheit und Demokratie. Das Projekt von Stefan-Matthias Pape heißt »Ich bin Mensch« und setzt sich für Demorkratie und gegen Rassismus ein.

www.annefrank.de
www.ichbin-mensch.de

Interview

Holocaust-Überlebender Weintraub wird 100: »Ich habe etwas bewirkt«

Am 1. Januar wird Leon Weintraub 100 Jahre alt. Er ist einer der letzten Überlebenden des Holocaust. Nun warnt er vor Rechtsextremismus und der AfD sowie den Folgen KI-generierter Fotos aus Konzentrationslagern

von Norbert Demuth  16.12.2025

Magdeburg

Neuer Staatsvertrag für jüdische Gemeinden in Sachsen-Anhalt

Das jüdische Leben in Sachsen-Anhalt soll bewahrt und gefördert werden. Dazu haben das Land und die jüdischen Gemeinden den Staatsvertrag von 2006 neu gefasst

 16.12.2025

Bundestag

Ramelow: Anschlag in Sydney war Mord »an uns allen«

Erstmals gab es in diesem Jahr eine Chanukka-Feier im Bundestag. Sie stand unter dem Eindruck des Anschlags auf eine Feier zum gleichen Anlass am Sonntag in Sydney

 16.12.2025

Attentat in Sydney

»Was würden die Opfer nun von uns wollen?«

Rabbiner Yehuda Teichtal hat bei dem Attentat in Sydney einen Freund verloren und wenige Stunden später in Berlin die Chanukkia entzündet. Ein Gespräch über tiefen Schmerz und den Sieg des Lichts über die Dunkelheit

von Mascha Malburg  16.12.2025

Berlin

Chanukka-Licht am Brandenburger Tor entzündet

Überschattet vom Terroranschlag in Sydney wurde in Berlin das erste Licht am Chanukka-Leuchter vor dem Brandenburger Tor entzündet. Der Bundespräsident war dabei

 15.12.2025

Meinung

Es gibt kein Weihnukka!

Ja, Juden und Christen wollen und sollen einander nahe sein. Aber bitte ohne sich gegenseitig zu vereinnahmen

von Avitall Gerstetter  15.12.2025

Berlin

Straße nach erster Rabbinerin der Welt benannt

Kreuzberg ehrt Regina Jonas

 12.12.2025

Berlin

Jüdisches Museum bekommt zusätzliche Förderung

Das Jüdische Museum in Berlin gehört zu den Publikumsmagneten. Im kommenden Jahr feiert es sein 25. Jubiläum und bekommt dafür zusätzliche Mittel vom Bund

 12.12.2025

Chanukkia

Kleine Leuchter, große Wirkung

Von der Skizze bis zur Versteigerung – die Gemeinde Kahal Adass Jisroel und die Kunstschule Berlin stellen eine gemeinnützige Aktion auf die Beine. Ein Werkstattbesuch

von Christine Schmitt  12.12.2025