Impressionen

»Es ist für mich wie ein Zuhause«

Elisabeth, Anna und Viktor Bunimov, Braunschweig
Meine Eltern besuchen regelmäßig den Gemeindetag und schwärmten uns immer von ihm vor. Da wurde es für uns auch Zeit, ebenfalls nach Berlin zu fahren. Mich interessieren die Politiker und die vielen Vorträge, ebenso die jüdische Community. Einfach das Gesamtpaket. Meine Frau Anna mag eigentlich alles, aber vor allem das Motto »Zusammen leben«. Und sie hat sich einige Vorträge angekreuzt, die sie sich anhören möchte. Elisabeth hofft, neue Freunde zu finden, denn da, wo wir leben, in der Nähe von Braunschweig, gibt es keine jüdische Gemeinde. Deshalb besucht unsere Tochter öfters die Sonntagsschule in Hannover. Worauf sie sich auch sehr freut, sind die Ausflüge, die von der Kinderbetreuung angeboten werden. Auf ihrer Agenda stehen der Berliner Zoo, das Technikmuseum und das Spaßparadies. Was uns auch erfreut, ist, dass wir uns mit meinen Eltern und meinem Bruder und dessen Frau hier beim Gemeindetag treffen. Meine Eltern leben in Schwerin, mein Bruder mit seiner Frau in Hamburg. 1991 sind wir aus der Ukraine nach Deutschland gekommen, wo wir in verschiedenen Städten leben, nun sehen wir uns alle in Berlin.

Warren Ohayon
Ich bin eigentlich beruflich auf dem Gemeindetag, denn die Band, die ich produziere, hat am Eröffnungsabend einen Auftritt: HaHerzelim. Sie singen a cappella und performen auch. Ich finde es sehr interessant zu sehen, wie viele Leute hier zusammenkommen und einfach zusammen sind. Mit das Schönste für mich ist: Wenn der Stress vorbei ist, habe ich noch ein paar Tage Zeit, mir die Stadt anzusehen.

Shirel Golde (20), München
Ich bin hier, um wieder ein Gefühl für Sicherheit und Zugehörigkeit zu bekommen. Ich habe mir das Panel »Wohin steuert Israel?« herausgesucht, denn: Man kann viel über die Vergangenheit sprechen. Aber wichtig ist: Wie gehen wir jetzt damit um? Und wo, wenn nicht hier, können wir darüber sprechen? Es ist das dritte Mal, dass meine Familie und ich auf dem Gemeindetag sind. Ich studiere Kunst an der Akademie der Bildenden Künste in München und beschäftige mich mit dem Thema, wie es ist, zwischen Deutschland und Israel aufgewachsen zu sein.

Pinchas Kranitz, Frankfurt
Ich bin extra aus Israel angereist, um das hier zu erleben. Es ist mein erster Gemeindetag – und ich bin gespannt. Ich hoffe auf friedliche Diskussionen. Die Politiker, die vor Ort sein werden, kenne ich nur vom Bildschirm. Nun habe ich die Möglichkeit, sie hautnah zu erleben und zu hören, was sie zu sagen haben. Eine wichtige Veranstaltung ist für mich das Panel »Wie politisch ist der Sport?«. 34 Jahre lang habe ich Behindertensportfeste organisiert, und ich mache gern Sport. Auf die Partys freue ich mich ebenfalls, denn ich tanze gern. In den paar Minuten, die seit meiner Ankunft vergangen sind, sind mir schon mehrere Bekannte aus anderen Gemeinden begegnet. Das ist toll. Nach dem Gemeindetag werde ich recht bald wieder nach Israel reisen, von wo ich gerade komme, um in Yad bʼYad für die Versorgung von Soldaten in der Küche zu stehen.

Gabriela Feynes, Hamburg
Der Gemeindetag ist für mich wie ein Zuhause! Ich bin das zweite Mal hier, und ich habe mich schon die ganze Zeit darauf gefreut. Zum einen wegen des tollen Programms, vor allem aber, weil ich hier alte Freunde und Bekannte wiedertreffe – zum Teil aus meiner Kindheit, auch aus der Zionistischen Jugend. Das ist sehr anrührend, wenn wir uns hier wiedersehen. Es ist schön, dass einige von uns noch immer in Kontakt sind. Das Motto »Zusammen leben« ist, finde ich, eine sehr gute Wahl. Darum müssen wir uns alle bemühen, was wir oftmals viel zu selten tun.

Levi Israel Ufferfilge, Berlin
Ich bin 35 Jahre alt und Rabbinerstudent am Zacharias Frankel College und werde demnächst ordiniert. Mein Promotionsstudium in Münster habe ich deswegen unterbrochen. Zuvor war ich drei Jahre lang Lehrer und Schulleiter am Jüdischen Gymnasium in München. Rabbiner zu werden, das war immer mein Traum. Dies ist bereits mein vierter Gemeindetag. Ich freue mich, dass meine Masorti-Bewegung dieses Mal besonders hier vertreten ist. Wir haben einen Stand und halten zwei Gottesdienste ab.

