Sofia und Lenny, herzlichen Glückwunsch zu eurem grandiosen Sieg bei der Jewrovision. Sie bot auch in diesem Jahr ein ziemlich hohes Niveau – und war spannend bis zum Schluss. Die Jugendzentren Kavanah aus Aachen und Jachad aus Köln hatten sich zusammengetan, traten als ein Team auf – und gewannen. Wie habt ihr die Zeit zwischen eurem Auftritt und der Punkte-Verkündung erlebt?
Lenny: Ich gehörte als Juze-Leiter der Jury an, war also nicht so nah dran, und lasse dir den Vortritt, Sofia.
Sofia: Die Kinder waren ein einziges Bündel aus Emotionen. Man sah es in ihren Augen, in jeder Bewegung – diese Mischung aus Aufregung, Nervosität und vor allem purer Freude. Man hat ihnen angesehen, dass sie auch von innen gestrahlt und mit einer unglaublich positiven Energie die Bühne betreten haben. Für uns war das der schönste Moment. Wir haben ihnen immer wieder gesagt: Das ist eure Bühne. Genießt sie. Habt Spaß. Es ist vollkommen egal, wie es läuft. Wir wollten ihnen den Druck nehmen, den sie sich selbst oft machten. Und sie haben das angenommen, sie haben sich getraut, loszulassen. Sie waren eine Mischpacha. Nach dem Auftritt liefen sie direkt zu ihren Eltern im Publikum, holten sich liebevolle Umarmungen ab, und man sah, wie stolz und glücklich sie waren. Danach haben wir uns gemeinsam den Special Act angeschaut. Die Anspannung fiel langsam ab, und wir versuchten, einfach nur den Abend zu genießen – mit einem Gefühl von Stolz, Erleichterung und tiefer Verbundenheit.
Wie hält man es als Juze-Leiterin oder -Leiter aus, den Auftritt mit dem Wissen zu verfolgen, nun nicht mehr eingreifen zu können?
Lenny: Man steht an der Seite der Bühne und ist voller Adrenalin. Ich glaube, wir alle haben in den letzten Monaten, Wochen und Tagen alles mit den Kindern durchgestanden. Wir haben jede Strophe mitgesungen, gefühlt alle Bewegungen mitgemacht, als ob wir selbst auf der Bühne stehen würden, und hofften einfach, dass alles gut geht. Aber man weiß ganz genau, es passieren Fehler auf der Bühne, schließlich ist es kein professioneller Act. Jeder schiefe Ton gehört dazu, ebenso jeder kleine Fehler – das ist auch ganz normal.
Sofia: Wir haben den Kindern immer wieder gesagt, dass sie Spaß haben sollen. Als die Kinder auf der Bühne standen und darauf gewartet haben, dass ihr Auftritt losgeht, saß ich ganz vorn im Publikum, habe versucht, ein tolles Video für sie aufzunehmen, und ihnen ganz fest die Daumen gedrückt. Ich habe darauf vertraut, dass sie den Moment genießen und mit jedem Schritt ihr Herz tanzen lassen.
Wart ihr selbst zufrieden mit dem Act?
Sofia: Natürlich, aber nicht nur wegen unseres Sieges. Er ist der Gipfel unserer gemeinsamen Reise. Das Schönste daran ist jedoch, dass zwei Jugendzentren auf der Bühne standen, es sich aber so angefühlt hat, als hätten sich beide Jugendzentren zu einem gemeinsamen Herz verbunden. Ich hatte durchgehend Gänsehaut.
Lenny: Ich war ja in der Jury. Man weiß bis zum letzten Moment nicht, wie sich die Juroren entscheiden. Es gab so viele besondere Auftritte dieses Jahr. Ich saß auf meinem Platz und wusste, ich muss jetzt gleich Punkte eintragen – und sobald ich eines unserer Kinder sehe, werde ich meine Emotionen nicht mehr zurückhalten können. Als ich dann endlich backstage war, habe ich angefangen zu weinen. Ich habe erst einmal 30 Minuten auf dem Boden gelegen und alle Kinder hochgeworfen, weil ich mich so gefreut habe und so stolz war. Es war wirklich wieder ein ganz besonderer Moment.
Was zeichnet euren Act aus?
Lenny: Unsere Stärke ist ganz klar der Süßheitsfaktor.
Was meinst du damit?
Lenny: Also, es gab Kinder, die sind zum ersten Mal auf der Bühne gewesen – mit zehn Jahren. Und das ist natürlich für so einen Act extrem jung. Uns war es wichtig, kein Kind auszuschließen, sondern für jedes eine Position zu finden. Bei uns hatten die meisten bisher kaum Berührung mit dem Tanzen. Wir haben Kinder mit verschiedensten Talenten im Team, die wir auch auf der Bühne mit einbeziehen wollten. So ist beispielsweise die Band zustande gekommen und die zwei Chanichot, die am Anfang fantastisches Ballett getanzt haben. Kinder, die nicht auf der Bühne stehen wollten, hatten die Möglichkeit, im Hintergrund mitzuwirken. Alle unsere Bühnenbild-Elemente wurden von uns selbst gestaltet.
