Interview

»Wir brauchen eine starke Zivilgesellschaft«

Rapper Ben Salomo Foto: imago images / Future Image

Interview

»Wir brauchen eine starke Zivilgesellschaft«

Ben Salomo über Antisemitismus, Drohmails, Hetzkampagnen und »Rap am Mittwoch«

von Gernot Wolfram  25.05.2023 09:32 Uhr

Ben Salomo, Sie wurden von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Dienstag als Botschafter für Demokratie und Toleranz ausgezeichnet. Was ist Ihre Botschaft?
Meine Botschaft ist eine starke Zivilgesellschaft, die sich einsetzt gegen Diskriminierung. Antisemitismus ist mein Kernthema. Aber man versteht Antisemitismus nicht, wenn man es unter Rassismus subsumiert. Ich versuche, da nochmal zu sensibilisieren, damit wir es schaffen, die antisemitischen Überzeugungen in der deutschen Gesellschaft – wenn schon nie auf null – zumindest unter zehn Prozent zurückzudrängen.

Sie haben sich »in besonderer Weise für die Demokratie eingesetzt«, heißt es. Wie würden Sie Ihren Einsatz beschreiben?
Seit vier Jahren gehe ich konsequent an Schulen. Ich halte Vorträge zu Antisemitismus in der Jugendkultur und in der deutschen Rap-Szene. Was da passiert, hat großen Einfluss auf die Jugend. Ich zeige Jugendlichen anhand von heute existierendem Antisemitismus auf, wie gefährlich dieses Phänomen ist. In der Vergangenheit wurde das an historischen Beispielen festgemacht, sprich dem Holocaust. Das ist sehr gut und wichtig, bedeutet aber nicht automatisch, dass man begreift, wie Antisemitismus sich heute artikuliert und wirkt. Er ist das erste Warnsignal, das zeigt, dass eine Demokratie erkrankt.

Sie haben sich 2018 aus Protest aus der Hip-Hop-Szene zurückgezogen …
Das war ein existenzieller Schritt für mich, weil meine Veranstaltung »Rap am Mittwoch« auch meinen Lebensunterhalt gesichert hat. Als ich antisemitische Angriffe aus der Szene auf mich erlebte, habe ich das thematisiert und hoffte, die Szene und die Gesellschaft seien reflektiert genug, Solidarität zu zeigen. Das ist ausgeblieben. 2018 gab es den Echo-Skandal um Kollegah und Farid Bang, Antisemitismus wurde plötzlich preiswürdig. Mir wurde klar, dass ich den Kampf gegen Antisemitismus in dieser Szene nicht von innen führen kann.

Sind Sie persönlich gefährdet?
Teile der Rap- und Gangsta-Rap-Szene sind sehr gewaltbereit. Ich habe viele Drohmails und Hassnachrichten bekommen. Im Zuge dieser Echo-Verleihung wurden sehr radikale Leute auf mich aufmerksam. Einflussreiche Deutschrapper und Leute aus dem Milieu haben dann eine mit professionellen Videos aufgezogene Hetzkampagne gegen mich losgetreten. Klar, die Antisemiten wollen nicht als Antisemiten entlarvt werden. Deren antisemitische Hetze hat dann ein Niveau erreicht, dass ich Anzeige erstatten musste, und daraufhin wurde mir von der Polizei geraten, mich als Schutzperson des deutschen Staates zu melden. Ich muss sehr aufpassen, wohin ich gehe.

Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?
Sie bedeutet mir sehr viel, weil sie zeigt, dass man gesehen wird. Wenn wir in zehn oder 20 Jahren noch eine Demokratie haben wollen, müssen wir junge Menschen zum Thema Antisemitismus jetzt aufklären.

Mit dem Rapper sprach Helmut Kuhn.

Leipzig

Henriette Goldschmidt: Feministin der ersten Stunde

Sie wollte Frauen durch Bildung und Erwerbstätigkeit mehr Unabhängigkeit ermöglichen: Henriette Goldschmidt eröffnete in Leipzig die erste »Hochschule für Frauen«. Vor 200 Jahren wurde sie geboren

von Katharina Rögner  17.11.2025

Judenhass

Charlotte Knobloch warnt: Zukunft jüdischen Lebens ungewiss

Die Hintergründe

 16.11.2025

Porträt der Woche

Bühne und Heimweh

Emiliia Kivelevich inszeniert Theater zwischen Kunst, Glaube und Migration

von Christine Schmitt  16.11.2025

Ehrung

Göttinger Friedenspreis für Leon Weintraub und Schulnetzwerk

Zwei Auszeichnungen, ein Ziel: Der Göttinger Friedenspreis geht 2026 an Leon Weintraub und ein Schulprojekt. Beide setzen sich gegen Rassismus und für Verständigung ein

von Michael Althaus  13.11.2025

Israel

Voigt will den Jugendaustausch mit Israel stärken

Es gebe großes Interesse, junge Menschen zusammenzubringen und Freundschaften zu schließen, sagt der thüringische Regierungschef zum Abschluss einer Israel-Reise

von Willi Wild  13.11.2025

Karneval

»Ov krüzz oder quer«

Wie in der NRW-Landesvertretung in Berlin die närrische Jahreszeit eingeleitet wurde

von Sören Kittel  13.11.2025

Jüdische Kulturtage Berlin

Broadway am Prenzlauer Berg

Vom Eröffnungskonzert bis zum Dancefloor werden Besucherrekorde erwartet

von Helmut Kuhn  13.11.2025

Justiz

Anklage wegen Hausverbots für Juden in Flensburg erhoben

Ein Ladeninhaber in Flensburg soll mit einem Aushang zum Hass gegen jüdische Menschen aufgestachelt haben. Ein Schild in seinem Schaufenster enthielt den Satz »Juden haben hier Hausverbot«

 12.11.2025

Interview

»Niemand hat Jason Stanley von der Bühne gejagt«

Benjamin Graumann, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Frankfurt, weist die Vorwürfe des amerikanischen Philosophen zurück und beschuldigt ihn, Unwahrheiten über den Abend in der Synagoge zu verbreiten

von Michael Thaidigsmann  12.11.2025