Elisabeth Degen, Berlin, und Bärbel Thierkopf, Hannover
Ich finde dieses Event sehr, sehr wichtig, gerade in der heutigen Zeit! Mein Vater, der Schauspieler Michael Degen, hat immer gesagt, wir haben 70 bis 80 Jahre. Da sind wir jetzt! Deshalb ist es so wichtig, dass wir so geballt und miteinander sichtbar sind. Ich helfe mit auf dem Gemeindetag, um auch etwas zurückzugeben. Und endlich sehe ich nach zwei Monaten meine Tante Bärbel wieder. Für die ist es der erste Gemeindetag. Sie ist extra aus Hannover angereist. Was wir über das Thema des Gemeindetags und das Thema »Zusammen leben« denken?
Mir zenen do aun mir veln bleybn aoyf eybik! Am Israel Chai!

Max Garbinski (68), Köln
Es ist sehr schön hier, wenn auch die Stimmung etwas gedrückter ist. Der Zusammenhalt war für uns Juden schon immer wichtig, deshalb ist es gut, dass der Gemeindetag stattfindet. Die Sufganiot waren so gut wie letztes Mal. Die Rede des israelischen Botschafters hat mir sehr gut gefallen, sympathischer Mann. Ich komme nächstes Mal auf jeden Fall wieder.

Emiliia Kivelevich (32), Essen
Ich bin vor drei Jahren von Russland über Israel nach Deutschland gekommen. Der Gemeindetag ist wunderbar, das größte und beste Event, das ich bisher erlebt habe. Die Location ist toll, es ist so gut organisiert, die Logistik ist beeindruckend, und dann das Essen … Wichtige Themen und Leute stehen auf dem Programm. Und das Motto »Zusammen leben« ist für mich ein persönliches. Ich bin als Flüchtling hergekommen, ich habe hier keine Familie, keine Freunde. Ich versuche das Zusammenleben jeden Tag. Deshalb ist es auch mein Motto!

Ilia Choukhlov, Nürnberg
Ich möchte vor allem erleben, wie unsere Politiker von ihren Reden zu Taten übergehen. Weniger will ich an diesen Tagen nicht haben. Ich habe viel vom Gemeindetag gehört und dachte mir nun, dass ich teilnehmen möchte. Es ist das erste Mal, dass ich dabei bin. Ob der Gemeindetag Inspirationen weitergibt, weiß ich nicht. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt.

Micha Vogel, Köln
Seit 1966 lebe ich in Deutschland, engagiere mich in unserer Gemeinde, aber trotzdem war ich noch nie auf dem Gemeindetag! Dieses Jahr haben meine Frau und ich uns aber gesagt: Wir haben schon so viel gehört, jetzt schauen wir uns das doch mal an. Ich war immer schon ein neugieriger Vogel. Ganz so, wie mein Name sagt. Ich bin aber auch ein Kritiker und hergekommen, um meine Meinung zu äußern. Zu Israel und zur Gemeindearbeit habe ich ein paar kritische Gedanken. Das soll jetzt aber nicht falsch verstanden werden: Die Kölner Gemeinde ist unsere Heimat, sie ist unsere Familie in Deutschland.

Hannah und Robert Prinz, Wiesbaden
Ich bin in der USA in einer Großstadt aufgewachsen, in der es eine große jüdische Gemeinde gibt. Vor Jahren sind wir nach Deutschland gekommen. Mittlerweile wohnen mein Mann, unsere beiden Kinder und ich in einem kleinen Dorf bei Wiesbaden, wo wir die einzigen Juden sind. Dort fühlen wir uns sehr wohl, aber es fehlt uns das jüdische Leben. Heute erleben wir es auf unserem ersten Gemeindetag. Wir genießen es und wollen es unseren Kindern zeigen. Unsere beiden sind nun im Day Camp. Damit sie jüdischen Anschluss finden, bringen wir sie sonntags in das Juze nach Frankfurt, für die Strecke brauchen wir immer 45 Minuten. In diesen Tagen können wir Vorträge, Lesungen und Diskussionen in Ruhe verfolgen. Wir freuen uns sehr auf diese Tage und die jüdische Community.

Leonard Klepikow, Bremen
Ich bin 22 Jahre alt, komme aus Bremen und bin dort beim jüdischen Studierendenverband aktiv. Das ist mein erster Gemeindetag, und ich finde die Stimmung schon jetzt absolut beeindruckend. Ich kenne kein anderes jüdisches Event, wo Jung und Alt zusammenkommen. Thematisch interessiert mich vor allem, was sie zu Politik zu sagen haben.

Gabriela Katz, Kassel
Ich komme aus Kassel und arbeite dort in einer jüdischen Einrichtung. Beim Gemeindetag interessiert mich vor allem das Thema soziale Medien und wie man Falschinformationen entgegenwirken kann. Und natürlich auch das Networking.

Michael Kogosov, Hannover
Eigentlich habe ich keine bestimmten Erwartungen, ich freue mich auf interessante Lesungen und Diskussionen. Und natürlich bin ich gespannt auf die politischen Veranstaltungen. Viele Bekannte habe ich schon am ersten Tag getroffen. Ich bin mit meiner Familie nach Berlin gekommen. Unsere beiden Kinder haben nun Spaß im Day Camp. Das ist großartig für sie. Nun bin ich zum ersten Mal beim Gemeindetag dabei, und ich mag schon jetzt die Atmosphäre.

Zusammengestellt von Sophie Albers Ben Chamo, Katrin Richter, Christine Schmitt, Michael Thadigsmann

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