Darunter auch Kisten. Was hatte es damit auf sich?
Lenny: Was wir wirklich zeigen wollten, war, dass verschiedene Kinder auftreten und dabei auch viele Elemente präsentieren, wie beispielsweise Kisten bewegen. Wir haben versucht, neben dem Storytelling neue Elemente einzubauen, die es davor noch nicht gab. Dies stellte eine Schwierigkeit für die Kinder dar, da sie nicht nur an ihre Bewegungen denken mussten, sondern auch nicht vergessen durften, die Kisten zu bewegen. Dann hatten wir uns überlegt, wir müssten so einen kleinen Wow-Effekt direkt an den Anfang setzen, mit dem riesigen Vorhang, dem größten, den es jemals auf der Jewro-Bühne gab. Dadurch konnten wir das Bühnenbild so aufteilen, dass die Kinder schon alle positioniert sind.
Und das Klavier?
Lenny: Das war auch eines von den vielen Elementen. Der Klavierdeckel ging am Ende noch einmal auf, und es flogen Herzen hoch. So entstand ein Gesamtkonstrukt. Der Song, das Hintergrund-Video – es passte alles zusammen.
Sofia, jahrelang stand Kavanah nicht auf der Jewro-Bühne. War es jetzt das zweite Mal, dass Köln und Aachen zusammen performt haben?
Sofia: Genau. Wir sind unglaublich dankbar, dass wir all das gemeinsam gestalten durften. Aus dieser intensiven Zeit sind tiefe Freundschaften entstanden. Das spürten wir nicht nur bei den Proben und auf der großen Jewrovision-Bühne, sondern auch in den kleinen Momenten dazwischen. Zum Beispiel auch daran, wer sich beim Mini-Machane mit wem ein Zimmer teilte und wer mit wem über das Mischpacha-Familienfest gelaufen ist. In solchen Augenblicken geht für mich wirklich so ein kleines Licht in meinem Herzen auf. Die Kölner haben ihre Tradition mit uns geteilt, wie beispielsweise die Bootcamps. Abends schauten wir uns auf einer riesigen Leinwand noch einmal das Video vom letzten Jahr an. Das sind alles Momente, für die wir ein ganz großes Danke sagen. Das bedeutet uns wirklich sehr, sehr viel.
Und Jachad bedankt sich wahrscheinlich auch für diese Gemeinschaft, oder?
Lenny: Ja, klar, zu 100 Prozent. Das sind zwei Jugendzentren, eines ist viel größer als das andere. Ohne den anderen hätte es aber nicht funktioniert. Von außen sah es aus wie ein Jugendzentrum.
Sofia: Die Kinder haben schon gefragt: »Wann sehen wir uns denn wieder?« Ich glaube, wir haben einfach sehr gute Arbeit als gemeinsames Team geleistet. Freundschaften sind entstanden – und ich denke, das ist etwas, worauf die Kinder sehr, sehr lange zurückblicken und worüber sie sehr happy sein werden, wenn sie auch noch in zehn Jahren befreundet sind. Ich glaube, das ist das Schönste.
Die Jugendzentren treffen sich weiter?
Sofia: Ja. Wir sind schon mitten in den Planungen für eine große After-Jewro-Party und möchten gern mit den Jugendzentren aus ganz Nordrhein-Westfalen feiern. In den vergangenen Jahren ist der Zusammenhalt zwischen den NRW-Roschim noch einmal gestiegen, und wir versuchen, mindestens zweimal im Jahr eine große Veranstaltung für alle NRW-Jugendzentren zu organisieren. Aufgrund dessen war für uns klar: Wir feiern gemeinsam mit ganz NRW.
Lenny: Was ich noch sagen möchte: Die positiven Rückmeldungen und die Liebe, die uns entgegengebracht wurden, sind wirklich unglaublich, und das ist ein Punkt, der nicht selbstverständlich ist. Besonders schön war der Zusammenhalt aller Jugendzentren untereinander in diesem Jahr. Ich glaube, es gab keinen, der nicht auf mich zukam und mich umarmt hat und stolz war, auf uns und auf das, was wir erreicht haben. Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass alle Jugendzentren uns den Erfolg gegönnt haben, unabhängig davon, wie ihre eigene Platzierung ausgefallen ist. Dies hat mich mit Stolz erfüllt, und ich möchte mich bei allen bedanken.
Mit der Juze-Leiterin Sofia Boymenblit und dem Juze-Leiter Leonard Schuhmacher sprach Christine Schmitt