Impfen

»Wir werden noch viele Monate Maske tragen«

Im Altenheim der Jüdischen Gemeinde Frankfurt fanden die ersten Impfungen statt. Foto: Rafael Herlich

Ein aktuelleres Thema kann man sich derzeit nicht vorstellen. Am Dienstagnachmittag traf Laura Cazés, Referentin für Verbandsentwicklung der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST), Leo Latasch zu einem live auf Facebook übertragenen Online-Gespräch über die Corona-Impfungen. Latasch ist Facharzt für Anästhesie und Mitglied in den Vorständen der Jüdischen Gemeinde Frankfurt am Main sowie der ZWST. Derzeit leitet er zudem mobile Impfteams in Hessen.

Kurz vor dem Gespräch hatte Latasch noch den Impfstart im Altenzentrum der Frankfurter Gemeinde betreut. Dort seien am ersten Tag 60 Personen geimpft worden, berichtete er. Die restlichen 120 Bewohner und Mitarbeiter würden voraussichtlich in den nächsten acht bis zehn Tagen die erste Impfung erhalten. Eine zweite muss jeweils drei bis vier Wochen später erfolgen.

Impf-Fürsprecher Im Altenzentrum habe er keine Zurückhaltung bezüglich der Impfung festgestellt, sagte Latasch. Auch bei weiteren Einsätzen des mobilen Impfteams habe er diese Erfahrung gemacht. »Gerade die Älteren sind sehr besorgt und möchten so rasch als möglich geimpft werden.«

Den Start der bundesweiten Impfkampagne bezeichnete Latasch als »ein bisschen holprig«. »Die Infrastruktur ist da, die Ärzte können jederzeit loslegen«, betonte er. Das Hauptproblem sei, dass immer noch nicht genügend Impfstoff nachgeliefert werde. Daher könnten die großen Impfzentren nicht geöffnet werden und ihre Arbeit aufnehmen.

Auch werde es noch mindestens zwei Monate dauern, bis bettlägerige Menschen zu Hause geimpft werden können. »Das hängt mit dem Impfstoff zusammen«, sagte Latasch bezogen auf das Vakzin von Biontech und Pfizer. Das Material sei sehr empfindlich, und der Inhalt eines Fläschchens müsse innerhalb von 60 Minuten verimpft werden. Latasch wies zudem darauf hin, dass der Biontech-Pfizer-Impfstoff nicht in normalen Kühlschränken gelagert werden kann, da er bei minus 70 Grad gekühlt werden muss. Allerdings werde sich die Situation in den nächsten Wochen entspannen, wenn Vakzine von anderen Firmen bereitstehen.

Vorerkrankungen Auf Cazés’ Frage, wann auch jüngere Menschen ohne Vorerkrankungen geimpft werden könnten, entgegnete Latasch: »Ich befürchte, in vier bis sechs Monaten.« Er schätze, dass man gegen Jahresende so weit sei, ausreichend Material für alle Altersgruppen in Deutschland und Europa zu haben, prognostizierte Latasch.

Die viel diskutierte hohe Impfgeschwindigkeit in Israel erklärte Leo Latasch mit den dort geltenden Gesetzen. In Israel dürften auch Krankenschwestern und Pfleger impfen, außerdem habe der jüdische Staat ausreichend Impfdosen bekommen. In Deutschland gelte eine Amtshaftung. Das beinhalte, dass man nur von einem Arzt geimpft werden darf.

Nebenwirkungen bei den Impfungen prägen sich laut Tests eher bei jüngeren Probanden als bei älteren aus.

Cazés und Latasch sprachen außerdem über medizinische Aspekte der Impfung. Die Abwehrkraft des Körpers beginne erst acht bis zehn Tage nach der ersten Impfung zu wirken, erläuterte Latasch. Voller Impfschutz trete erst nach der zweiten Impfung ein.

Als Nebenwirkungen der Impfungen können Schmerzen an der Einstichstelle, erhöhte Temperatur oder Fieber auftreten, klärte Latasch auf. Während der Tests habe sich herausgestellt, dass Nebenwirkungen bei jüngeren Probanden bisher ausgeprägter gewesen seien als bei älteren Menschen. Schwangeren oder Frauen in der Stillzeit werde von der Impfung abgeraten.

Geduld Latasch mahnte generell zu Geduld und weiteren Vorsichtsmaßnahmen: »Leider wird man noch viele Monate eine Maske tragen müssen.« Schließlich müssten mindestens 60 Prozent der Bevölkerung geimpft werden, damit eine »Herdenimmunität« eintrete.

Der Arzt hatte aber auch eine zuversichtlich stimmende Botschaft. In den nächsten Monaten würden Medikamente auf den Markt kommen, die zumindest schwere Corona-Verläufe dämpfen können. »Die Überlebenschancen der schwer Erkrankten werden deutlich steigen«, versicherte Latasch.

Das Gespräch ist auch auf YouTube mit russischen Untertiteln verfügbar.

Meinung

Die Tränen des Kanzlers

Bei seiner Rede in München gab Friedrich Merz ein hochemotionales Bekenntnis zur Sicherheit jüdischen Lebens ab. Doch zum »Nie wieder dürfen Juden Opfer werden!« gehört auch, den jüdischen Staat nicht im Stich zu lassen

von Philipp Peyman Engel  17.09.2025

München

Knobloch lobt Merz-Rede in Synagoge

Am Montagabend wurde in München die Synagoge Reichenbachstraße wiedereröffnet. Vor Ort war auch der Bundeskanzler, der sich bei seiner Rede berührt zeigte. Von jüdischer Seite kommt nun Lob für ihn - und ein Appell

von Christopher Beschnitt  16.09.2025

Auszeichnung

Düsseldorfer Antisemitismusbeauftragter erhält Neuberger-Medaille

Seit vielen Jahren setze sich Wolfgang Rolshoven mit großer Entschlossenheit gegen Antisemitismus und für die Stärkung jüdischen Lebens in Düsseldorf ein, hieß es

 16.09.2025

Erinnerung

Eisenach verlegt weitere Stolpersteine

Der Initiator des Kunst- und Gedenkprojekts, Gunter Demnig aus Köln, die Stolpersteine selbst verlegen

 16.09.2025

Porträt der Woche

Passion für Pelze

Anita Schwarz ist Kürschnerin und verdrängte lange das Schicksal ihrer Mutter

von Alicia Rust  16.09.2025

Bayern

Merz kämpft in Synagoge mit Tränen

In München ist die Synagoge an der Reichenbachstraße feierlich wiedereröffnet worden, die einst von den Nationalsozialisten zerstört wurde. Der Bundeskanzler zeigte sich gerührt

von Cordula Dieckmann  17.09.2025 Aktualisiert

Sachsen-Anhalt

Erstes Konzert in Magdeburger Synagoge

Die Synagoge war im Dezember 2023 eröffnet worden

 15.09.2025

Thüringen

Jüdisches Bildungsprojekt »Tacheles mit Simson« geht erneut auf Tour

Ziel des Projektes sei es, dem Aufkommen von Antisemitismus durch Bildung vorzubeugen, sagte Projektleiter Johannes Gräser

 15.09.2025

Essen

Festival jüdischer Musik mit Igor Levit und Lahav Shani

Der Festivalname »TIKWAH« (hebräisch für »Hoffnung«) solle »ein wichtiges Signal in schwierigen Zeiten« setzen, hieß es

 15.09.2025